15.09.2013

Künstler und Ferienwohnung

In der Wochenendbeilage der „Berliner Zeitung“ gibt es eine Rubrik
namens „Mein Platz“, in der Menschen von ihrem Lieblingsplatz erzählen und
ebendort abgebildet werden.

Am 7.9.2013 tut dies eine Künstlerin, die sich am Fenster ihres Ateliers
im Wedding fotografieren läßt und dazu u.a. erzählt: „Mein Atelier liegt in einem heruntergekommenen Industriebau (...) Als
ich vor vier Jahren einzig, mußte ich noch mit einem Ölofen heizen. Im Winter
waren es nicht einmal zehn Grad am Fenster. Schließlich hat ein Amerikaner das
Haus gekauft, er baute Heizungen ein. Die Miete kann ich mir seitdem nicht mehr
leisten, aber es gibt Fördergelder für Ateliers, deshalb bin ich noch hier.“

Die alte Geschichte also: arme Künstlerin muß wie in „La Boheme“ im
Atelier bitterlich frieren, dann kommt amerikanischer (also letztlich böser) Investor,
baut zwar Heizung ein, aber ach, dadurch wird das Atelier zu teuer, und die
arme Künstlerin kann die Miete nicht mehr bezahlen. Gottseidank gibt es noch
die Fördergelder des Senats.

Eine Geschichte der sozialen Kälte, der Gentrifizierung.

Wenn man allerdings den Namen der Künstlerin bei Google eingibt, erhält
mal bereits als zweites Suchergebnis eine merkwürdige Sache: die gleiche
Künstlerin bietet auf einer Website, die Ferienwohnungen in Berlin anpreist
(also Wohnungen, die von ihren Besitzern dem Mietmarkt und damit der
Gesellschaft entzogen werden), eine Ferienwohnung in bester Lage an, in der
Pappelallee im Prenzlauer Berg (also einem Viertel, in dem bezahlbare Wohnungen
Mangelware sind): eine ihr offensichtlich gehörende „wunderschöne 1-Zimmer-Wohnung in einer denkmalgeschützten Remise“,
die sie für zwischen 47 und 62 Euro pro Nacht vermietet, zur Hochsaison für 20%
mehr. Betrachtet man den Belegungsplan für den aktuellen Monat, stellt man
fest, daß die Ferienwohnung im September an 20 von 30 Tagen vermietet ist –
macht Einnahmen von zwischen 940 und 1.340 Euro für die Künstlerin. Würde sie
die Wohnung zu den im Mietspiegel festgelegten Quadratmeterpreisen vermieten,
würde sie nur etwa 300 Euro einnehmen.

So ist das eben heutzutage in Berlin: Besitzer von Eigentumswohnungen in
besten Lagen entziehen diese Wohnungen dem Wohnungsmarkt und vermieten sie um
des höheren Profits willen als Ferienwohnungen, lassen sich gleichzeitig aber
vom Senat ein Atelier fördern und barmen in der Öffentlichkeit, sich ohne die
Staatsgelder die Miete fürs Atelier nicht mehr leisten zu können. Ekelhaft.