03.09.2013

Und Ansonsten 09/2013

Sie erinnern sich: Die Presseverlage, Axel Springer allen voran, haben
jahrelang Lobbyarbeit betrieben, um der Bundesregierung das sogenannte
„Anti-Google-Gesetz“ abzupressen, ein Gesetz, das fast alle Experten, die große
Mehrheit aller unabhängigen Juristen und ihre Fachverbände wie auch die meisten
namhaften Wissenschaftler abgelehnt haben. Während vernünftige Menschen das
Gesetz für das halten, was es ist, nämlich „eine
Katastrophe für die deutsche Öffentlichkeit“ (Marcel Weiß, „Neunetz.de“),
beharrt der „Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger“ darauf, das neue
Leistungsschutzrecht für Verlage bleibe ein wichtiger Baustein für eine
Strategie „weg von der Unkultur des
Kostenlosen, weg vom Mißbrauch des Copyrights“.
Doch was geschah, als das neue Leistungsschutzrecht nun am 1.8.2013 in Kraft
trat? Was passiert jetzt? Gar nichts. Die Verlage und Zeitungen, die das neue
Gesetz so vehement verlangt hatten, setzten es nicht um – sie präsentieren sich
weiter gerne auf Google News, aus gutem Grund: „Google bringt ihnen echten Mehrwert, indem es jede Menge Traffic auf
Verlagsseiten lenkt – pro Monat sind dies weltweit über sechs Milliarden
Besucher“ (so der Google-eigene Blog lt. „FAZ“ vom 1.8.d.J.).
Und so zogen die Verlage und ihre Zeitungen den Schwanz ein und ließen ziemlich
kleinlaut von sich hören: „Die F.A.Z. hat
ihre Zustimmung zur Anzeige der eigenen Inhalte bei Google News gegeben (...)
Ein sogenanntes ‚De-Listing’ bei Google News hätte für die F.A.Z. erhebliche Reichweitenverluste
bedeutet. (...) die wirtschaftlichen Risiken wären für die F.A.Z. nicht
überschaubar gewesen“, teilte die „FAZ“ „in eigener Sache“ mit. Auch die
Axel Springer AG läßt ihre Internetseiten weiter bei „Google News“ erscheinen,
wie die meisten anderen deutschen Zeitungen und Verlage.
Interessant. Denn mit ihrem Verhalten zeigen die Presseverlage, daß sie die
Öffentlichkeit zuvor belogen haben. Ganz offensichtlich verdienen sie eine Menge Geld gerade dadurch, daß ihre Meldungen bei Google angezeigt und verlinkt werden. Das
bringt ihnen Mehrwert, würden sie
dort nicht auffindbar sein, würde das „erhebliche
Reichweitenverluste“ und „nicht
überschaubare wirtschaftliche Risiken“ mit sich bringen.
Die Politiker aber, die das Leistungsschutzrecht geändert haben – und das war
nicht nur der FDP-Wirtschaftsminister, der den Chefredakteur der Blödzeitung
öffentlich umarmt und geradezu anspringt, sondern die komplette CDU, CSU und
FDP und weite Teile von SPD und Grünen... – sollten sich jedenfalls schämen.
Ihr Hofknicks vor Springer, Burda und Konsorten war zu nichts nütze. Es sind
schon Politiker aus nichtigeren Anlässen zurückgetreten...

Politikverdrossenheit? Wer wissen will, woher die rührt, kann mich
anrufen, für geringes Stundenhonorar erkläre ich noch vor den Wahlen allen,
wieviel 1 und 1 ist.

* * *

Und sobald es ans Eingemachte, also an ihren Profit geht, werden die
Konservativen zu Kommunisten, wie etwa, wenn ein Großkapitalist eine ihrer
Qualitätszeitungen aufkauft:
„Bei den weltweiten Konzentrationsbewegungen,
welche die Online-Konzerne nun am Beispiel von Zeitungen exerzieren, muß man
sich aber auch fragen, ob Lenin mit
seiner Theorie des Staatsmonopolkapitalismus nicht doch recht behalten könnte.
Die Welt wird bestimmt von einer Finanz-Daten-Online-Oligarchie, mit besten
Verbindungen zum Geheimdienst.“ (Hervorhebung BS).
Stand nicht etwa in der „Roten Fahne“, sondern im Leitkommentar des Leitmediums
der deutschen Konservativen, der FAZ, am 7.8.2013.
Ganz offensichtlich geht ihnen der Popo auf Grundeis.

* * *

„Tape.tv kauft Amen“.
Verlierer unter sich.

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„Ich wünsche mir, daß unsere Regierung endlich kapiert, daß Kinder nicht nur
Wirtschaft und Mathe im Leben brauchen. Ich wünsche mir, daß in den Schulen
Musik, Literatur und Kunst eine größere Rolle spielen. (...) Es ist die Kunst,
die uns Menschen glücklich macht.“
                                   Pharell
Williams im Interview mit dem SZ-Magazin

* * *

Sachen gibt’s... Wie zum Beispiel dieses Angebot einer deutschen Heavy
Metal-Band, das mich gerade erreichte:
„U.D.O. planen ein Konzert zusammen mit
dem Marinemusikkorps Nordsee. Dies ist ein sehr spezielles Projekt und
entstammt einer Zusammenarbeit auf dem letzten U.D.O. Studioalbum
"STEELHAMMER". Der Song "BOOK OF FAITH" war sozusagen die
erste gemeinsame Nummer und ist so gut angekommen und hat auch beiden Parteien
solchen Spaß bereitet, daß wir gemeinschaftlich beschlossen haben, dies in
einem einmaligen Konzert umzusetzen. (...)
Das Konzert wird höchstwahrscheinlich unter der Schirmherschaft eines
hochrangigen Politikers stattfinden (erste Details frühestens NACH der
Bundestagswahl) und soll im Rahmen einer Image Kampagne der Bundeswehr genutzt
werden. Weitere Aktionen (Gala Dinner, etc.) sind bereits geplant, hängen aber
stark von der Schirmherschaft und der letztendlichen Infrastruktur
der Veranstaltungsstadt ab.“ (Rechtschreibung wie im Original, BS)
Vielleicht reichts ja sogar zu einer Briefmarke der Deutschen Post AG? Die ist
nämlich auch immer gern bereit, Imagekampagnen der Bundeswehr zu unterstützen:

* * *

Und was macht die „Initiative Musik“? Sie fährt „internationale Journalistinnen und Journalisten“ herum und macht
Werbung für Schland: „Bei der einwöchigen
Reise erlebten die Journalistinnen und Journalisten Deutschland als ein
modernes Land mit einer lebendigen, vielschichtigen und international
anerkannten Musikszene“. Und ein Uwe Heye, Referatsleiter in der Abteilung
für Kultur und Propaganda, oh, pardon, Kultur und Kommunikation des Auswärtigen
Amtes, sagt die einschlägige Prosa zum nation
branding mit nachgerade entwaffnender (sic!) Ehrlichkeit auf: „Musik als Kulturgut ist von großer
Bedeutung, wenn es darum geht, die Wahrnehmung und das Image von Deutschland
als Kulturnation im Ausland zu gestalten und zu steuern. Deshalb ist das
Besucherprogramm des Auswärtigen Amts (...) ein wichtiger Teil der deutschen
Public Diplomacy.“
Alle und alles im „Einsatz für Deutschland“.

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Und wen hat die Propagandaabteilung des Auswärtigen Amtes auf unser aller
Kosten zur Buchmesse nach Rio, an den Deutschen Gemeinschaftsstand in Brasilien
geschickt? Den Israel-feindlichen Großdichter? Eines der jungen Dinger, die
jeweils durch die Feuilletons der Qualitätszeitungen gehetzt werden? Frau Roche
und ihre Feuchtgebiete? Oder hat das Auswärtige Amt doch eher Botho Strauß zum
Singen ins Bockshorn nach Brasilien gejagt? Oder letztlich doch einen der
sagenhaften Popliteraten?
Weit gefehlt.
Nein, die „nationalkulturelle Pflicht“
(„FAZ“, ironisch, nicht daß Sie denken...), am deutschen Gemeinschaftsstand bei
der Buchmesse in Rio aufzulaufen, ein Stand, der  „mit
Unterstützung des Auswärtigen Amts gestaltet und bespielt“ („FAZ“) wurde,
diese Pflicht hat letzte Woche, am 29.August – na, wer wohl wahrgenommen? Sie
kommen nicht drauf: Michael Ballack! Genau, der Capitano. Der allerdings eher
Aphorismen-Dichter ist – Sie erinnern sich? „Keiner
verliert ungern.“ Da nich für...