05.04.2007

Und Ansonsten 2007-04-05

"Denn
die politische und kulturelle Agenda bestimmten längst andere. Joachim Fests
eitle Selbstdarstellung als Kind aufgeklärten Preußentums, Florian
Langenscheidts 250 Gründe, unser Land heute zu lieben, Günter Grass'
Eingeständnis, nicht nur Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, sondern vor
allem: während der Fußball-WM fröhlich die Nationalhymne mitgesungen zu haben.
Mit allerhand Getöse rauschte eine Debatte über die neue Bürgerlichkeit durch
die Feuilletons und nicht die Grünen, nicht die SPD, auch nicht die Linkspartei
formulieren progressive Familienpolitik. Sondern CDU-Ministerin Ursula von der
Leyen. Gleichzeitig müssen deutsche Soldaten wieder lernen, wie das ist mit dem
Kämpfen, und das Waldsterben erscheint angesichts der Klimakatastrophe wie eine
Kinderkrankheit. Widerstand? Protest? Besser nicht. Das Leben, so lautet die
Lehre der jüngeren Zeit, ist schon riskant genug. Die einzig existierende
Subkultur, das ist die unangenehme Wahrheit, kommt von rechts." Jan Heidtmann in
"Süddeutsche Zeitung Magazin"

* * *

Da waren sich die beiden Berliner Tageszeitungen mal einig in ihrem self
fulling journalism, im Behauptungsjournalismus unserer Tage, und sie titelten
unisono:
"Merkel führt EU zur
Klimawende" (Der Tagesspiegel), oder gar:
"Merkel bringt Europa
auf Öko-Kurs" (Berliner Zeitung).
Was war passiert? Nicht einmal die Unterschlagzeile der "Berliner
Zeitung", daß "20
Prozent weniger Treibhausgase bis 2020" vereinbart worden
waren, hielt ja einer näheren Untersuchung stand, denn diese Reduktion um ein
Fünftel wird am Stand des Jahres 1990 (!) gemessen.
Wenn die EU-Staaten sich an den Klimapakt von Kyoto halten, der ohnedies bis
zum Jahr 2012 eine Reduzierung des Ausstoßes an Treibhausgasen um 15 Prozent
vorsah, sind die zusätzlichen 5 Prozent auf der Basis von 1990 nicht viel mehr
als Augenwischerei. Solange Kanzlerin Merkel sich in der Praxis als
Auto-Kanzlerin geriert, braucht man sie und ihre vermeintlichen Bemühungen um
eine Klimawende sowieso nicht ernst zu nehmen. In der jüngsten Debatte um
Abgasreduktionen hat Angela Merkel bewiesen, daß sie durchaus in der
Kontinuität von anderen Auto-Fördern steht, von Adolf Hitler über Helmut
Schmidt bis Gerhard Schröder. Hitler sagte: "Es
ist unser eiserner Wille, durch Förderung des Automobilwesens nicht nur
Hunderttausenden von Menschen Arbeit und Brot zu geben, sondern damit auch
immer größeren Massen unseres Volkes die Gelegenheit zu bieten, dieses
modernste Verkehrsmittel zu erwerben." Merkel ist mit ihrer
Zurückweisung der EU-Schadstoffsenkungs-Vorgaben davon weder inhaltlich noch
demagogisch weit entfernt: "Ich
werde mit aller Härte gegen die EU-Vorgaben kämpfen. Es geht hier um
Zehntausende Arbeitsplätze in der deutschen Autobranche".

* * *

Der ehemalige SPD-Pop-Beauftragte ("Siggy Pop") und mittlerweile aus
irgendwelchen dubiosen Gründen Umweltminister Sigmar Gabriel übrigens war 2005,
als der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD ausgehandelt wurde, Mitinhaber
der Firma Cones, die in Brüssel Lobbyarbeit für VW und den Verband Europäischer
Automobilhersteller, Alcea, machte. Der damalige Alcea-Präsident war VW-Chef
Bernd Pischetsrieder. Ein Jahr zuvor war Gabriel in seiner Funktion als
niedersächsischer Ministerpräsident noch stellvertretender Aufsichtsratschef von
VW gewesen. Gabriel nahm, während er Mitinhaber von Cones war, bereits als
zukünftiger Umweltminister an dem Ausschuß teil, der den Koalitionsvertrag
aushandelte. Ganz zufällig liegt der EU-Kompromiß dieser Tage auf der Linie,
die Ende 2005 im Koalitionsvertrag markiert wurde - ein Kompromiß, wie er von
den Lobbyisten Cones und Alcea seinerzeit in Brüssel forciert wurde… ein
erstaunlich effizientes Zusammenspiel von Autokanzlerin Merkel und dem
vermeintlichen Klima-Anwalt Gabriel. Politik, das ist eben ein schmutziges
Geschäft, ich weiß. (Fakten zitiert nach Konkret 3/07).

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Laut Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hat die
Opiumwirtschaft in Afghanistan ein "beispielloses Ausmaß" erreicht.
Im Jahr 2006 habe die Produktion um 49 Prozent zugenommen. Mehr als 90 Prozent
des weltweit produzierten Opiums stammten aus Afghanistan.
Der Mohnanbau am Hindukusch jagt von Rekordernte zu Rekordernte, die ständig
steigenden Profite aus dem Opium- und Heroinhandel fließen in die Taschen von
Druglords und in die der wiedererstarkten Taliban.
Den deutschen Soldaten und ihrem out of area-Einsatz sei Dank.

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"Ich glaube, Nein zu
sagen geht auch jetzt noch. Aber wird aus dem Protest eine Form, ist sie am
nächsten Tag gleich bei Stefan Raab. Was soll man da noch machen?" Schorsch
Kamerun

* * *

Der hierzulande in praktisch allen Positionen, von Schwiegersohn der Nation bis
zum Kanzler, als Idealbesetzung geltende Potsdamer Multi-Immobilienbesitzer
Günther Jauch sperrt sich zusammen mit anderen "Prominenten" gegen
eine moderne Bebauung der Museumsinsel. Er unterstützt die entsprechende,
peinliche Protestbewegung, die möchte, das auf der Museumsinsel alles so
bleibt, wie's unter Hitler aussah…
Jauch, zigfacher Immobilienbesitzer in Potsdam, tat sich dortselbst auf
Gutsherrenart hervor: er weigerte sich laut eigener Aussage, weitere Immobilien
zu erwerben, um nicht wieder den gleichen Sachbearbeitern der
Denkmalschutzbehörde begegnen zu müssen. Der Oberbürgermeister der brandenburgischen
Stadt verhielt sich, wie man es erwartet hat: er nahm sich Jauchs Kritik zu
Herzen und ersuchte beim Großgrundbesitzer unterwürfigst um Entschuldigung -
brandenburgische Bücklingspolitik, Jahrzehnte bestens eingeübt…

* * *

Ob all die Gutmenschen, von Harald Schmidt bis Günther Jauch, die den deutschen
"wir sind Papst" Benedikt so toll finden, irgendeine Meinung dazu
haben, daß Benedikt jetzt wieder mal den Ratzinger raushängen läßt und in Süd-
und Mittelamerika Berufsverbote gegen Befreiungstheologen erteilt?

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"…ich finde MTV
verabscheuungswürdig. Der Sender betrügt eine Generation junger Menschen, indem
er ihnen einen verlogenen materialistischen Lebensstil vorführt: Rock'n'Roll
bei MTV ist nicht mehr Ausdruck von Kunst und Politik, es geht bloß noch um Sex
und Geld."
Patti Smith in einem Interview mit "Der Spiegel"
Herzlich willkommen, Patti Smith, am 23.Juni in Berlin!

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"In
"Revolution" besingen die Anarcho-Bengel "die in Lügen ertränkte
Welt", fordern auf, die "F*** dich-Shirts" auszupacken.
"Was um uns passiert, ist nun mal nicht immer schön", klärt uns
Rapper Timo (19) auf."
Die "Hamburger Morgenpost" über die Teenie-Band "Nevada
Tan". Tempora mutantur. Wenn heutzutage junge Bands an Revolution denken,
dann denken sie daran, ihr "F+++ dich-Shirt auszupacken" (nicht
einmal anzuziehen, scheinbar). Und traun sich nicht mal, das böse F-Wort
auszuschreiben….

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"Die Popmusik, einst
treibende Kraft der Subversion, ist nur noch eine folgenlose Umarmung des
Lebens, die nur noch verspricht, daß eben nichts passiert." Diedrich
Diederichsen

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Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann, eine lutheranische
Mixa-Ausgabe im Miniaturformat, die gerne als Maßeinheit für den Weg von einem
Fettnäpfchen ins nächste dienen würde, findet, der Film "Die Flucht"
helfe, "die
Vergangenheit zu verstehen" , denn über das Leid der Deutschen
wurde bislang "meist
geschwiegen" . Stimmt, in den letzten Jahrzehnten sind nur
Hunderte von Filmen und Dokumentationen gezeigt worden, die sich mit dem Leben
und Leiden der Deutschen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg
beschäftigen. Günter Grassens "Krebsgang" zum Beispiel durfte meines
Wissens hierzulande gar nicht erscheinen, wie der Autor ja in hiesigen
Feuilletons ohnedies völlig totgeschwiegen wird.
Ich finde, daß das Bemerkenswerteste an "Die Flucht" ohnedies die
Tatsache darstellt, daß Maria Furtwängler in die falsche Richtung flieht, sie
sollte eher in Sibirien landen und nicht auf heimische Bildschirme
zurückkehren…

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Speaking of Grass: Der hat soeben auf der Leipziger Buchmesse von der "Entartung des deutschen
Journalismus" gefaselt. Wäre Grass in irgendeiner Kategorie
ernstzunehmen, müßte man sich Gedanken machen - so aber kann man einfach nur
sagen: einer dieser Unverbesserlichen, einmal SS, immer SS.

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Überhaupt sind grad wieder alle etwas außer Rand und Band, irgendwie muß von
der Spree bis an die Isar irgendeine Droge an die Frischluft gelangt sein…
nehmen wir die CSU-Latex-Domina (hatten wir übrigens gleich geahnt, irgendwie)
"Sankt Pauli", an deren banalen Fotos sich höchstens noch
CSU-Funktionäre aufgeilen können. Aber was tat die Latex-Lady? Sie tat, als ob
die Fotos ohne ihr Einverständnis gemacht worden seien, und sie fühlt sich
arglistig getäuscht… jo mei…

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Oder der bairische Problembär Edmund, der plötzlich einen (wenn auch nicht
roten, sondern blau-weißen) Kranz mit Schleife am Mausoleum des vietnamesischen
Revolutionsführers Ho Chi Minh niedergelegt hat… jo mei…

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Oder nehmen wir den deutsch-deutschen Problem-Wolf namens Biermann, der findet,
daß es "verbrecherisch
sei, daß in Berlin "die
SPD mit der PDS ins Bett geht" . Ach Wölfchen, wie hättstes
denn gerne?
Auf jeden Fall standen die Granden von SPD und PDS gerne bereit, um sich vom
Biermann wie ein Tanzbär am Nasenring durch die Manage ziehen zu lassen… wäre
nicht passiert, hätten sie statt Problemwolf Biermann den kleinen Eisbär
"Knut" zum Berliner Ehrenbürger ernannt. Was ungefähr gleich effektiv
und schlau gewesen wäre…

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Waren zwei Kumpel in Kölle. Der eine hat eine Plattenfirma, der andere ist
Journalist. Der Kumpel mit der Plattenfirma hat einen französischen Chansonstar
unter Vertrag genommen und lädt seinen Journalisten-Kumpel nach Paris ein,
damit der über den Chanson-Star schreibt. Und der Journalisten-Kumpel liefert
auch brav eine Jubelarie über den Chanson-Star ab, nicht, ohne seinen
Plattenfirmen-Kumpel in dem Artikel mit einem eigenen Jubelabsatz zu bedenken.
Nun sind wir alle keine heurigen Hasen und wissen, daß neunzig Prozent des
deutschen Musikjournalismus reiner Gefälligkeitsjournalismus ist, korrupt bis
zum Gehtnichtmehr. Wenn man so etwas aber mal nicht beim Hintertupfinger
Almboten, sondern bei der "Süddeutschen Zeitung" konstatieren darf,
zieht man doch ein bisserl die Augenbrauen hoch. Vielleicht für eine
Viertelsekunde, denn eigentlich weiß man ja, daß…

* * *

Toll auch, wie die "Berliner Zeitung" sich in ihrem Pop-Feuilleton
zwar ellenlang des Bartes von Bonnie "Prince" Billy annahm, dann aber
weder Energie noch Sorgfalt auf die Auswahl des richtigen Fotos zum
Konzertbericht verwenden konnte und ihren Lesern den Support-Act Sir Richard
Bishop als "Will Oldham
aus Kentucky" verkaufte.
Abgründige Bildunterschrift: "Schützt
sein Innenleben mit diversen Identitäten"… ah ja.

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Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck manövriert sich sehenden Auges in die Ecke
zwischen Latex-Pauli und Plantsche-Scharping. Da ist hierzulande
zugegebenermaßen viel Platz…
Neuerdings wirbt Beck auf großen Plakaten für urdeutsche Musik und sagt "Ja zum deutschen Schlager!"

Auch wir sagen unbedingt "Ja", nämlich zum deutschen Osterfest.