Und ansonsten 2003-12-01
Die
SPD-Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, war unlängst in
der sogenannten Dritten Welt, in Vietnam. Dort war sie auf Einkaufstour und
wollte lt. Spiegel für zwei Seidentaschen und zwei Schals sowie eine Jacke
nicht die von den zwei Verkäuferinnen geforderten 48 Dollar bezahlen. "Ich
kann mir das nicht leisten. Das ist zu teuer. 48 Dollar! Davon kann ich zu
Hause zwei Männer ernähren." Soll die SPD-Politikerin gesagt haben.
Die vietnamesischen Verkäuferinnen haben der SPD-Ministerpräsidentin
schlussendlich alles für 30 Dollar mitgegeben. Was haben die
Schleswig-Holsteiner doch für eine tolle Ministerpräsidentin! Und was haben wir
gelacht!
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Die EMI hat nicht nur Probleme, einen anderen Major ins Boot zu holen oder
aufgekauft zu werden, sondern auch mit der englischen Sprache: "Wiener
Sängerknaben goes Christmas" heißt die von EMI massiv beworbene
Weihnachts-CD des Knabenchors…
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Ein New Yorker Hochglanz-Jugend-Yuppie-Kulturmagazin bringt es auf den Punkt,
worauf es heute ankommt, und bringt dies in so großen Lettern, dass die vier
Sätze eine ganze Seite einnehmen: "I'll take anything. I have a collection of left shoes and piles of stuff I'll never use. I
recently took three Norwegian books… I don't even speak Norwegian." (Sleazenation,
October 2003). Aber das ist doch kein Problem. Sein wann sind denn Bücher zum
Lesen da? Die stellt man doch nur ins Regal. Ob norwegisch oder chinesisch,
ganz wurscht, nur gut aussehen muß das alles.
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Ach, ihr Plattenkonzerne, all eure Großfusionen und Zusammenschlüsse und
Aufkäufe werden euch nicht weiterhelfen - solange ihr weiter zu wenig auf gute
Musik und zu sehr auf Profite achtet, solange ihr Klassik-CD als Lounge-Musik
zu vermarkten sucht und ständig neue "Superstars" in zweifelhaften
Fernsehsendungen kreiert und durchs Dorf treibt, solange wird sich an eurer
Krise nichts ändern. Aber das wollt ihr ja alles nicht hören. Ist schon gut.
Macht weiter, ihr könnt ja eh nicht anders. Aber verschont uns doch bitte mal
ein paar Wochen mit eurem Gejammere und setzt die freiwerdende Energie für
etwas Konstruktives ein. Etwa dafür, gute Musik gut zu promoten.
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Wäre man Lieschen Müller, würde man sich natürlich tatsächlich fragen, ob ein
Markt wie der Markt der Plattenfirmen, der ja ohnedies bereits zu drei Vierteln
von nur fünf Konzernen kontrolliert wird, eine weitere Konzentration tatsächlich
benötigt. Klar, da werden jetzt Zehntausende von Mitarbeitern entlassen werden
(das nennt man dann branchenintern "Verschlankung", man müsse sich
"neu aufstellen", um den Herausforderungen gerecht blah blah). Aber
an den hausgemachten Problemen wird sich nichts, aber auch gar nichts ändern.
Wie wäre es denn beispielsweise damit, endlich einmal an die seit Jahren
drastisch überzogenen CD-Preise heranzugehen? Natürlich, die Plattenindustrie
behauptet, da werde sowieso nichts verdient, vom Händlerabgabepreis bleibe
quasi nichts übrig. Nur, wie kann dann, ganz plötzlich, der Marktführer
Universal in den USA von heute auf morgen ankündigen, die CD-Preise um satte 30
Prozent zu senken? Ist das eine Wohlfahrtsaktion beispiellosen Ausmaßes? Oder
waren CDs bisher zu teuer, und Universal kalkuliert so, dass selbst bei 30%
billigeren CD-Preisen noch Profite einzufahren sind? Dazu, liebe Manager in den
Plattenkonzernen, hätte Lieschen Müller sicher gerne mal eine verbindliche
Auskunft…
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Zu der einen überflüssigen Musikmesse namens PopKomm, die von Köln nach Berlin
wechseln wird, scheint sich nun lt. Spiegel eine zweite überflüssige Musikmesse
in - ja… -Köln zu gesellen. Jens Balzer kommentiert das treffend in der
"Berliner Zeitung": "Zu den unverrückbaren Grundsätzen des
Kapitalismus zählte bisher das Prinzip, dass sich am Markt nur erfolgreiche
Produkte durchsetzen (…) Im Popbereich scheint sich soeben das genaue Gegenteil
zu bewahrheiten: Hier ist es gerade ein besonders erfolgloses Produkt, das sich
durch Konkurrenz und Nachahmung verdoppelt; eine Branchenveranstaltung, die
sich sowohl in der dazugehörigen Branche wie auch beim breiten Publikum zuletzt
derart geringer Beliebtheit erfreute, dass man sie, ohne dass sich irgendjemand
nennenswert beklagt hätte, wohl auch gleich hätte ganz einstellen können: die
Kölner Popmesse Popkomm."
Tja, so ist das eben in der Glamourbranche…
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Wolf Biermann gehört ja nun wirklich seit geraumer Zeit eigentlich zu den
erledigten Fällen und sollte, wie etwa Claudia Roth, nicht mehr als
satisfikationsfähig gelten. Nun hat der Biermann allerdings versucht, Bob Dylan
ins Deutsche zu übersetzen, ein Unterfangen, an dem auch andere Kleingeister
wie etwa Wolf(!)gang Niedecken bereits gescheitert sind. Biermann allerdings
quatscht derartig unverschämt und wichtigtuerisch daher, dass es kaum zu fassen
ist: In "mein Deutsch" hat Biermann den Dylan überführt, eine
"Transportarbeit" sei das gewesen, und er habe Dylan "aus meinen
Vorräten und aus meiner mehr europäischen Sicht noch das eine oder andere
zustecken" wollen. Was Biermann meinte, war wohl: Er habe den Dylan
verbessert. Das immerhin traut sich der Biermann nicht zu sagen. Dreist. Früher
hätte man so einen Wichtigtuer erstmal paar Jahre in die Produktion gesteckt.
Und zwar nicht in eine Versschmiede…
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Daß das deutsche Finanzministerium seit der Regierungsübernahme von Rot-Grün
sich nicht grade durch Heldentaten hervorgetan hat, gehört zur Weisheit der
Marke Binsen. Und nun erschwert das Finanzministerium aufs Neuerliche die
Arbeit der Konzertagenturen und Musikveranstalter. Am 12.6.03 hatte der
Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Versagung des Rechts zum Abzug
der Betriebskosten im Rahmen der deutschen Ausländer-Pauschalbesteuerung gegen
die Artikel 49 und 50 des EG-Vertrages verstößt. Die deutsche
Pauschalbesteuerung ist gemäß des Urteils des Europäischen Gerichtshofes nur
rechtmäßig, wenn der pauschale Steuersatz nicht höher ist als der Steuersatz,
der sich für den Betroffenen aus der Anwendung der üblichen progressiven
Steuertarife auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrages in Höhe des
Grundfreibetrages ergeben würde.
Kurz gesagt: Der Europäische Gerichtshof hat das entschieden, was die
Konzertbranche hierzulande und nicht zuletzt auch diese Agentur seit Jahr und
Tag vehement eingefordert hat. Soweit so gut.
Die Bundesregierung ist nun verpflichtet, dieses Urteil innerhalb von
angemessener Zeit umzusetzen. Mit einer Verwaltungsanordnung hat das BmF am
3.11.03 nun eine vorläufige Regelung veröffentlicht, die weder dem Geist noch
den Tatsachen des Gerichtsurteils gerecht wird, sondern erneut haufenweise
Probleme aufwirft und deutlich macht, dass das Eichel-Ministerium auch
weiterhin realitäts- und praxisfern absurde Bestimmungen erlässt, die ausländischen
Künstlern und deren Vermittlern Knüppel zwischen die Beine werfen.
Der vom BmF nun gewollte Weg läuft über das Erstattungsverfahren. Von den
Einkünften des ausländischen Künstlers werden nun die Betriebs- und Werbekosten
in Abzug gebracht. Sodann wird der Grundfreibetrag hinzugerechnet, und auf den
sich dann ergebenden Betrag sollen die tariflichen Steuersätze erhoben werden
(das bisherige Pauschalbesteuerungsverfahren kann optional weiter angewandt
werden).
In der Theorie klingt das gut, in der Praxis ist das Verfahren jedoch ohne
einen Steuerberater nicht durchführbar - erneut werden damit kleinere Künstler
mit geringeren Einnahmen, die sich für eine Steuererklärung nicht einen
hiesigen Steuerberater leisten können, drastisch benachteiligt. Besonders
skandalös ist, dass der Antrag zur Steuererstattung künftig nur vom Künstler
selbst gestellt werden kann. Dem Vergütungsschuldner (also dem
Konzertveranstalter bzw. der Tourneeagentur) ist eine Berufung auf die Rechte
versagt, d.h. die Konzertveranstalter sind weiterhin verpflichtet, die
Pauschalsteuer einzubehalten und abzuführen.
Offensichtlich hofft das Finanzministerium darauf, dass vielen ausländische
Künstlern das Procedere zu kompliziert ist und sie damit auf die Rückerstattung
zu viel gezahlter Steuern verzichten werden. Dabei wäre es ein leichtes
gewesen, sich beispielsweise im EU-Ausland umzuschauen, wo fast durchweg
praxisnahe und unkomplizierte Erstattungsverfahren vorzufinden sind. In England
oder den Niederlanden beispielsweise kann der örtliche Vergütungsschuldner
(also der Konzertveranstalter oder die Tourneeagentur) im Namen des Künstlers
sogar Wochen vor der Veranstaltung eine Steuererstattung wegen anzurechnender
Unkosten beantragen - in der Regel liegt am Veranstaltungstag bereits eine
Entscheidung der Finanzbehörden vor, sodaß dem Künstler am Veranstaltungstag
nur tatsächlich zu zahlende Steuern von der Gage abgezogen werden. Dies ist
nicht nur ein einfaches, praxistaugliches und unbürokratisches Verfahren, nein,
es ist recht eigentlich auch ein Stück Kulturermöglichung, weil die Liquidität
der Künstler verbessert wird und ihm die Tourneen damit erleichtert werden. Das
deutsche Procedere lässt nach wie vor nur den Schluß zu, dass die rot-grüne
Bundesregierung ausländischen Künstler die Auftritte hierzulande erschweren
möchte. Ganz zu schweigen davon, dass auch die neue Regelung dem Urteil des
Europäischen Gesetzhofes zuwiderläuft, da durch den zunächst anzuwendenden
Pauschalsteuersatz weiterhin die Liquidität des Künstlers belastet wird, bevor
eine gerechte Besteuerung stattfindet.
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Daß die Bundesregierung tatsächlich nicht viel mit Kulturförderung am Hut hat,
zeigt auch die Tatsache, dass für das Jahr 2004 der Satz der
Künstlersozialkasse auf Gagen im Bereich Musik erneut um mehr als 13% gestiegen
ist. Wir erinnern uns: Schon vor einigen Jahren hat die rot-grüne
Bundesregierung einen nennenswerten Teil des Bundeszuschusses zur KSK
gestrichen, seither steigen die Beiträgssätze kontinuierlich.
Auch hierbei besteht eine drastische Benachteiligung ausländischer Künstler,
die zwar 4,3% ihrer Gagen an die deutsche Künstlersozialkasse abführen müssen,
denen daraus aber keinerlei Rechte erwachsen. In meinen Augen ein weiterer Fall
Ungesetzlichkeit, ein weiterer Fall, der über kurz oder lang vom Europäischen
Gerichtshof zu entscheiden sein wird - und sicherlich zu einer neuerlichen
Ohrfeige für die rot-grüne Kultur- und Finanzpolitik führen wird.
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Die Bücher-Bestsellerliste des Spiegel in der Ausgabe 47/03 wird im Bereich
Belletristik und im Bereich Sachbücher jeweils von einem zweitklassigen
Märchenbuch angeführt, für das einmal die Frau Rowling, das andere Mal der Herr
Moore zuständig ist. Komisch ist vielleicht nur, dass die ach so kritischen
Leserinnen und Leser der Mooreschen Machwerke sich um ein Vielfaches toller
vorkommen dürften als die Leserinnen und Leser der "Biographien" von
Dieter Bohlen oder Boris Becker, die der US-Humorist auf die Plätze verwiesen
hat…
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Liebe Musikindustrie. Es ist Advent, und nicht nur ein Kerzlein brennt, sondern
es ist auch Geschenkezeit. Also mach ich euch ein Geschenk. Die Gruppe
"The Clash" kennt ihr? Schon mal gehört? Prima. Diese Gruppe hat
einen Song namens "Police On My Back" geschrieben. Auch bekannt?
Unglaublich. Die Gruppe "Asian Dub Foundation" kennt ihr auch? Prima.
Klar, ADF sind ja auch europaweit populär. Von der Gruppe "Zebda"
habt ihr noch nicht gehört? Na, fragt eure französischen Kollegen, Zebda sind
dort Megastars mit ihrem kritischen, regional orientierten Rap. Nun haben die
beiden Gruppen Asian Dub Foundation und Zebda eine tolle Liveversion des
Clash-Songs "Police On My Back" aufgenommen. Das sollte euch auch
bekannt sein, denn irgendwer wird diesen Song ja für die CD "White Riot
Vol. One" des britischen Musikmagazins Uncut lizensiert haben.
Und, liebe Musikindustrie, was macht ihr nun daraus? Bisher nichts. Ihr
schlaft. Aber ich sage euch, was ihr macht: Ihr macht da jetzt schleunigst eine
tolle Single raus. Ein spannendes Video. Der Song ist der geborene Hit!
Europaweit! Und den bringt ihr gefälligst gleich nach Weihnachten raus. Ihr
werdet sehen, das wird funktionieren. Wie einfach das Leben manchmal ist.
Nichts zu danken, der Tip war gratis. Könnt ja einen Teil der Einkünfte als
Spende an medico international überweisen. Damit wäre uns dann wirklich allen
geholfen.