25.12.2005

Und Ansonsten 2005-12-25

An
dem CIA-Folter-Skandal und dem, was bundesdeutsche Medien und Politiker aus der
Tatsache machen, daß bundesdeutsche Behörden im US-Lager Guantanamo deutsche
Staatsbürger verhört haben, ist in meinen Augen nur eines wirklich interessant:
das Theater als solches nämlich. Die "linksliberale"
"Süddeutsche Zeitung" feuerte den "Skandal" mit sogenannten
"exklusiven Meldungen" dieser Tage an. Neu allerdings war daran wenig
- die Fakten hatte der "Spiegel" bereits im Herbst 2003 in einem
Artikel unter dem Titel "Reif für die Insel" detailliert berichtet -
ebenso wie über den von der CIA nach Afghanistan verschleppten
Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri, beispielsweise.
Die "Süddeutsche Zeitung" fand das im Jahre 2003 wenig berichtenswert
- mag das vielleicht daran gelegen haben, daß seinerzeit die von der
"Süddeutschen Zeitung" protegierten Politiker Schröder und Fischer
die Bundesregierung stellten? Und man der angeblich so US-kritischen rot-grünen
Bundesregierung diesen Nimbus nicht nehmen wollte?
Ebenso auffällig ist es, daß bestimmte bundesdeutsche Politiker ihre Liebe zu
den Menschenrechten erst wieder entdeckt haben, seitdem sie in der Opposition
sind…

* * *

Im Jahre 2004 exportierte Deutschland Rüstungsgüter im Wert von 3,8 Milliarden
Euro. Ein Drittel der deutschen Ausfuhrgenehmigungen, Rüstungsgüter im Wert von
1,2 Milliarden Euro, sind dabei an Staaten gegangen, die gleichzeitig
Entwicklungshilfe erhielten - so der "Rüstungsexportbericht" der GKKE
der beiden großen Kirchen.
Die Rüstungsexporte Deutschlands lagen damit in 2004 weit über den Werten von
2001 und 2002 und deutlich über dem Niveau der 90er Jahre.
Auch China, offiziell mit einem Embargo bedacht, erhielt deutsche Rüstungsgüter
im Wert von knapp 900 000 Euro.
So weit, so skandalös.
Die Gurkennummer spielte wieder einmal ein "Grünen"-Politiker: Ein
Winfried Nachtwei forderte angesichts des Rüstungsexportberichts eine "Verschärfung der
Export-Richtlinien." Wohlgemerkt, der Rüstungsexportbericht
galt für das Jahr 2004, in dem seine "Grünen"-Partei an der Regierung
war. Die schärfsten Kritiker der Elche…

* * *

Die Klassik-Plattenindustrie schaufelt behände ihr eigenes Grab. Die
hochgerühmte Einspielung der Beethoven-Klavierkonzerte von Aimard und
Harnoncourt, 3 CDs, war dieser Tage für EUR 13,99 zu erwerben - und ist doch
erst etwa ein Jahr alt.
Das Problem ist doch, daß die Klassik-Käufer in der Regel schon solide
Einspielungen derartiger Werke in ihrem Plattenschrank haben. Wenn sie dann
jedoch wissen, daß Neueinspielungen in kürzester Frist auf dem Grabbeltisch
landen - warum noch EUR 40 oder 50 für die drei CDs ausgeben, wenn es sie in
Kürze billig gibt? Eine verrückte Aufteilung in extrem hochpreisige Klassik-Einspielungen
und kurz danach extreme Schnäppchen - so, liebe Leute von der
Klassik-Industrie, so wird euer Geschäft nicht funktionieren!

* * *

Daß Helge Schneiders "Katzeklo" auf die Melodie von "Jingle
Bells" hört, war immer schon klar. Nun aber, wo "Verve" endlich
das famose Album "Christmas 64" von Jimmy Smith wieder aufgelegt hat
(das auch sonst uneingeschränkt als - quasi nicht "erkennbare" -
Weihnachts-CD zu empfehlen ist), stellt man einigermaßen sprachlos fest, daß
das komplett geklaut ist, bis hin zu jedem Orgel-Glissando. Nur, daß Jimmy
Smith ein unvergleichlich besserer Organist war.

* * *

Ex-Viva-Moderatorin Charlotte Roche im "Spiegel" auf die Frage, ob
sie heute noch ab und zu "Viva" schauen würde:
"Fast nie. Bei
schlechtem Fernsehen muß ich immer schnell umschalten."

* * *

Manchmal kann man ja fast so etwas wie Schadenfreude empfinden.
Vor paar Jahren wurde Mariah Carey mit einem goldenen Vertrag vom EMI-Label
Virgin versorgt, der ihr mindestens 118 Millionen Dollar für vier Alben
eingebracht hätte. Gleich das erste Album hatte sich allerdings nur zwei
Millionen Mal verkauft, weswegen EMI sich mit viel Geld (irgendwas zwischen 28
Millionen und 49 Millionen Dollar) aus dem Vertrag herauskaufte. Der Konzern
stand damals zum Verkauf, weitere Flops hätten potentielle Käufer und
Investoren in die EMI-Aktie nur verschreckt.
Ihr in diesem Jahr beim Konkurrenz-Mischkonzern "Universal"
erschienenes Album "The Emancipation of Mimi" hat sich allein in der
ersten Woche nach Erscheinen allein in den USA mehr als 400 000 Mal verkauft,
wurde achtmal für den Grammy nominiert, hat alle möglichen Music Awards
abgeräumt.
Klassisch verspekuliert, Mister Levy!

* * *

Eine ganz ganz tolle Geschäftsidee hatte jemand bei "Sony" -
"nehmen wir diesen Salzburger Wunderknaben, diesen Mozart, der hat doch
Geburtstag nächstes Jahr, der kommt sogar auf den Titel vom Spiegel. Na, und
dann nehmen wir noch die Kubaner dazu, diese alten Männer, die liebt doch
jeder. Und die lassen wir gemeinsam ein Album machen! Unschlagbar, das wird
endlos verkaufen!"
Und so kam es, und es erschien zur Adventszeit "Swinging Mozart", "die neue CD von Klazz
Brothers & Cuba Percussion". Und "Mozart meets Cuba verblüfft mit
Rhythmus, Witz und Charme! Berühmtes und Bekanntes von Mozart wird mit der
Lässigkeit und dem Musiziervergnügen eines Buena Vista Social Club neu zum
Swingen und Klingen gebracht, vom "Son de Mozart" bis zum
"Kubanischen Marsch" … ein unwiderstehliches Hörvergnügen!"

Mir ist jetzt schon ganz schlecht.
Eine Verfilmung von "Swinging Mozart" durch Wim Wenders hat man
übrigens versäumt…

* * *

Die sogenannte "Prominente", Désirée Nick, behauptete in der
"Bild"-Zeitung vor ca. zwei Jahren, sie würde Leute kennen, "die haben sich so das Gesicht
mit Botox stillegen lassen, daß es jetzt als Immobilie gilt."
Dieselbe sogenannte "Prominente", Désirée Nick, im Dezember 2005 in
der "Bild"-Zeitung: "Ich
habe mir zum Weihnachtsfest Botox in die Stirn spritzen lassen."

Scheinbar kann man sich das Zeug heutzutage auch schon in den Hohlraum spritzen
lassen, in dem sich bei anderen Menschen das Gehirn befindet.

* * *

Im letzten Bundestagswahlkampf sind "Wir sind Helden" laut
Schlagzeuger Pola Roy in der "Zeit" "von so gut wie jeder Partei, ob links oder rechts,
angesprochen" worden, ob man nicht mit Songs der Band werben
dürfe. "Wir haben alles
abgelehnt, aber trotzdem wurden die Songs überall gespielt, auf CDU-Parteitagen
und sogar von rechtsradikalen Gruppierungen."

* * *

Die Zeiten im "Kultur"-Sektor werden, um es mit Goethe zu sagen,
immer "scheißiger", keine Frage. Typisch für Angebote, die man als
Tourneeveranstalter heutzutage erhält, ist dieses Beispiel einer Einladung zu
einer "Heinrich Heine-Nacht":
"Was toll wäre, wäre
die Möglichkeit, vielleicht einige Heine-Texte zu vertonen, die Wisy Guys
werden dies auch machen, so dass auch der unmittelbare Bezug zu Heine da wäre
(…) Ich muß aber auch gleich darauf hinweisen, dass die Veranstalter, die
Kulturbehörde Hamburg, das Deutsche Schauspielhaus und das ZDF bei der
Honorarfrage auf den Enthusiasmus für die Sache hoffen. Sprich nicht die
üblichen Honorare zahlen können, alle werden unter ihren normalen Honoraren
bleiben, ich darf Sie bitten dies zu berücksichtigen" etcetera
pepe.
Ist schon hübsch, wenn sich all diejenigen, die auf fetten BAT-Stellen im
öffentlichen Dienst oder in vergleichbaren Situationen sitzen, zusammentun, um
gemeinsam eine Heinrich Heine-Nacht auszurichten, bei der allerdings die
Künstler bitte für umme auftreten sollen.
Früher hat man, wenn man bei Hofe spielen durfte, wenigstens ein paar
Golddukaten bekommen - heutzutage ist dabei sein alles…
Erfreulicherweise hat die angefragte Band dieser Agentur unter den obwaltenden
finanziellen Bedingungen darauf verzichtet, an der Veranstaltung teilzunehmen,
da müssen Ulrich Tukur, Iris Berben, Margot Hielscher und wie die
öffentlich-rechtlichen Almosenempfänger alle heißen dieses Mal unter sich
bleiben…

* * *

"Was macht das Leben
lebenswert? Ich würde sagen: Groucho Marx, Willie Mays, der zweite Satz der
Jupiter-Symphonie, Louis Armstrongs Aufnahme vom Potatohead Blues, schwedische
Filme natürlich, L'education sentimentale von Flaubert, Marlon Brando, Frank
Sinatra, diese unglaublichen Äpfel und Birnen von Cézanne, die Krabben bei Sam
Wo's, Tracys Gesicht."
Woody Allen, "Manhattan", 1974

Die FIFA übt ja ziemlichen Druck aus auf alle, die Worte wie "WM"
oder "World Cup" benutzen wollen. Das Landgericht Hamburg hat dieser
Tage entschieden. daß die FIFA der Firma Ferrero untersagen darf, für ihre Produkte
die Marke "Deutschland 2006" zu benutzen. Ob ab sofort private
Telefongespräche, in der die Wörtchen "Weltmeisterschaft" oder
"WM" verwendet werden, gebührenpflichtig werden? Der Autor dieses
Newsletter ist ja weit davon entfernt, das Wort "Deutschland" allzu
oft in den Mund zu nehmen - ob das Diktat der FIFA aber am Ende auch die
Verwendung der Jahreszahl "2006" untersagt, wenn man nicht die
Benutzung der Jahreszahl bei der FIFA gegen eine entsprechende Lizenzgebühr
erworben hat? Fragen über Fragen. Und da man nichts falsch machen will, an
dieser Stelle also besser kein gutes "2006", sondern, solange es noch
erlaubt ist, einfach ein gutes neues Jahr…
"Songez à librement vivre!" (Savinien Cyrano de Bergerac)

In diesem Sinne schöne Zeiten zwischen den Jahren und einen guten Rutsch.