04.05.2014

Ai Weiwei und Shanghai

Christiane Peitz (das ist die Journalistin, die vor kurzem am Hofe Ai
Weiweis vorgelassen wurde, sich dort allen möglichen Unsinn erzählen ließ und
nach Berlin zurückgekehrt eine dreiteilige Serie produzierte, ohne auch nur ein
Faktum recherchiert oder gegengechecked und ohne auch nur eine andere der
zahlreichen Kunstausstellungen in Beijing eines Wortes gewürdigt zu haben –
reine Hofberichterstattung eben) schreibt im Berliner „Tagesspiegel“ (das ist
die Zeitung, deren Redaktion unlängst einen vierseitigen „redaktionellen“
Promotion-Beitrag über Easyjet inklusive eines fetten Titelbildes produziert
hat und dabei den von Easyjet erfundenen Werbeslogan „Generation Easyjet“
freudig nachplappert – man kann den ganzen für den „Tagesspiegel“ sehr
peinlichen Fall ausführlich im lesenswerten Blog von Stefan Niggemeier
nachlesen, der zu dem Schluß kommt: „Entweder
die Zeitung hat sich von dem Unternehmen kaufen lassen. Oder eine komplette
Redaktion hat versehentlich eine Werbesonderausgabe für Easyjet produziert“
- http://www.stefan-niggemeier.de/blog/der-tagesspiegel-fliegt-auf-easyjet-2/
) aufgeregt: „Ai Weiweis Kunst in Shanghai verboten.“

Bereits der Eingangssatz des Artikels läßt tief blicken: „In den Berliner Gropius-Bau zieht Ai Weiwei
die Massen. In China verhindert das die staatliche Zensur: Bei einer
Ausstellung in Schanghai mußten seine Werke beseitigt werden.“ Sonst wären
die Massen auch in Shanghai zu Ai Weiwei geströmt? Ach geh. Natürlich nicht die
Bohne. Ai Weiwei interessiert in China kaum einen Menschen, und ob Ai Weiwei
eines seiner Werke in Shanghai ausstellt, ist ungefähr so bedeutsam, wie wenn
in Berlin eines der von Ai produzierten Porzellan-Reiskörner umfällt. Was
übrigens nicht nur für China gilt, sondern so ziemlich für den gesamten Rest
der Welt, mit Ausnahme der Länder, wo der Schweizer Kunstsammler Uli Sigg
(Ex-China-Botschafter der Schweiz, ist heute laut eigener Aussage mit
China-Projekten des Schweizer Verlags Ringier betraut und laut eigener Aussage „in Bereichen wie
Finanzdienstleistung und Automobillogistik
investiert und bin im Advisory Board der China
Development Bank, welche die großen Infrastrukturvorhaben wie
Dreischluchtendamm und Autobahnen finanziert“; Uli Sigg verfolgt den Rechtsrutsch in der
Schweiz hoffnungsvoll und bewundert den berüchtigten Schweizer Rechtspopulisten
Christoph Blocher) sein Netzwerk spinnt.Wenn Frau Peitz sich nun ins Zeug legt für den „Chinese Contemporary Art
Award“, dann hört sich das so an, als ob es sich dabei fast um einen Nobelpreis
für Kunst handeln würde, oder doch zumindest um einen renommierten, anerkannten
Kunstpreis. Das ist aber nicht der Fall. Der Preis wurde von Uli Sigg ausgelobt
– wahrscheinlich mit dem Ziel, sein Netzwerk zu perfektionieren und die
Künstler, deren Kunst er besitzt, mit einem wie auch immer zustande gekommenen
Preis zu adeln, was letztlich auch den Wert der Kunstwerke steigern dürfte.Wie das alles passiert, wer in der Jury von Uli Siggs Kunstpreis sitzt
(neben Ai Weiwei quasi das gesamte hauptsächlich Schweizer Netzwerk des
Kunstsammlers), und daß das alles eben ein Geschäft
ist („it’s the economy, stupid!“), das können Sie natürlich nicht bei Frau
Peitz und ihrem „Tagesspiegel“, wohl aber in der langen Version meines im Juni
2011 in kürzerer Form in „Konkret“ erschienenen Artikels „Die Legende vom
Heiligen Ai“ nachlesen.Und ansonsten kümmert sich in Shanghai, wo ich mich gerade aufhalte, niemand
um diese Ausstellung, die dem „Tagesspiegel“ einen großen Artikel wert ist.
Nicht einmal in den Kunst-Spalten von „Time Out Shanghai“ ist die Ausstellung
erwähnt. Bedeutungslosigkeit pur. Nur in Deutschland, wo Ai Weiwei längst der
staatliche Lieblings-, Haus- und Hofkünstler ist, fällt in der Redaktion des „Tagesspiegel“ gerade
besagtes Porzellan-Reiskorn um.Die Medien sind heutzutage jedenfalls für das Kunstgeschäft, vor allem
aber auch für die herrschende Propaganda oft nur noch nützliche Idioten.