Albenverkäufe oder: Wenn Gorny und Cro zählen
„Myth: Sales
count.They're almost as
irrelevant as the old billboards on the Sunset Strip, they're a way to stroke
the egos of the players involved. It's no longer whether someone buys your
album, but whether they listen to it, that's the relevant metric that everybody
seems to ignore as they trumpet the anemic, irrelevant SoundScan numbers.“ (Bob Lefsetz)Nur im Ländle, in Stuttgart und Umgebung haben sie’s noch nicht kapiert
und baden in Verkäufen. Freilich: in Verkäufen, die noch nicht mal Verkäufe
sind.
Das deutsche Charts-Unwesen ist nicht so leicht zu kapieren. Eigentlich
gibt es „Gold“, also eine von Gornys Bundesverband Musikindustrie (BVMI) verliehene
„Goldene Schallplatte“, für 130.000 verkaufte Tonträger. Eigentlich.Dieser Tage meldete „Chimperator“, die Plattenfirma des schwäbischen
Muttersöhnchens mit der Pandamaske, „Melodie“, das neue Album von Cro, habe „innerhalb der ersten 24 Stunden nach
Veröffentlichung bereits Gold für 130.000 verkaufte Einheiten eingefahren“.
Man rieb sich die Augen und fragte sich, was in den Plattenläden und
Kaufhäusern losgewesen sein muß. 130.000 CDs und „Einheiten“ in nur 24 Stunden?
Die ja streng genommen nicht mal 24 Stunden sind, denn natürlich gilt
hierzulande der Ladenschluß.Selfmade Records, die Plattenfirma von Kollegah, deckten die Wahrheit
auf: In Wahrheit hatte Cro binnen 24 Stunden nicht 130.000, sondern lediglich
40.000 „Einheiten“ des neuen Albums verkauft, wie die GfK-Website, die über die
realen Verkäufe Statistik führt, bewies. Also gar kein Gold für Cro? Alles
Lüge?Wie mans nimmt. Denn der BVMI läßt die Mogeleien zu. Er ermöglicht sie
sogar erst. Denn laut dessen Regelwerk werden die „Auslieferungen an die
jeweiligen Händler“ gezählt, sogenannte „Shippings“, nicht aber die tatsächlich
verkauften Tonträger. Der „Musikmarkt“ erklärt: „Es bleibt dem Label überlassen, ob es mit der Edelmetallmeldung
wartet, bis auch der Verkauf über das Handelspanel der GfK Entertainment
abgelesen werden kann, oder das Edelmetall beim BVMI bereits nach Auslieferung
beantragt. Da grundsätzlich das Risiko besteht, daß ausgelieferte Einheiten
doch nicht verkauft werden und der Bundesverband im schlechtesten Fall bei
entsprechender Retourenmenge Edelmetall aberkennen muss, warten Labels jedoch
häufig bis die entsprechende Anzahl an Verkäufen stattgefunden hat.“Chimperator hat jedoch nicht abgewartet, bis die für „Gold“ nötigen
130.000 Tonträger tatsächlich verkauft wurden, sondern hat nach deren
Auslieferung an den Handel bereits die „Gold“-Meldung herausposaunt. Um gute
Presse zu bekommen. Liest sich doch auch cool: 130.000 Menschen sollen also
binnen 24 Stunden das neue Cro-„Werk“ gekauft haben. Toll! Nur eben leider
nicht die Wahrheit. Nur die Wahrheit der deutschen Musikindustrie – wenn man
wie Chimperator und Dieter Gorny rechnet, sind 40.000 eben 130.000 und 2 mal 2
ergibt 5.
Allerdings: sowas kann einer Plattenfirma auch schon mal auf die Füße
fallen. WEA hatte 2002 gar „Platin“ für das neue Album ihres Künstlers Marius
Müller-Westernhagen gemeldet, wozu seinerzeit 300.000 verkaufte Tonträger nötig
waren. Die allerdings nicht binnen Jahresfrist verkauft worden waren. Die
Verleihung der „Platin-Schallplatte“ durch WEA war also nur ein Werbegag, um
die Presse von Westernhagens Konkurrenten Herbert Grönemeyer abzulenken.
WEA-Marketingleiter Hans-Otto Villwock ließ seinerzeit verlauten: „Die Platin-Verleihung wurde angesetzt, um
in den Medien Aufmerksamkeit zu erlangen."
Und die Lehre aus dieser Geschichte? Um es mit Kanye West zu sagen:
Bitte glauben Sie Plattenfirmen nichts, aber auch wirklich gar nichts!