05.05.2004

Und Ansonsten 2004-05-05

Um
den Geisteszustand des öffentlich-rechtlichen Fernsehens im Jahre 2004 zu
begutachten, muß man nur mal zufällig an einem Samstagvormittag im April durch
die Programme zappen - die ARD überträgt live aus Holland mehrere Stunden lang
die Hochzeit irgendeines komischen Prinzen mit einer Bürgerlichen (er ist nicht
einmal Thronfolger!). Und was macht, lang lebe die kulturelle Vielfalt, das ZDF
parallel? Eben. Es überträgt live aus Delft stundenlang die Hochzeit
irgendeines niederländischen Prinzen.
Für den holländischen Käse soll unsereiner Gebühren bezahlen? Mon dieu.

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"Meine zukünftigen Tagebücher sollten unter dem Titel laufen: DAS
IRRENHAUS. Entweder bin ich irr oder die Welt, alle sagen ersteres, ich
letzteres."
Einar Schleef, Tagebucheintrag 1.4.1963

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Zu der Zeit, als Kanzler Schröder seiner Haus- und Hofzeitung Bild noch
Interviews gab (also vor kurzem…), war Schröder mit großem Getöse über
Steuerflüchtlinge hergezogen. In der "Bild am Sonntag" empfahl er
deren gesellschaftliche Ächtung. Ungefähr zur gleichen Zeit bat Kanzler
Schröder einen notorischen Steuerflüchtling, nämlich den Kaufmann und
Kunstsammler Friedrich Christian "Mick" Flick, zu einem Empfang ins
Kanzleramt und hofierte Flick.
Lt. Süddeutscher Zeitung hat Mick Flick dem deutschen Fiskus, konservativ
gerechnet, über die Jahre mindestens 125 Millionen Euro Steuern vorenthalten -
was eine gewisse Tradition in der Familie Flick hat, mit deren Namen
bekanntlich einer der größten Skandale der Bonner Republik verbunden ist -
Bruder und Mutter sind ebenfalls Steuerflüchtlinge, und der Onkel, früher einer
der reichsten Männer Deutschlands, ist schon vor vielen Jahren aus steuerlichen
Gründen nach Österreich übergesiedelt.
Doch warum hofiert der Kanzler der Bosse, der doch gleichzeitig so harsche
Worte über Steuerflüchtlinge findet, den ausgewiesenen Steuerflüchtling? Es
gibt einen einfachen Grund: Die Gemäldesammlung Mick Flicks soll im Herbst in
Berlin durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der Berliner Rieck-Halle
beim Hamburger Bahnhof ausgestellt werden. Das freut unseren Kanzler natürlich.

Das Vermögen zum Aufbau dieser Sammlung stammt aus Kriegsgewinnen und der
brutalen Ausbeutung von Sklavenarbeitern, und weil dies so ist, hat sich etwa
die Stadt Zürich, deren Steuerbürger Flick ist, im Jahr 2001 verbeten, dessen
Sammlung auszustellen (und die Universität Oxford lehnte es ab, einen
"Flick Lehrstuhl" einzurichten).
Lediglich in Berlin hofieren Kanzler und seine Kulturstaatsministerin den
vermeintlichen Mäzen - unbeeindruckt von dem Umstand, dass Flick die Sammlung
ja keineswegs dem Staat schenken, sondern nur mit dessen Segen ausstellen
möchte. Und Kenner der Kunstszene wissen, dass eine ausgestellte Sammlung deren
Wert natürlich beträchtlich steigert. Es war ausgerechnet der
CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis, der die Bundesregierung in einer
Anfrage fragen musste, ob der Fiskus an "eintretenden Vorteilen
(Wertsteigerungen)" der Sammlung des Herrn Flick profitiere oder
"zumindest irgendwelche Maßnahmen veranlasst" habe, um wenigstens ein
paar Euro Steuern zu erhalten.
Alle Vertreter der Familie Flick haben es übrigens ausnahmslos und entschieden
abgelehnt, der "Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft"
zugunsten ehemaliger Zwangsarbeiter beizutreten. 1944 hatte der Flick-Konzern,
Deutschlands größter Rüstungskonzern, 120.000 Beschäftigte. 40% der gesamten
Belegschaft waren Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. An der Sammlung
des Mick Flick, die dieses Jahr in Berlin mit Förderung des Kanzlers
ausgestellt werden soll, klebt Blut. Da ist der Tatbestand der Steuerflucht
noch das kleinste Problem… Weitere Infos unter www.musikmissbrauch.org
und www.masseundmacht.com

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Die bekanntlich nicht satisfikationsfähige grüne Gurke Claudia Roth hat
versucht, etwas zu sagen: "Es darf keinen Rabatt auf Menschenrechte
geben." Wahrscheinlich hat sies sogar gut gemeint. Aber über diesen
Satz denken wir jetzt mal noch ein bisschen nach…

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Der investigativ-UNIVERSAL-freundliche Musikjournalismus des Spiegel treibt
weiter bunte Blüten - war der Autor des Tim Renner-Huldigungsartikels noch eher
dunkel eingefärbt angesichts des Weges, den er durchs Gedärm des Herrn Renner
eingeschlagen hatte, so wird nun in einer Meldung namens "Warner Music
reduziert radikal" die Welt Universal-freundlich zurechtgebogen: Es wird
gemeldet, dass Warner Deutschland sein Personal von 239 Angestellten auf 104
reduzieren werde. Und dann kommts: "Universal Music kam bei seiner vor
wenigen Wochen bekannt gegebenen Restrukturierung ohne Entlassungen aus",
meldet frech und frank der namenlose Spiegel-Autor, für den offensichtlich
selbst eine schäbige Internet-Recherche ein Fremdwort darstellt. Es wäre nun
wirklich ein Einfaches gewesen, rauszubekommen, wie viele Mitarbeiter Universal
in den letzten 12 Monaten entlassen hat…

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Da hatten die Grünen mal einen guten Einfall: In einer Online-Aktion kümmerten
sie sich um die Rechte der Verbraucher und sprachen sich gegen den Kopierschutz
von CDs auf. "Verbraucherschutz erstreckt sich nicht nur auf
Lebensmittel", meinte die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Lemke,
und sagte, es könne nicht angehen, wie die Musikindustrie mit ihren Kunden
umspringe. Die Grüne kritisierte, dass mittlerweile rund 40 Prozent der CDs mit
einem Kopierschutz versehen sei, wodurch das "ungeschriebene Gesetz auf
Privatkopien" ausgehebelt werde (warum eigentlich
"ungeschrieben"? ach ja, weil rot-grün im eilig zusammengeschusterten
Gesetz unlängst versäumt hat, die Verbraucherrechte zu berücksichtigen, ich
vergaß…).
Gut gebrüllt, Löwin!
Und natürlich sprangen der Löwin aus dem Gebüsch die üblichen Verdächtigen
entgegen: Die Junge Union meinte, die Grünen würden "Arbeitsplätze
verbrennen". Der Phonoverband-Vorsitzende Gebhardt wusste sofort ganz
genau, dass das Kopieren in Deutschland "nichts mit der viel zitierten
Sicherungskopie vom eigenen Original oder dem freien Zugang zu Informationen zu
tun hat, sondern eindeutig bequemer Kaufersatz ist".
Na, und was tun die Grünen?
Eh klar, sie stellen natürlich umgehend ihre Aktion ein. So daß der Sprecher
des Phonoverbands, Siesecke, vermelden darf, die Grünen hätten bei diesem Thema
"etwas dazugelernt."
Ach ja, übrigens: Man vergleiche einfach einmal die Zahlenentwicklung der
verkauften CDs hierzulande und die der verkauften CD-Rs (in Mio.):
1998 1999 2000 2001 2002 2003
Verkaufte CDs 250 250 245 221 202 157
Verkaufte CD-Rs 31 58 133 182 259 325
Wie man unschwer erkennen kann, lässt sich daraus beim besten Willen nur ein
höchst minimaler Prozentsatz erkennen, den gebrannte CDs den verkauften wegnehmen
- in einem Jahr, in dem sich die Zahl verkaufter CD-Rs mehr als verdoppelt hat,
sank der CD-Verkauf gerade einmal um 5 Mio., also einer systemimmanent
möglichen Zahl.
Und: In den USA, dem Land mit einer der höchsten Verkaufszahlen sowohl von
CD-Rs als auch von Downloads aus dem Internet, ist der CD-Verkauf letztes Jahr
wieder gestiegen. Und dortige Untersuchungen haben ergeben, dass Musikhörer,
die regelmäßig Songs aus dem Internet downloaden, auch wesentlich mehr CDs
kaufen als der Rest der Bevölkerung. Wahrscheinlich einfach, weil sie
Musikliebhaber sind. Und Musikliebhaber sind die Spezies, die sich die hiesigen
Plattenmultis derzeit zum erklärten Gegner erkoren haben…

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Das Kulturprogramm der Großdemo gegen Sozialabbau in Berlin am 3.4.2004 ließ
fast nichts zu wünschen übrig: Es spielten z.B. die Prinzen oder Heinz Rudolf
Kunze. Fehlten nur noch Pur und die Scorpions. Was ist man nachträglich froh,
nicht mitdemonstriert zu haben… Die Musiker spielten übrigens nicht umsonst.
Wie hoch die Gagen waren, wollte die DGB-Sprecherin allerdings nicht verraten…

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Das Prestigeobjekt des mittlerweile zurückgetretenen SPD-Senators Strieder, das
Tempodrom, kostet die Berliner Steuerzahler einen deutlich zweistelligen
Millionenbetrag. Für den Erhalt der Berliner Symphoniker, eines Orchesters, das
gerade Schichten an klassische Musik heranführt, die normalerweise nicht in die
Philharmonie gehen, war da natürlich kein Geld mehr da. Es fehlten gerade
einmal 3 Millionen Euro, die SPD und PDS nicht mehr beisteuern wollten.
"Sparhaushalte auf Kosten von Kultur und Bildung sind rechts und
reaktionär, egal ob sie von sozialdemokratischen oder von christlichsozialen
Regierungen beschlossen werden." (Thomas Rothschild in seinem soeben
erschienenen Buch "Das große Übel der Bourgeoisie")

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Aus dem Anzeigentext einer deutschen Plattenfirma im Rolling Stone, Mai 2005: "Die
Kultband (…) mit hochmelodischem Gitarrenrock, semiakustischen elektrischen
Arrangements, griffigen Refrains und kernigen Kompositionen (…) introvertierte
Folkstücke, pulsierender Akustikrock, autobiografische Roadmoviesongs, moderner
Country Blues oder rhythmisch vertrackte Chansons (…) Treibende elektrische und
akustische Gitarren (…) der leidenschaftlich klagende Gesang (…) Die Live-Sensation
(…) ziehen sämtliche Register von Blues, Country, Folk, R'n'B und Rock (…) Das
Allroundtalent der amerikanischen Rockszene (…) intelligenter, flexibler
Songwriter (…)"
Ich weiß ja selbst, wer eine Bude auf dem Markt hat, muß schreien, aber…

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Das rot-grüne "Zuwanderungsgesetz" wird weiter demontiert - nach
jüngsten Änderungen soll der Rechtsanspruch auf Integration im Gesetz
entfallen, womit auch die Verpflichtung des Staates entfällt, ein ausreichendes
Angebot an Sprachkursen zur Verfügung zu stellen. Logischerweise sieht der neue
Entwurf aus dem Hause des rosaroten Kanthers, Schily, gleichzeitig Sanktionen
für diejenigen vor, die sich den nicht mehr angebotenen Sprachkursen entziehen
werden…

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Der Spiegel vom 3.5.d.J. titelt über US-Söldner im Irak: "Die Folterer von
Bagdad".
Mittlerweile ist herausgekommen, dass auch britische Soldaten im Irak gefoltert
haben.
Im Spiegel der Vorwoche hatte sich SPD-Innenminister Schily so seine Gedanken
gemacht und im Falle einer akuten Bedrohung erwogen, gezielt Terroristen töten
zu lassen. Eine Mehrheit hat Schily in der bundesdeutschen Bevölkerung mit
seiner Erwägung hinter sich, wie eine aktuelle Spiegel-Umfrage zeigt.

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Im gleichen Spiegel zeigt sich Redakteur Andreas Ulrich bei einem Besuch der
"einst malerischen Stadt" Prizren im Kosovo überrascht: "Das
gesamte serbische Viertel der Altstadt, einschließlich jahrhundertealter
Kirchen und Klöster, lag in Schutt und Asche. Albaner hatten es während eines
Ausbruchs ethnischen Hasses Mitte März angezündet. (…) Uno-Polizisten
beschuldigen deutsche Angehörige der Kfor-Friedenstruppe, ihnen trotz
verzweifelter Bitten nicht zu Hilfe gekommen zu sein. Ähnliche Vorwürfe gegen
die Bundeswehr hörten Ulrich und Korrespondentin Renate Flottau auch von
albanischen Menschenrechtlern und Soldaten anderer Truppenkontingente. Ulrich:
"Allem Anschein nach haben die Deutschen gekniffen, als es ernst
wurde."
Würd ich so nicht sagen. Wahrscheinlich war es doch eher so, dass die
Bundeswehroberen vor wenigen Jahren sehr genau hingehört haben, als rot-grüne
Politiker, allen voran der Hufeisenplan-Lügner Scharping und der
Auschwitz-Vergleicher Fischer, eine Kampagne unter dem nicht erklärten, aber so
gemeinten Motto "Serbien muß sterbien" zum Bundeswehreinsatz im
Kosovo und zur Bombardierung Serbiens (unter Missachtung des Völkerrechts
übrigens) geführt haben. Deutsche Beamte, Polizisten und Soldaten haben eben
schon immer gerne "weggeschaut" (der Spiegel nennt es
"gekniffen"), wenn "feindliche" Synagogen oder Kirchen in
Brand gesetzt wurden.

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Die Frankfurter Rundschau, solange es sie noch gibt, titelt in ihrem Reiseteil:

"Er ist bereits 15 Mal durch Marokko gereist. Für BAP-Sänger Wolfgang
Niedecken ist es ein unentdecktes Land geblieben. Sein Traum: Einmal alleine
auf einem Kamel in die Wüste reiten."
Er reitet sich wirklich immer weiter rein. Kann dem Mann denn nicht geholfen
werden? Ich würde sofort 10 EUR spenden. Und freu mich über die Bildunterzeile
unter dem Foto mit Niedecken und Kamel: "Das Kamel unten"…

In diesem Sinne freudvolle Kamelreisen durch die Nadelöhre dieser Welt