16.05.2007

Und Ansonsten 2007-05-16

Vor
kurzem haben wir an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, daß
Umweltminister Gabriel sich vor seiner Tätigkeit in der Bundesregierung als
Autoindustrie-Lobbyist hervorgetan hat. Da nehmen neuerliche
Pro-Auto-Äußerungen von "Siggi Pop" Gabriel nicht Wunder: der
EU-Umweltkommissar Dimas hatte von Deutschland ein Tempolimit auf Autobahnen
gefordert und darauf hingewiesen, daß ein derartiges Tempolimit praktisch
überall in Europa und in Amerika längst vollzogen und akzeptiert werde - "nur in Deutschland wird das
merkwürdigerweise kontrovers diskutiert", so der
EU-Umweltkommissar. Da hatte Gabriel, der Autolobbyist im Pelz des
Umweltministers, nichts Eiligeres zu tun, als solch ein Tempolimit abzulehnen,
das sei "kein Mittel,
um das Klima zu schützen", so Gabriel.
Und der SPD-Fraktionsvorsitzende Struck schob nach: "Ich schließe mich der Warnung vor der
Klima-Hysterie ausdrücklich an." Plötzlich stehe nur noch der
Klimawandel an der Spitze und Arbeitsplätze in Deutschland seien egal, so
Struck. "Wenn wir eine
Debatte darüber führen, wie viel Gramm Kohlendioxid ein Auto ausstoßen darf,
dann müssen wir die Auswirkungen auf die Unternehmen im Auge haben",
so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Es gehe auch um den Wirtschaftsstandort
Deutschland.

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Eine Meldung der Nachrichtenagentur AP:
"Mit Bestürzung haben
Kommunalpolitiker aus New York auf das Bundeswehr-Video reagiert, in dem
Wehrdienstleistende zum Feuern auf "Afroamerikaner" in der Bronx
aufgefordert werden. Der Bürgermeister des Stadtteils, Adolfo Carrion,
erklärte, das negative Image, das da verbreitet werde, stimme ihn sehr traurig.
Die Bundesregierung müsse Aufklärungs- und Erziehungsarbeit leisten. Von der
Bundeswehr verlange er eine Entschuldigung. Dies sei das Mindeste, was die
schwarzen Einwohner der Bronx erwarten könnten."
In den 80er Jahren wurde die "kriegsnahe Ausbildung" der Bundeswehr
diskutiert. Ist das hier ein Blick in die Zukunft weiterer
Out-of-Area-Einsätze, was die außer Rand und Band befindliche Bundeswehr gerade
plant und üben läßt?
Es mußten "Verteidigungs"minister schon aus geringeren Anlässen
zurücktreten…

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Was natürlich genauso für einen wie Oettinger gilt.
Man kann ja fast froh sein, daß Hitler bereits unter der Erde ist, Oettinger
würde sicher auch behaupten, Hitler sei nie ein Nazi gewesen…

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Speaking of - schon lange keinen Hitlerfilm mehr beworben gesehen. Es müssen
gefühlte drei oder vier Monate her sein… Was ist los in Deutschland?

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Allerdings - wenn man bei "buecher.de" die Audio CDs "Elias
Canetti, Leben und Werk" bestellt (sehr schön darauf das Gespräch von
Adorno und Canetti über "Masse und Macht" - auf höherem Niveau haben
zwei große Intellektuelle wohl selten aneinander vorbeigeredet…), taucht als
"Vorschlag der Redaktion" auf: "Im toten Winkel, Hitlers
Sekretärin, zusammen für EUR 28,94". Pervers.

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"Live Earth", die sogenannte "globale
Benefiz-Konzertserie", wollen auch die Antarktis als "siebten
Kontinent" in die Show einbinden (jetzt wollen wir uns nicht darüber
unterhalten, wie es um entweder Mathematik und/oder um Allgemeinbildung der
Musikpresse steht…).
Schöner können sich die selbsternannten Gutmenschen des Rockbusiness, die
kostenlose Promotion für ihre Künstler suchen und sonst gar nichts, nicht
selbst entlarven.
Bob Geldof wird übrigens in Kürze eine Ausgabe der "Blöd"-Zeitung als
Chefredakteur betreuen. Und im Herbst auf Tournee gehen. Unsereinen wundert
schon lange gar nichts mehr…

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Ein SPD-Verteidigungsexperte namens Rainer Arnold forderte den Rücktritt
Bischof Mixas als Militärbischof angesichts Mixas Äußerungen, es sei
"inhuman" und "gegen die Würde der Frau", wenn sie ihr Kind
maximal ein Jahr betreue, wieder in die Wirtschaft gehe und wenig Kontakt zum
Kind habe (na ja, wenn Rabenmütter ständig "in die Wirtschaft" gehen,
hm, ehrlich, das finde ich glaube ich auch nicht gut…).
Dies nahm SPD-Arnold zum Anlaß, den Rücktritt Mixas als Militärbischof zu fordern,
Mixa sei in diesem Amt "nicht mehr tragbar".
Und ich finde genau das Gegenteil. Ich finde, daß Bischof Mixa sich mit
solcherart Äußerungen ganz perfekt zum Militärbischof der Bundesrepublik
Deutschland qualifiziert.

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"Das Schöne am Genuß ist:
Kulinarischen Geist kann man sich für kein Geld der Welt kaufen. Selbst mit
BAföG kann man eine würdevolle Küche betreiben. Auch ein kleines Gehalt kann
man für gutes Essen statt für die neuesten Turnschuhe mit Reflektoren ausgeben.
Die Reflexe des Herdentieres, die Verführungen der Industrie, die Einlullung
durchs Fernsehen - das sind die eigentlichen Feinde der kulinarischen Kultur.
(…) Ohne Hirn kein G'schmack. Aber mehr eine Frage der Persönlichkeit. Genießer
reflektieren, sind wählerisch, Individualisten."
Vincent Klink

(dieser Newsletter empfiehlt die Zeitschrift "Häuptling eigener
Herd". Dies ist keine bezahlte Anzeige)

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Toll ist es, wenn Musikjournalisten, die ja (völlig zurecht, damit da keine
Mißverständnisse auftauchen!) stets umsonst in alle Konzerte kommen und in
aller Regel auch für begleitende Partner keinen Eintritt bezahlen müssen, wenn
derartige Journalisten also Vorschläge machen, daß ein Konzert doch bitte
komplett bestuhlt werden solle, damit weniger Leute ins Konzert kommen und die
Konzentration besser gewährleistet sei. Klar, dem Herrn Journalisten, der
umsonst ins Konzert kommt, kann es ja egal sein, wenn durch eine Verringerung
der Zuschauerzahl die Ticketpreise um ein Viertel bis ein Drittel steigen
würden…

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Im "Jazz-Echo" von "Verve" die Schlagzeile: "Gelassen verlassen - Drogen,
Sex, Skandale - Natalie Cole hat alles getan, um dem Schatten ihres Vaters Nat
"King" Cole zu entkommen." Man muß sich das mal
vorstellen: Frau Cole hatte Sex, um dem Schatten ihres Vaters zu entkommen.
Eine echte Ödipussy, will uns der Autor wohl glauben machen.

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"Musik für
Erwachsene" nannte Arnold Schönberg die Kunst der höchsten
Konstruktivität von Bach, Mozart, Beethoven und Brahms. Denn "reife Menschen denken komplex,
und je höher ihre Intelligenz ist, um so größer ist die Anzahl der
Komplexeinheiten, mit denen sie vertraut sind."
Und sehr schön fügt Wolfgang Schreiber in der "Süddeutschen Zeitung"
hinzu: "insoweit ist
der Verdacht musikalischer Infantilisierung im Bereich heutigen
Pop-Klassikgehabes kaum von der Hand zu weisen".

Mein Tipp: Besuchen Sie die Konzerte "erwachsener" (Pop-)Musik, die
diese Agentur in den nächsten Monaten anbietet.