13.03.2014

Diederichsens Verwertungszyklus

Auch
interessant: In einem klugen Aufsatz für die „Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung“ forderte Diedrich Diederichsen 2010, daß die Kritiker (der
Beitrag war mit „Plattenkritik“ überschrieben) lange Texte schreiben sollen,
die sich ausdrücklich den Verwertungszyklen der Kulturindustrie verweigern, „Texte, die nicht zum Erscheinen der Platte, des
Buches, zur Einführung des Games oder zum Kinostart des Films erscheinen,
sondern irgendwann, zu Beginn, in der Mitte oder am Ende eines Rezeptionszyklus
intervenieren. Die Verbindung zum Leben, zur Rezensentensubjektivität als
Testarena der Rezeption stellt nicht mehr Schnelligkeit her, sondern eine
qualifizierte Langsamkeit die antikapitalistische Tiefe eines ungehetzten
Lebens im Dienste ästhetischer Reflexion.“Gut gebrüllt! Doch bei seinem eigenen Buch hat sich Diederichsen für das
Gegenteil entschieden – das Buch wurde mit einer massiven Kampagne beworben,
das deutsche Feuilleton stand Gewehr bei Fuß und brachte lange Rezensionen, bevor Diederichsens Buch überhaupt
erschienen war, und es gab große Interviews allüberall – die Werbekampagne war
generalstabsmäßig eben auf das „Erscheinen des Buchs“ ausgerichtet, es ging
gerade um Schnelligkeit, gewissermaßen um kapitalistische Oberflächlichkeit,
durch die Diederichsens eigene Forderung nach „antikapitalistischer Tiefe“ der
Kritik geradezu ad absurdum geführt wurde. It’s the economy, stupid!Und Sie wissen schon, „die schärfsten Kritiker der Elche“ undsoweiter...