Und Ansonsten 2008-01-06
Die
"Linke"-Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht, Chefin der
"Kommunistischen Plattform", wurde in Straßburg bei einem opulenten
Hummeressen gesichtet und von einer Parteifreundin abgelichtet. Am nächsten Tag
besorgte sich die Kommunistin lt. "Spiegel" von der Parteifreundin
die Kamera und löschte heimlich die Fotos, die sie beim Hummeressen zeigten.
Damit wir uns nicht mißverstehen: keine Probleme damit, daß eine Kommunistin
Hummer ißt; Kommunismus sollte "Kaviar für alle" sein. Eklig ist das
spießig-kleinbürgerliche Verhalten danach - daß Frau Wagenknecht nicht zu ihren
Gelüsten steht, das erinnert fatal an den röhrenden Hirsch in den Häusern der
SED-Parteibonzen. Den Klemmi-Kommunismus von Frau Wagenknecht will unsereiner
jedenfalls eher nicht…
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"They're less evil than Universal."
Kim Gordon, Rockmusikerin (Sonic Youth), entdeckt beim Verteidigen der
Tatsache, daß ihre Band ihr jüngstes Album bei der umstrittenen
Kaffee-Zu-Gehen-Kette Starbucks veröffentlicht hat, die Relativitätstheorie.
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Jens Friebe hat für seine einleuchtende Bemerkung, das deutsche Kino sei das
schlechteste der Welt, viel Prügel einstecken müssen. Und nun das:
"Deutsche Schauspieler
sind das sichtbare Ergebnis der in allen Künsten aktuellen Erziehung zur
Harmlosigkeit. Style kommt eben nicht mit der Post. (…)
Frage: Den deutschen Film schätzen Sie nicht.
Der deutsche Film existiert
gar nicht. Er wird gemacht von der Generation "Schöner losen". Er muß
raus aus diesem Gefängnis. Für Amerikaner ist staatliche Filmförderung ein
Relikt aus faschistischen Zeiten. Jack Valenti hat gelegentlich dagegen
protestiert. Aber davon hört man schon lange nichts mehr. Die haben längst
kapiert, daß staatliche Filmförderung das Ding ist, mit dem sich die Europäer
freiwillig verzwergen und so nie eine Konkurrenz für Hollywood werden können.
Frage: Sie sind seit langem gegen Filmförderung.
Jeder einzige, noch so
altbackene Hollywoodfilm ist subversiver als 90 Prozent aller deutschen Filme eines
Jahrgangs zusammen."
Filmregisseur Klaus Lemke in einem Interview mit der "Tageszeitung"
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Da will sich mal wieder ein Politiker wichtig machen, und wie könnte dies
leichter funktionieren als mit einem aktuellen Thema? Also begab es sich um die
Weihnachtszeit, daß Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Gehälter von
Fußball-Profis kritisierte. "Ich
ärgere mich erheblich über die Gehalts-Exzesse, die wir seit Jahren im Sport -
insbesondere im Fußball - erleben. Da setzt mein Fassungsvermögen inzwischen
fast ganz aus", sagte der CDU-Politiker lt. "Berliner
Zeitung". So weit, so gut gebrüllt.
Aber wie paßt das zusammen mit der Meldung, die in der gleichen Woche im
"Spiegel" zu lesen war, nämlich, daß Vereine der ersten und zweiten
Bundesliga auch weiterhin als gemeinnützig gelten und deshalb steuerlich
bevorzugt werden sollen? Von CDU-Lammert, immerhin auch ein versierter
Haushaltspolitiker, war dazu nichts zu vernehmen. Das muß man sich mal
vorstellen - nirgendwo ist die vielkritisierte "Kommerzialisierung"
des Sports derart fortgeschritten wie im Fußball, nirgendwo werden hierzulande
im Sport größere Umsätze gefahren, längst ist der Fußball ein profitables
Geschäft - die Vereine werden aber immer noch geführt wie Kaninchenzüchtervereine,
und die Finanzbehörden werfen ihnen die Steuer-vorteilhafte
"Gemeinnützigkeit" noch hinterher. Pervers.
Und eine Woche zuvor war in der "FAZ" zu lesen, daß Deutschland der
UEFA "Steuerfreiheit anbietet"; in Berlin oder München soll in den
Jahren 2010 oder 2011 das Endspiel der Champions League stattfinden, "die von der
Finanzministerkonferenz mit gewichtigen Argumenten ausgestattet worden sind:
der Befreiung von der Quellensteuer sowie der Steuerfreiheit für den
europäischen Fußballverband Uefa".
Das muß man sich mal überlegen - wenn hierzulande eine kleine US-amerikanische
oder französische oder afrikanische Band spielt, dann muß jeder Künstler
Ausländersteuer abführen, und die Finanzbehörden überwachen die Zahlung der
Ausländersteuer mit Argusaugen, nehmen kleine Veranstalter und Tourneeagenturen
in die Pflicht. Wenn aber der Kommerz-Fußball namens UEFA oder FIFA anklopft,
wird in vorauseilendem Gehorsam den Multimillionären Steuerfreiheit garantiert.
"Da setzt mein Fassungsvermögen ganz aus", möchte man da mit dem
CDU-Bundestagspräsidenten sagen…
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"Paris Hilton will
jetzt Eisberge nach Afrika schleppen lassen. (…) Und dann die seltsame
Botschaft des Tages: Von jeder Dose Prosecco wird ab sofort ein Cent
abgezweigt, um damit Eisberge in Gegenden zu schleppen, wo Trinkwassermangel
herrscht." (Berliner Zeitung, 13.12.07, keine Satire).
Na dann: Prosecco!
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"Meine Maximalforderung
ist ein heller freundschaftlicher Sozialismus, entbürokratisiert, beispiellos.
Ich bin Utopist, wünsche auf jeden Fall das Beste. Mit meinen marxistischen
Freunden (ich bin keiner) bekämpfe ich Industrie- und Kapitalkonzerne. Dies ist
- ich weiß - ein Gemeinplatz." Nicolas Born (Februar 1972)
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In der Musikzeitschrift "Spex" fabulieren sie nun so, wie es ihre
Wehrmachts-Großväter getan hätten: Im Eingangstext zum Jahresrückblick in der
aktuellen Ausgabe heißt es: "62
Jahre nach der Kapitulation, 18 Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung,
ein Jahr nach der Verlegung des Spex-Redaktionssitzes…" Kapitulation?
Ob die munter-bemühten Schreiberlinge die Befreiung vom Nationalsozialismus
meinen? Wohl bißchen zuviel "Tocotronic" durch die Ohren geblasen
bekommen, hm?
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Ist man beim Durchblättern der aktuellen Ausgabe von "Spex" bereits
nach sieben Seiten Anzeigen beim Inhaltsverzeichnis angelangt, so geht das beim
Mitte-"Liebling", dem neuen Projekt von Herrn Peichl, bei dem mühsam
redaktionelle Beiträge geschaffen werden, um der Warenwelt der Anzeigen ein
einigermaßen schmerzloses Umfeld zu schaffen, nicht so rasch. Interessant
allerdings ein DJ-"Gipfel"-Gespräch zwischen den DJs Fetisch, Hell
und Westbam. Nach einigem Geplänkel landen sie bei ihrer Lieblingsmusik: das
"Air" von Bach zum Beispiel (Westbam), "Paff, der Zauberdrache"
(in der Marlene Dietrich-Version). Oder Modern Talking (Hell), "die sind total mißverstanden
worden". Westbam verrät, daß er bald wieder in die katholische
Kirche eintreten möchte. Und dann sind die Herren, deren banale konservative
Weltanschauung Mode ist ("Gut
schaust aus! Die Schuhe sind super!"), beim eigentlichen
Thema, der Religion: "Die
Leute aus Mitte gehen dann nach dem Gottesdienst direkt ins Berghain"
(Fetisch), "ich wollte
als Kind immer Ministrant werden" (Hell), "ein erhebendes Gefühl: Ein paar
Minuten allein an Jesu Christus' Grabstätte zu sein"
(Westbam), "magic
moment!" (Hell), "ich
finde sogar: Immer wenn Leute zusammenkommen, kommt man der Sache Gott
irgendwie näher." (Fetisch).
Wie schrieb doch gleich wieder Canetti in "Masse und Macht", als ob
er aktuelle Tanzveranstaltungen, die die DJs zelebrieren, vorausgeahnt hätte?
"In bestimmten Räumen,
zu bestimmten Zeiten werden die Gläubigen versammelt und durch immer gleiche
Verrichtungen in einen gemilderten Massenzustand versetzt, der sie beeindruckt,
ohne gefährlich zu werden, und an den sie sich gewöhnen (…) Wo viele gehen,
gehen andere mit. (…) Da ist wichtig, daß jeder von ihnen dasselbe tut. Jeder
stampft auf, und jeder tut es auf die gleiche Weise. Jeder schwenkt die Arme,
jeder bewegt den Kopf. (…) In diesem Tanze, an dem alle teilnehmen können,
empfindet sich der Stamm als Masse. Sie bedienen sich seiner, wann immer sie
ein Bedürfnis danach fühlen, Masse zu sein und vor anderen als solche zu
erscheinen."
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Und die "Süddeutsche Zeitung" bringt es in ihrem Wirtschaftsteil
fertig, über fast eine Seite und als Aufmacher "U2-Sänger und Afrika-Aktivist"
Bono zu interviewen, und das liest sich dann derart unterwürfig, daß man wieder
mal daran denkt, daß Journalisten es mitunter fertig bringen, auf ihrer eigenen
Schleimspur auszurutschen (ein Bild, das irgendwie an Lucky Luke erinnert, der
ja bekanntlich schneller schoß als sein Schatten). Kein kritisches Wort, keine
kritische Nachfrage, was besonders einem Wirtschaftsteil einer
"liberalen" Zeitung eigentlich selbstverständlich sein müßte.
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970 Kassams, kleine Raketen, die 500 Dollar kosten, sind 2007 bis Mitte
Dezember auf Siderot niedergegangen. Fast täglich schlagen sie ein, seit sieben
Jahren. Meistens werden Gebäude beschädigt, immer wieder gibt es Tote und
Verletzte. Es bleiben höchstens 30 Sekunden Zeit, um es in einen der Bunker zu
schaffen. Im Durchschnitt 20 Raketen pro Woche, abgefeuert vom Gazastreifen auf
die südisraelische Stadt.
Berichterstattung in deutschen Medien? Fehlanzeige (wenn man mal von der
"Jüdischen Allgemeinen" absieht). Der Terror von Hamas, Islamischem
Dschihad und Al-Quds-Brigaden hat System; die Nicht-Berichterstattung
hierzulande allerdings nicht minder.
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Man muß schon in die britische oder auch in die Schweizer Presse schauen, um
eine einigermaßen korrekte Berichterstattung des "Afrika-Gipfels" und
vor allem über die unglückselige Politik von Angela "bella figura"
Merkel dabei zu erhalten. Merkel versuchte im deutschen Namen ein Freihandelsabkommen
("Ökonomisches Partnerabkommen") durchzusetzen, was für die
afrikanischen Nationen wirtschaftlichen Selbstmord bedeutet hätte. Doch die
afrikanischen Politiker ließen sich von Merkel nicht neo-kolonialisieren. Von
Senegals Präsidenten Abdoulaye mußte sich Merkel sagen lassen, sie habe keine
Ahnung, der südafrikanische Präsident Mbeki nannte Merkels Rede "fehl am
Platze", und der Informationsminister Simbabwes wies Merkel darauf hin,
daß sein Land keine deutsche Kolonie sei. Die deutliche Mehrheit der afrikanischen
Länder lehnte das von Merkel und ihren EU-Freunden propagierte
Freihandelsabkommen denn auch ab - eine deutliche Niederlage und, wenn man die
Art und Weise ihrer Politik miteinbezieht, eine peinliche Bauchlandung Merkels
auf internationalem Parkett - auf dem sie, glaubt man den in dieser Frage eher
gleichgeschalteten deutschen Medien, doch immer so gute Figur macht.
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Laut "Berliner Zeitung" versuchen Anwälte des
US-Musikindustrieverbandes Riaa derzeit, ein amerikanisches Ehepaar wegen
angeblich illegalen Umgangs mit gekaufter Musik vor Gericht zu bringen. Die
Angeschuldigten hatten lediglich ihre CDs in digitale MP3-Dateien umformatiert,
um sie auf dem PC abspielen zu können.
"Die Geisterfahrt der
Musikindustrie durch das digitale Zeitalter, so scheint's, geht weiter.",
kommentiert die Zeitung völlig richtig.
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"Better to ask
forgiveness than permission." (Bonnie "Prince"
Billy)