01.03.2014

Whatsapp

Nun hat die Fressenkladde also die Klitsche „What’s App“ gekauft. Für
ein paar Dollar mehr.Ich erinnere mich an eine Szene der späten 80er Jahre. Einer meiner
Freunde erklärte sein Mißtrauen gegenüber der digitalen Vernetzung. Er war
Professor an der Fuldaer Fachhochschule und mit mir in den 80er Jahren im
Stadtparlament der Bischofsstadt, gemeinsam hatten wir gegen die staatliche
Volkszählung 1987 gekämpft. Es ging schon damals um das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung, das 1983 vor dem Bundesverfassungsgericht
erst erstritten werden mußte, und um den immer stärkeren Datenaustausch
von Polizei und Geheimdiensten ebenso wie die Datensammlungen der Wirtschaft in
Zeiten des Fortschreitens der Computerisierung. Internet, die Jüngeren werden
sich das nicht vorstellen können, gab es im Privatleben seinerzeit noch nicht.Ich erinnere jedenfalls, wie mein Freund in seiner
unnachahmlichen Art, den gesunden Menschenverstand in einfache Bilder zu
gießen, bemerkte, er fände es unheimlich, daß mit einem aus der Wand kommenden
Kabel sein Computer verbunden werde, also jemand von außen auf sein privates
Gerät zugreifen könne. Als mich dieser Freund und seine Frau letzten Sommer in
Berlin besuchten, erzählte seine Frau, daß sie ständig What’s App verwende... Die Frage, ob ein
relativ junges, vor wenigen Jahren gegründetes Unternehmen wie Whatsapp mit nur
55 Mitarbeitern mehr wert sein kann als sagen wir ein traditionsreicher
Stahlkonzern wie Thyssen-Krupp mit mehr als 150.000 Mitarbeitern, ist nicht nur
sehr „analog“, sondern wahrscheinlich auch falsch gestellt. Whatsapp wird
derzeit von 450 Millionen Menschen genutzt und gilt als Datenkrake, als ein Unternehmen, das eine Art „Super-Wanze“
in den Mobiltelefonen seiner Nutzer installiert. What’s App ist ein Jahr lang
„kostenlos“, aber bezahlt wird natürlich in einer anderen Währung, nämlich mit
den Daten der Nutzer, mit der kompletten Preisgabe aller persönlichen
Vorlieben. „Die App kann Gespräche und
Telefongespräche mitschneiden, sie kann Fotos einsehen, mit dem aktuellen
Standort versehen und hochladen. Diese Daten werden, wie niederländische
Behörden nachgewiesen haben, auf amerikanische Server übertragen, ohne dass man
es merkt. Wenn der Nutzer „WhatsApp“ verwenden will, muss er dies zulassen.
Dies geschieht auch, wenn die App im Hintergrund läuft.“ (EDV-Experte
Steffan Löffelbein laut „Der Westen“). „Es ist ein
Vermögen wert zu wissen, welche Menschen auf welchen Umlaufbahnen aneinander vorbeischweben,
um miteinander Kontakt aufzunehmen“ (Frank Schirrmacher). „Kostenlos“ ist in
der digitalen Welt gar nichts. Wir bezahlen immer – mit unseren Daten, mit
unseren Gewohnheiten, mit unserer Privatheit. „Wer immer einem ein kostenloses Angebot macht, ist verdächtig“
(Hans Magnus Enzensberger).Jürgen Habermas hat 1968 unter dem Titel „Technik und Wissenschaft als
‚Ideologie’“ eine Festschrift für Herbert Marcuse veröffentlicht. Darin
beschreibt Habermas „eine große Zahl von
Techniken der Verhaltenskontrolle und der Persönlichkeitsveränderung: neue und
alles durchdringende Techniken zur Überwachung, ständiger Beobachtung und der
Kontrolle von Individuen und Organisationen; neue und zuverlässige
erzieherische und werbemäßige Techniken um menschliches Verhalten zu
beeinflussen – privat und öffentlich; praktische Anwendung unmittelbarer
elektronischer Kommunikation, die mit den Gehirnen operiert; neue und relativ
effiziente Techniken zur Widerstands-Bekämpfung.“ Es geht um die „manipulativen Zwänge eines
technisch-operativen Staates“ – Zwänge, die, wie wir heute wissen, nicht
nur von einem technisch-operativen Staat, sondern vor allem auch von
Großkonzernen ausgeübt werden, die gerne Hand in Hand mit den Staaten und
seinen Geheimdiensten operieren. Wir sind in der Welt von Apple, Amazon,
Facebook und Google – einer Welt, in der die Daten von 450 Millionen Menschen
eben auch mal 19 Milliarden Dollar wert sind.