Und Ansonsten 2005-06-03
Keiner
hat uns lieb. Alle möglichen "Beitrittsstaaten" landeten auf vorderen
Plätzen beim Grand Prix in der Ukraine, die Griechen nahmen "uns",
nach der Fußball-Europameisterschaft, nun auch den Schlager-Grand Prix ab - und
für die Gracia reichte es nur zum letzten Platz, mit jämmerlichen vier Punkten.
Nichts, was irgendwen interessieren würde. Aber taz-Redaktuer Jan Feddersen
stand plötzlich in Kiew und erklärte dem ARD-Publikum lang und breit, worans gelegen
hat. Schon schlimm genug, daß der Feddersen seit Jahr und Tag die taz mit
seinem Grand Prix-Gedöns vollschreibt - jede Zeitung bringt eben die Kultur,
die sie verdient. Und schlimm genug, daß Kolumnisten wie Wiglaf Droste, die
sich über Feddersen lustig machten, von der taz-Chefredakteurin (die mit dem
Porsche aus dem letzten Rundbrief…) mit Schreibverbot bedacht wurde. Daß der
Feddersen sich nun aber auch bei der ARD aufplustern darf mit seinem Dünnpfiff
- ach, beinah hätte ich das kommentiert, aber eigentlich muß man zugeben: Kein
Wunder. Paßt doch prächtig.
* * *
Die regierungsnahe "taz" sucht "Helden des Alltags". In der
Ausschreibung für ihren "Preis für HeldInnen des Alltags - taz-Panter
2005" radebrecht die taz in Anzeigen: "Die
taz sucht Menschen, die sich trotz Hartz IV und Bush II nicht an den Stammtisch
zurückziehen, sondern versuchen, die Welt ein bißchen zu retten. Falls Sie ein
Held des Alltags sind, oder so jemanden kennen, melden sie sich bitte bei
uns."
"Die Welt ein bißchen retten" - genau dort ist die regierungsnahe
Zeitung heute angelangt. Die Panzer, die sie wahlweise in den Kosovo oder nach
Somalia schicken, um dort das Vaterland zu verteidigen, sollen möglichst einen
olivgrünen Anstrich aus Biofarbe erhalten. Dann ist sie ein bißchen gerettet,
diese Welt.
Mein Vorschlag für den Panther, so wie die taz ihn versteht, nämlich höchstens
rosarot: Nicole. "Ein bißchen Frieden" sang sie in der Schnulze von
Ralph Siegel.
Und kulturell dürften die tazler damit auch nicht so viel Schwierigkeiten
haben. Sie können ja ihren Feddersen die Laudatio halten lassen.
* * *
Die SPD lud ein zu einer Diskussion "Pop meets Politics".
Im Pressetext heißt es so schön: "Im
Anschluß an das Event spielt die Band Schrottfisch."
Eine Band mit passenderem Namen hätte sich die SPD kaum aussuchen können.
* * *
"Deutsche Musiker sind
zu schlecht. Man riskiert hier nichts."
Aktueller Kommentar von Alec Empire zum Stand der deutschen Musikszene
* * *
Ich finde es ja schon seit langem eine Pest, daß einem alle möglichen und
unmöglichen Händler etwas andrehen wollen, was mit ihrem originären Geschäft
wenig zu tun hat. Tankstellen bieten Sandwiches an, Kaffeeröster Fahrräder oder
auch mal Tickets für Konzertveranstaltungen, die dann völlig floppen, und seit
geraumer Zeit meinen Zeitungsverlage, einem italienischen Vorbild folgend, CDs
und DVDs und Bücher anbieten zu müssen. Letztendlich ist das ein
post-postmodernes Zeichen des "anything goes" und hat viel mit dem
Niedergang unserer Wirtschaft zu tun - wenn Bäcker sich nicht mehr darauf
konzentrieren, gutes Brot zu backen, wenn Zeitungen sich immer weniger um die
Qualität ihrer Printprodukte kümmern, dann hat das einfach Qualitätseinbußen
zur Folge.
Die Süddeutsche Zeitung, einer der Vorreiter dieser Nebengeschäfte hierzulande,
bringt nun eine "CD-Diskothek" auf den Markt. Konrad von Löhneysen
stellt die CDs nach dem Motto "die besten Songs aus jedem Jahr"
zusammen. Sein Auswahlkriterium: "Hearability".
Nur an der "Thinkability" haperts bei all diesen Geschäften leider
ziemlich…
* * *
"Wie Heuschrecken
kommen sie über unser Land."
Veit Harlan in seinem antisemitischen Film "Jud Süß" über die
(historische) Ankunft der Juden in Stuttgart
"Da gibt es welche, das
sind Nutztiere, und es gibt auch welche, die sind Heuschrecken."
Ludwig Stiegler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Reichs-,
ähem: Bundestag, über Investment-Firmen
Und die Zeitschrift "Metall", Mitgliederzeitschrift der IG-Metall,
zeigt auf ihrem Titelbild der Mai-Ausgabe 2005 unter der Überschrift
"US-Firmen in Deutschland - Die Aussauger" eine Illustration, die in
ihrer Widerwärtigkeit dem Text nicht nachsteht: Der US-Kapitalist als Mücke,
mit Zigarre und überquellendem Geldkoffer, und auch den Goldzahn hat man, ganz
im "Stürmer"-Stil, nicht vergessen.
"Wurden die Urheber
solcher Statements in den vergangenen Wochen mit dem berechtigten Vorwurf des
Antisemitismus konfrontiert, reagierten sie empört. In der Diskussion um die
Lauterkeit der individuellen Absicht kam der eigentliche Skandal mit keiner
Silbe zur Sprache: dass deutscher Antikapitalismus, sobald er radikal wird,
seit mehr als hundert Jahren regelmäßig und kollektiv im gleichen Ressentiment
gipfelt und insofern über die immer noch populären volkswirtschaftlichen
Weisheiten der Nazi-Ideologen nicht hinauskommt."
Ralf Schröder, "Konkret"
Einmal national-sozialistisch, immer national-sozialistisch.
* * *
Herbert Grönemeyer, der ja bekanntlich "nicht tanzen" kann, erklärt
auf einer internationalen Konferenz in Paris, auf der über kulturelle Identität
und die Zukunft des gewachsenen Kontinents debattiert wird: "Rock- und Popmusik ist Welt und
Europa umfassend. Zu Livekonzerten kommen keine Menschen, die auf Stühlen
sitzen wollen, sie wollen sich berühren. (klar, tanzen können sie
bei Grölemeyer ja nicht… BS) Rockmusik
ist in Deutschland keine Kultur. Das Geld fließt in die zahlreichen Opern und
in alte und vermuffte Kultur. Wir müssen die Subventionen der Opernhäuser
kürzen und die Hälfte davon jungen Musikern und junger Rockmusik zufließen
lassen."
Na, wenn wir was müssen, dann müssen wir wohl dem "Gröbaz… dem größten
Bochumer aller Zeiten" (Jan Reichow) das Maul stopfen.
Ich will ja gar nicht verhehlen, dass ich mir hierzulande auch eine Förderung
von Zeitkultur wünsche. Keine Frage. Aber wer den einen Teil der Kultur mit der
anderen verrechnet, der wird all den "Kultur"politikern jeglicher
Coleur in die Hände spielen, die sowieso nur das eine wollen: immer weniger für
Kultur ausgeben!
Jenseits dessen, dass die Frage ist, ob Rock- und Popmusik wirklich staatlich
gefördert werden sollten. Deutsche Bands des Mittelmaßes, die längst
erfolgreich sind mit ihrem Beamtenpop, gibt's doch wirklich schon mehr als
genug. Und Musiker, die "mehr riskieren", wenn man den Gedanken von
Alec Empire oben aufgreifen will, die wird man kaum am Subventionstropf
heranziehen…
* * *
"Die von Grönemeyer
beschworenen Gelder müssen dafür ausgegeben werden, dass jeder Mensch eine
Ahnung hat, was es mit Opern und guter Musik auf sich hat. Statt
daherzuschwafeln, dass die Menschen sich im Konzert berühren sollen, muß man
ihnen eine Chance geben, wahrzunehmen, was da überhaupt läuft. Vielleicht
sogar, aufmerksam und hellwach - auf den Stühlen sitzenzubleiben. Und vor allem
muß es Konzerte aller Art geben! Manche laufen von selbst, andere brauchen
Unterstützung; und die letzteren können wichtiger sein als die ersteren. Musik
ist Grundnahrungsmittel." Jan Reichow, WDR
* * *
Hurra! Eine deutsche Produktion an der Spitze der englischen Single-Charts!
Nach Kraftwerks "Model", Trios "Da Da Da" und Nenas
"99 Luftballons" nun, tusch!: "Crazy Frog" der Gruppe Bass
Bumper. "Der einem
Motorengeräusch eines Autos nachempfundene verrückte Frosch war bereits im
vergangenen Jahr von der Firma Jamba! als Klingelton angeboten worden. Nachdem
er wochenlang exklusiv auf englischen Handys gepiepst hatte, verkaufte sich nun
die CD-Version viermal so oft wie die neue Single der britischen Erfolgsband
Coldplay"(Hollow Skai).
Wenn mir in den nächsten Jahren noch mal jemand mit dem Wunsch nach
Exportförderung für deutsche Popmusik kommt, dann verweise ich denjenigen mit
seinen Klingeltönen nicht nur der Tür! Ich bin nun mal kein Pazifist.
* * *
Zumal das Goethe-Institut doch längst "deutsche Kultur" ins Ausland
bringt. Auch deutsche Pop-Kultur. Bei einem Konzert in Warschau anlässlich des
deutsch-polnischen Jahres mussten die Polen die deutschtümelnde Band Mia
ertragen ("…und betreten neues deutsches Land…", na, das ist doch die
Popversion von "Theo wir fahrn nach Lodz" für die Landser des
21.Jahrhunderts…). Deren Sängerin "Mieze" erzählte der Berliner
Zeitung, in der Hauptstadt des neuen Europa erlebe sie eine "happymäßige Stimmung, in der die
Sonne total krass scheint, so dass alle Leute matt und freundlich sind".
Matt bin ich auch oft, wenn ich so etwas lesen muß. "Happymäßig" dann
allerdings eher seltener.