04.02.2005

Und Ansonsten 2005-02-04

Den Neujahrswünschen der "Jüdischen Allgemeine" würde man sich nur zu
gerne anschließen: "Und
wenn Sie uns fragen, wie viele Filme über den "Führer" wir im
sechzigsten Jahr nach Kriegsende und Befreiung der Konzentrationslager sehen
möchten: am liebsten gar keine. Hitlers Frauen, Hitlers Männer, Hitlers
Untergang, Hitlers Hund, Hitlers Briefmarkensammlung auf dem Berghof - wollen
wir nicht sehen, weder im Kino noch bei Knopp. Auch die Geschichten von
Flakhelfern, deutschen Kriegsgefangenen und Leuten, die auf dem Dorf wohnten
und von allem nichts gewußt haben, dürfen getrost unerzählt bleiben. Statt
dessen ist 2005, das Einstein-Jahr, der richtige Zeitpunkt, dem einen oder
anderen noch mal zu erklären, warum das deutsche Forschergenie (und viele
andere) ab den dreißiger Jahren in den USA arbeitete, und nicht mehr in
Berlin."
Wie so viele Neujahrswünsche dürfte auch dieser ein frommer Wunsch bleiben -
denn wenn diese Gesellschaft sich nicht mit "Hitlers Untergang",
"Noch mehr Hitlers Untergang", "mehr Untergang war nie"
beschäftigen, wenn Bruno Ganz nicht ganz und gar den Hitler geben dürfte - mit
welcher Existenzberechtigung sollten denn dann die Massenmedien von
"Spiegel" bis "Stern" ihre Hitler-Titelbilder drucken und
sie in ganz Berlin pflastern dürfen? Denn auch das war 2004 - noch nie seit
1945 prangte derart viel Hitler auf den Litfaßsäulen der Republik.

* * *

Die "Hartmut Engler Redaktion" textet mich ungefragt und ungebeten
per Email zu: "Liebe/r
Seliger, Berthold, ab kommenden Montag könnt ihr endlich die erste Single aus
Hartmuts Album in den Händen halten" Solange die Fans das
widerliche Teil nur in Händen halten, und niemand die Single abspielt, ginge
das ja noch. Aber es kommt, wie immer, noch schlimmer: "Hol dir "Fortunate
Guy" als Real Music Klingelton auf Dein Handy! Schicke HARTMUT1"
nicht auf den Mond, sondern "an
die 82008". Ob der Klingelton auf meinem Handy funktioniert,
erfahre ich dann auf "emi-mobile.de".
Wobei, vielleicht ist die Idee mit dem Hartmut Engler-Klingelton gar nicht so
schlecht - da hört man schon vorab, wer einen schlechten, ach was: wer gar
keinen Geschmack sein eigen nennt. Und kann sofort Reisaus nehmen, wenn der
Hartmut Engler-Klingelton ertönt…

* * *

Um bei deutscher Trash-Kultur, bzw. den sogenannten "Celebrities", zu
bleiben:
"Ich bin blond, ich hab
mir den Busen machen lassen, ich trage gerne Rosa - aha, dann muß ich eine
doofe Tussi sein." Wer wollte Cora Schumacher da
widersprechen…

* * *

Das Berliner Stadtmagazin Zitti schafft es eine ganze Seite lang, unsere
Künstlerin Lisa Bassenge, die sie interviewt, als "Lisa Bessenge" zu
schreiben.
Dämlicher ist schwer möglich. Und wir dachten, Pisa gilt erst für den
Nachwuchs, der in 10 Jahren die Zitti-Seiten vollschreibt…

* * *

Speaking of Pisa - Finnland ist nicht nur Pisa-Spitzenreiter, sondern auch
"der umweltfreundlichste Staat der Erde. Deutschland belegt Platz 31 -
hinter Panama, Slowenien und Japan", so meldet die FAZ die Ergebnisse des
"Umweltindex Nachhaltigkeit 2005" von Forschern aus Yale und
Columbia, die 146 Länder nach 21 Faktoren wie Treibhausgasemissionen,
Wassergüte und umweltpolitischem Engagement verglichen haben. Nun ja, ist man
geneigt zu sagen, die anderen Länder haben ja auch nicht seit sechs Jahren
einen "grünen" Umweltminister…

* * *

Die Tsunami-Katastrophe in Südasien hat ein merkwürdiges Konglomerat aus
Betroffenheit und Spendenwahnsinn nach sich gezogen. Ganz besonders widerlich
all diejenige, die auf kleiner oder großer Ebene die Situation zu ihren Gunsten
ausnutzen wollten - seien es die Deutsche Bank, die versucht hat, mit einer
Großspende ("Peanuts") ihr ramponiertes Image zu verbessern, sei es
Steuerflüchtling Schumacher, seien es die verschiedenen Politiker, aber auch
etliche Kleingewerbetreibende, die nach dem Motto "für jede 100 € Umsatz
führen wir einen € Spende ab" eher ihre eigene Kasse im Auge haben.
Ein eher kleines Problem hatte die Nachwuchsband "Juli", deren Song
"Die Perfekte Welle" (daß die Deutschquotenfans keine deutsche Groß-
und Kleinschreibung beherrschen, wurde bereits im letzten Rundbrief angemerkt…)
plötzlich von den Medien nicht mehr gespielt wurde, was Band und Plattenfirma
"Universal" umgehend gut hießen. Keine Einwände von dieser Stelle aus
- ein schlechter deutscher Song weniger in Radio und TV. Ob aber die deutschen
TV- und Radioanstalten nicht überlegen könnten, den FDP-Vorsitzenden
WesterWELLE aus ähnlichen Gründen erstmal aus dem Verkehr zu ziehen…? (schöne
Grüße an die Herren Greser & Lenz übrigens). Klar, Westerwelle hat wenig mit
der "perfekten Welle" gemein, aber… irgendwie wäre uns doch so allen
gedient, oder?
Und ob der "Spiegel" gut beraten war, in seinem der Katastrophe
gewidmeten Heft auf einer ganzseitigen Anzeige seine aktuelle
Spiegel-CD-Edition mit dem Titel "Wave Music" anzupreisen ("entspannte und groovige Musik
irgendwo zwischen Jazz, Soul und intelligentem Pop"… eine
zusätzliche gelbe Karte für die Worthülsen aus dem Arsenal des
Musikindustriesprech!), ist zumindest eine Frage wert.

* * *

Der Berliner "Tagesspiegel" betreibt eine wöchentliche Termin-Beilage
namens "Ticket". In Ausgabe 1/2005 zeigt der "Tagesspiegel"
die ganze Bandbreite der Hauptstadtkultur: Auf Seite 3, im Kino-Teil, ein
großes Foto von Hannelore Elsner, Unterschrift "Hannelore Elsner und Henry Hübchen machen einen
Jüdisch-Crashkurs: Alles auf Zucker!". Ein paar Seiten weiter
ruft der Klassik-Teil, ein Foto von Hannelore Elsner wirbt unter dem Titel "Ein verregneter Urlaub"
für "Ein Winter auf
Mallorca mit Hannelore Elsner und Sebastian Knauer". Auf Seite
18, im Potsdam-Teil, schließlich - ein großes Foto, na, von wem wohl? Unter dem
Titel "Der Duft der
Unschuld" liest eine Schauspielerin aus "Das Parfüm, illustriert von
französischer Musik" (haben die Franzosen denn keine Quote?
fragt man sich da erstaunt), und wer den Namen der Schauspielerin errät -
tschah, der gewinnt leider leider gar nichts…

* * *

Wenn man liest, wie sich durch einen Erlaß, den der damalige
GRÜNEN-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Vollmer, unterschrieben hat, der
Menschenhandel durch Schleusergruppen zunächst ermöglicht und später geduldet
wurde, dann kommt einem schon wirklich das Frühstück wieder hoch… Allein in
2001 wurden in Kiew 400.000 Visa für die Einreise in die BRD erteilt -
"quasi unter den Augen" der rot-grünen Ministerien wurde nach Ansicht
des Kölner Landgerichts "bandenmäßige Schleusung" ermöglicht.
2001, da war doch was? Genau, das war das Jahr, in dem etlichen Künstlern
dieser Agentur die Visaerteilung für Tourneen in der BRD durch bundesdeutsche
Behörden extrem erschwert wurde - dies galt vornehmlich für afrikanische
Künstler, aber auch beispielsweise für den UNESCO-Kulturpreisträger Alim
Qasimov, der nur nach Intervention auf höchsten Ebenen überhaupt ein
Deutschland-Visum erhielt. Geradezu eine perverse Praktik der Verhinderung des
Kulturaustausches durch die rot-grüne Bundesregierung, die nun angesichts des
gleichzeitigen Ermöglichens massenhaften Menschenhandels mehr als einen
bitteren Beigeschmack bekommt.

* * *

Die aktuellen deutschen Album-Verkaufscharts vom 24.1.2005 spiegeln wieder
deutlich die Meinung der Politiker Thierse und Vollmer wider, nämlich, daß
deutsche Musik zu kurz kommt und dringend einer Quote bedarf, um endlich
wirtschaftlich erfolgreich zu sein: Bloß ganze 5 (fünf!) deutsche Produktionen
sind unter den Top 6 (sechs) der Charts zu finden… Übrigens - wenn es weniger
gewesen wären, wäre das durchaus besser für die Qualität der Musik gewesen.

* * *

Aber man soll da nicht so hart sein, denn nur eine Woche später kann man
nachlesen, dass es der deutschen Plattenindustrie wirklich schlecht geht. Denn
am 29.1. sind sowohl "De Randfichten" mit ihrem abgründigen
Protestsong "Dr Holzmichl" als auch die "Ärzte" mit
"Die Band, die sie Pferd nannten", nicht mehr in den Top 100 der
deutschen Album-Charts, sondern nur noch auf der "Warteliste" zu
finden. Uns wundert, dass weder Thierse, Vollmer und ihre NPD-Kollegen aus dem
sächsischen Landtag, noch die einschlägigen Claquere der Musikindustrie einen
Hilferuf an Kanzler Schröder für eine umgehende und drastische Gesetzesänderung
gestartet haben. Thierse, Vollmer, Renner, Stein - wo wart ihr?!?

* * *

Eine Claudia Roth, in der "taz" auch unter dem Begriff "grüne
Gurke" bekannt, "stellt
am Donnerstagmorgen eine Kerze auf die ehemalige Laderampe der Deutschen
Reichsbahn in Berlin. Von hier aus wurden Juden in das Konzentrationslager
Auschwitz deportiert." (Tagesspiegel) Natürlich kann eine wie
Claudia Roth nichts tun, ohne damit breit in der Öffentlichkeit zu posieren -
wenn Bosnien-Kriegstreiberin Roth irgendwo eine Kerze aufstellen muß, dann hat
sie mindestens eine ganze Horde Pressefotografen vorher informiert, und es gibt
dann auch Zeitungen, die auf einer Viertelseite Auschwitz-Werbung für die
Grünen-Politikerin machen. Widerlich, auf allen Ebenen.

* * *

In der "Berliner Zeitung" ist zu lesen, wie der Berliner rot-rote
Senat für die vom US-Milliardär Anschutz geplante neue Arena nicht nur
"nichts" bezahlen wird ("Das
Schönste ist ja, dass hier jemand ohne öffentliche Mittel ein Projekt starten
wird", so SPD-Staatssekretär Thomas Härtel vor drei Jahren),
sondern wie die Sozialdemokraten und, ähem, Sozialisten doch die bescheidene
Summe von mindestens 12 Millionen Euro dafür zur Verfügung stellen werden, dass
eine Investorengruppe zukünftig den jetzt schon nicht ausgelasteten Berliner
Hallen weitere Konkurrenz machen wird. Ganz klar, da herrscht unbedingt
"öffentliches Interesse". Und für die Berliner Symphoniker und für
etliche andere kulturelle Projekte ist dann wieder kein Geld da…

* * *

"Die Medien müssen alle
voneinander abschreiben, um genügend Informationen für ihre Artikel zu haben.
Heraus kommt eine stark vereinfachte Sichtweise, die sie in ihren Zeitschriften
abdrucken, um Anzeigen zu verkaufen." Conor Oberst,
"Bright Eyes"

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Und, liebe Musikjournalistinnen und Musikjournalisten - schön wäre es ja doch,
wenn ihr bei Gelegenheit mal schreiben würdet, daß dieser Adam Green zwar ein
ganz ordentlicher Musiker, aber eben auch völlig überschätzt ist… und nicht im
Entferntesten weder an Bob Dylan, mit dem er so gerne verglichen wird, noch
beispielsweise an die Bright Eyes heranreicht… nur so am Rande, wenn ihr mal
Muße habt…

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"Ruhe ist die
erhabenste Form der Kraft. Ich versichere allen, die es sonst nicht merken
würden: es ist die größte aller Kunstanstrengungen, sich über diese Welt mit
etwas Anstand zu äußern." Peter Hacks

In diesem Sinne allerbeste Grüße und eine "ruhige" Zeit…