Conchita ist mir Wurst
Aus chinesischer Perspektive ist der sogenannte Eurovisions-Wettbewerb
noch weiter weg als auch schon, und Conchita ist mir sowas von Wurst. Aber wie
sich in den deutschen Feuilletons jetzt plötzlich alle mit ihrer aufgesetzten
Toleranz wichtig tun und den Sieg einer äußerst mediokren Trash-Künstlerin zu
einem geradezu emanzipatorischen Akt hochjazzen bzw. hochschlagern, das ist
schon reichlich bescheuert und läßt tief blicken, wie es um die Toleranz in
diesem Land in Wirklichkeit bestellt ist. Jörg Augsburg weist in einem sehr
lesenswerten Artikel im „Freitag“ jedenfalls darauf hin, daß die Drag
Queen noch vor einem Jahr zum Personal der umstrittenen Reality-Show "Wild
Girls - Auf High Heels durch Afrika" zählte: „Gerade ihr Travestie-Appeal diente dazu, vermeintliche
schwarzafrikanische Hinterwäldler - 'Wilde' - vorzuführen. Wurst gehört zum
Inventar des per se politisch und
ästhetisch reaktionären Trash-TVs,
bei dem man nie genau weiß, wer hier wen mehr benutzt, die Sender die
Protagonisten oder die mediengeilen Protagonisten die Show."So wird eben ein Turnschuh draus.„Erstaunlich
am diesjährigen Erfolg ist eigentlich nur, daß es sich 40 Jahre nach David
Bowie, 30 nach Boy George, 15 nach Marilyn Manson und fünf nach Lady Gaga für
viele immer noch irgendwie verrucht und revolutionär anzufühlen scheint, eine
androgyne Kunstfigur in aller Öffentlichkeit gut zu finden“, schreibt Jörg
Augsburg. Besser hätte ich das nicht sagen können.