02.07.2004

Und Ansonsten 2004-07-02

Die
Massenentlassungen in der deutschen Schallplattenindustrie gehen weiter - nun
bei der BMG Deutschland. Die Zahl der Beschäftigten von BMG Deutschland soll
von 500 vor zwei Jahren auf 220 bis 230 reduziert, also mehr als halbiert
werden. Derzeit hat die BMG Deutschland noch knapp 300 Mitarbeiter.
Wie zuvor schon EMI will auch BMG sich von etlichen ihrer Künstler trennen - 60
Prozent der deutschen BMG-Künstler stehen demzufolge auf der Abschussliste. Man
will sich zukünftig auf "zugkräftige Stars" wie z.B. Yvonne
Catterfeld, Oomph oder Andrea Berg konzentrieren. Mit diesen Entscheidungen
verabschiedet sich mit der BMG eine weitere große Plattenfirma aus dem Musikgeschäft
mit Perspektive - den Majors geht es nur noch um schnelle Profite, der
sorgfältige und langfristige Aufbau von Künstlern ist bei der deutschen
Schallplattenindustrie nicht mehr vorgesehen. Man sollte nicht jammern - bietet
diese Hilflosigkeit der international agierenden und nur mehr auf Shareholder
Value spekulierenden Majors doch der kreativen Indie-Branche, die sowieso seit
jeher den besseren Musikgeschmack hat, aber auch langfristig ihren Künstlern
die Treue hält, wunderbare Perspektiven.
Die altehrwürdige FAZ schickt in einem Kommentar der deutschen
Schallplattenindustrie jedenfalls noch einen berechtigten Schuß Häme hinterher:
"Es ist die Logik der Controller, die regiert (…) Die Branche nimmt dies
als eine Art Naturgesetz hin, was bezeichnend für die Managementschwächen im
deutschen Musikgeschäft ist."

* * *

Während die EMI ebenfalls im großen Stil Entlassungen weltweit und hierzulande
durchgeführt und zuletzt sogar das ehemalige Flagschiff Virgin Deutschland in
München geschlossen hat, wurden die Bezüge von Alain Lévy, Chairman und CEO von
EMI, deutlich aufgebessert. Das Jahresgehalt des EMI-Bosses beträgt nunmehr
eine Million Pfund (ca. 1,52 Mio. Euro), ein Plus von fast 43 Prozent gegenüber
seinen bisherigen Bezügen. Mit diversen Prämien, Boni und Firmenanteilen kann
Lévy im Erfolgsfall auf bis zu acht Millionen Euro im Jahr kommen.
Damit wir uns nicht missverstehen - hier soll keine dumpfe Neidkampagne
gegenüber Managergehältern gefahren werden. Aber interessant ist es doch -
erstens das Signal, das ein Konzern, der soeben wieder einmal
Massenentlassungen durchgeführt hat, da aussendet, und zweitens, dass Lévy auch
künftig umso mehr verdient, je mehr Profite sein Konzern einfährt - u.a. also,
je mehr Mitarbeiter er auch künftig entlassen wird.

* * *

Immer wieder die gleichen Veröffentlichungen, die Faktenlage ist eindeutig,
auch an dieser Stelle wurden die Tatsachen wiederholt vorgetragen. Die neuesten
Zahlen stammen von Lorenz Jarass, Wirtschaftsprofessor in Wiesbaden und einer
der renommiertesten Steuerexperten der Republik.
Demzufolge war die ab Jahresbeginn 2001 wirksame "Reform" der
Unternehmensteuer durch die rot-grüne Bundesregierung für die
Kapitalgesellschaften ein phantastischer Deal. Wären die Unternehmensgewinne
der Jahre 2001 bis 2003 steuerlich in gleicher Weise herangezogen worden wie im
Jahr 2000, hätten die Unternehmen in diesen drei Jahren 180,9 Milliarden Euro
zahlen müssen. Dank "moderner Wirtschaftspolitik" a la rot-grün waren
es dann nur noch 104 Milliarden - eine Ersparnis von 76,9 Milliarden Euro!
Nimmt man noch die Personengesellschaften und die Selbständigen hinzu, die -
nach diesem Rechenmodell - ihrerseits 26 Milliarden Euro weniger zahlten,
ergibt sich ein Steuergeschenk in der unglaublichen und fast schon perversen
Höhe von 102,9 Milliarden Euro. Durchschnittlich pro Jahr 34,3 Milliarden. Zum
Vergleich: Der gesamte Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
beträgt gegenwärtig gut acht Milliarden Euro.
(zitiert nach Freitag v. 25.6.04)
Kein Wunder, dass der Kanzler der Bosse zwar von den Wählern regelmäßig
abgestraft wird, von der Wirtschaft aber bejubelt wird, wie unlängst beim BdI.
Aber wie sagte Schröder doch so schön, "ich kann nichts anderes" oder
irgendwie so in der Art…
In diesem Zusammenhang, ich wiederhole mich da gerne, ist es erstaunlich, dass
immer noch gut 9% aller bundesdeutschen Wahlberechtigten SPD wählen, wie
zuletzt bei der Europawahl…

* * *

"Mein Eindruck ist, die Reichen werden zu wenig belastet. Dieser Eindruck
muß korrigiert werden. Wenn die Zeiten schwieriger werden, wird der Begriff der
Gerechtigkeit umso wichtiger. Und wenn die Menschen das Gefühl haben, die
Lasten werden ungleich verteilt, nehmen sie übel. Das scheint mir die heutige
Situation zu sein. (…)
Das Kapital tut so, als gäbe es keine nationalen Grenzen mehr und macht das,
wozu es da ist: Gewinne. Das Kapital ist beweglich, die Menschen sind es aber
nicht. Sie bleiben im Prinzip da, wo sie wohnen. Als Bismarck seine
Sozialgesetzgebung gemacht hat, haben 50 Prozent die Arbeiter und 50 Prozent
die Fabrikanten bezahlt - so hießen die damals. Heute ist die Wirtschaft zum
Teil stolz darauf, keine Steuern mehr zu bezahlen."
Egon Bahr, seit 1956 SPD-Mitglied, ehemals Brandts engster Vertrauter,
SPD-Bundesgeschäftsführer und bis 1991 Mitglied des SPD-Parteipräsidiums, in
einem Interview am 26.6.04 in der Berliner Zeitung

* * *

Thomas Quasthoff ist nicht nur einer der herausragenden deutschen Sänger und
einer der besten lebenden Baritone überhaupt, nein, er ist auch ein Mensch
guten Geschmacks. Aus seinem Interview mit dem Magazin der Berliner
Philharmoniker:
"Und ich finde, die Berliner Philharmoniker haben so etwas wie die
Scorpions-Geschichte, als derzeit bestes Orchester der Welt, nicht nötig. Und
ich finde die Scorpions wirklich schrecklich. Nicht weil sie erfolgreich sind;
aber musikalisch ist es furchtbar."
Dem ist nichts hinzuzufügen (ähem, außer vielleicht der Anmerkung, dass die
Scorpions eine der Lieblingsbands von Gerhard Schröder sind…)

* * *

"Man schmückt sich in Berlin mit großen Namen wie Marlene Dietrich, Helmut
Newton und auch mit mir. Man hat keine große Auswahl an Persönlichkeiten. Man
braucht Leute wie Newton, um sich selbst zu ehren (…) "Wir sind
weltoffen", will man mit so einer Ehrung sagen. Berlin ist jedoch voll mit
dürftigen Kopien. Die Helden des heutigen Berlin sind Schnulzensänger und
Moderatorinnen."
Der frischgebackene Ehrenbürger der Stadt Berlin, Kunstsammler Heinz Berggruen

* * *

Verfolgt man die Spiele der Fußball-EM, leidet man zwangsläufig an den
peinlichen und dämlichen Dampfplauderern a la Kerner oder Beckmann. Und fast
ist man geneigt, Abbitte gegenüber Heribert Faßbaender zu leisten. Naja: Fast!
Immerhin, ein Gutes hat es, dass die Kerners und Beckmanns in Portugal weilen -
so können sie wenigstens keine Talkshows moderieren. Bleibt einem wenigstens
das erspart…

* * *

Tortoise sind dran Schuld, dass Missy Elliott, 32, Hip-Hop-Star, ihre
Europatournee absagen musste. Lt. SZ erklärte "das Management der
Rap-Millionärin in einem offiziellen Schreiben" zur Tour-Absage gegenüber
den britischen Fans: "Aufgrund der ungewöhnlich hohen Anzahl von
Künstlern, die zurzeit durch Europa touren, gibt es für Missy und ihre Freunde
nicht genug Busse." Wie die SZ sehr zu Recht anmerkt "die wohl
schlechteste Ausrede aller Zeiten für eine kurzfristige Absage" einer
Tournee.
Schon dreist, wie ein Management, das offenkundig unfähig war, beizeiten
Tourbusse anzumieten, noch solch eine Ausrede offensiv auftischt. Da fällt
einem nicht mehr viel ein…

Da können wir nur sagen - die Busse für unsere Bands sind seit Monaten gebucht,
Lambchop, Tortoise, Sophia und alle anderen werden also auf Tour gehen. Viel
Spaß also mit diesen und all den anderen wunderbaren Bands, und einen schönen
Sommer!