Und Ansonsten 2008-06-20
Durchgeknallt
ist die Dame ja schon lange, und durchgeknallt wohl auch ein bißchen das
Feuilleton der "FAZ", das Alice Schwarzer als Aufmacher fast eine
Seite zur Verfügung stellte, damit sie ihren Ethno-Kitsch und ihre auf allen
Ebenen fragwürdigen Thesen über Burma zum Schlechtesten geben durfte. Doch
davon soll hier nicht die Rede sein, nur: die Dame scheint nicht nur
mittlerweile vollends gaga zu sein, sondern leidet auch unter
Allmachtsfantasien:
"Ich habe mit
Einheimischen vor dem ersten Fernsehen im Dorf gehockt und auf der
Swedagon-Pagode die Sonne untergehen lassen." Sic. Bleibt die
Erde doch ne Scheibe, und Frau Schwarzer läßt die Sonne auf- und untergehen.
Und "bewundert die
Kraft der Wasserbüffel am Flußufer"…
* * *
Aber klar, der Ethno-Kitsch feiert allüberall fröhlich Urständ, In einer nicht
völlig unrenommierten deutschen Musikzeitschrift werden die Bands eines
Sommerfestivals angepriesen: Die "Youngsters"
der Band Freshlyground kommen "mit
munterem Pop aus Südafrika", "gute Laune" wird "mit Sicherheit"
auch die bekannteste Blaskapelle Rumäniens verbreiten, "denn die Herren von Fanfara
Ciocarlia wissen, wie man feiert". Während die Bands aus
Afrika und vom Balkan eher fürs Feiern zuständig sind, bringen deutsche Bands
wie Helge Schneider oder die Geschwister Pfister "das Publikum zum Lachen". Es ist
zum Heulen, wie jedwedes Klischee bedient wird.
* * *
Die Berliner Band "Die Ärzte" weiß, wie sich das Publikum benehmen
sollte:
"Wenn jemand hinfällt,
nicht tottrampeln, sondern aufhelfen", sagte Farin Urlaub laut
Bericht der "Berliner Zeitung" auf dem Konzert der Gruppe in der
Berliner Wuhlheide. Im gleichen Bericht zeigt die Band auch, wie sie sich sonst
so einsortiert:
"Wir machen das jetzt
mal folgendermaßen", wandte Urlaub sich etwa nach der Hälfte des Abends an
seine Hörer. "Wenn ich sage, ihr jubelt, dann jubelt ihr, und wenn ich
sage, jetzt ist Ruhe, dann ist Ruhe, okay?" Zustimmende Rufe aus dem
Publikum. "Jubeln jetzt!" Es wurde gejubelt. "Ruhe." Es
kehrte Ruhe ein. "Jubeln!" Jubel. "Ruhe!" Ruhe. Woraufhin
sich Farin Urlaub erfreut an Bela B. Felsenheimer wandte: "Alter, so war's
auf dem Reichsparteitag auch." Felsenheimer: "Da war die Musik nicht
so gut wie bei uns." Urlaub: "Daran scheiden sich die Geister."
Was haben wir gelacht.
* * *
Ich gebs ja zu: vor Jahren hab ich beschlossen, die Susanne Messmer von der
"taz" nicht mehr in diesem Rundbrief zu behelligen - gar zu eintönig,
gar zu einfach war es, ihre sogenannten "Stellen" zu zitieren, und
eine gewisse Satisfikationsfähigkeit ist Voraussetzung für die Aufnahme in die
"und ansonsten"-Zeilen. Nun aber kann ich nicht widerstehen, der
geneigte Leser mag verzeihen, unsereiner ist letztlich doch zu schwach:
"So singt Tibet" lautet der Titel eines Artikels, den die Susanne
Messmer, die bekanntlich gerne mal ein Vibraphon mit einem Hackbrett
verwechselt und das dann für "Pop" hält, für die "Zeit"
verbrochen hat, deren Feuilleton schon seit längerem nicht mehr das ist, was es
nie war.
Was wir nicht alles über Sa DingDing, die "Kindfrau
auf der Suche nach ihren Wurzeln", von Frau Messmer lernen
dürfen: "Wenn Sa
DingDing Tibet entdeckt, nähert sie sich als verwundertes Kind einem
geheimnisvollen Land. Im Video (…) wandelt sie barfüßig über rissige Erde,
tastet sich vorsichtig an Mauern empor, eine verletzliche Porzellanfee mit
großen, staunenden Mandelaugen, kohlrabenschwarzem Haar und schneeweißem Kleid.
Eine bizarre Landschaft öffnet sich, Berge tun sich auf, und aus dem Stein
wächst ein kolossales Kloster in Rot und Gold" - nicht etwa in
Schwarz-Rot-Gold?
Ethno-Kitsch as Kitsch can.
Jedes Sprachklischee wird eifrigst bedient, wie es eben Leute tun, die nicht
schreiben können, zum Schaden von Umwelt und Mitbürgern aber beschlossen haben,
mit eben diesem Nichtschreibenkönnen ihr Geld zu verdienen. Der Sängerin Augen
sind ohne "Mandel" nicht zu beschreiben, der Sängerin Haar ist
"kohlrabenschwarz", ihr Kleid "schneeweiß", sie ist eine
"verletzliche Porzellanfee" (was das nun wieder sein soll?), und ihre
Stimme ist, logisch, ein "Stimmchen", wie es einer verletzlichen
Porzellanfee gebührt, aber sowas von "glasklar". Begleitet wird die
Sängerin von "tiefen Mönchsstimmen". Trommelschläge sind, da gehen
Frau Messmer kurzzeitig die Adjektive aus, sowas von "topmodern" und
"stützen den Takt", und "auf magische Weise verdoppeln sich die
Mantras und gemurmelten Gebetsformeln".
Wer nun aber denken würde, die Dame sei nur betrunken und höre deswegen alles
doppelt, der wird mit einer weiteren halben Seite Schmonzes bestraft: "Am Ende wird die Halbmongolin
und bekennende Buddhistin im Schoß der geistigen Familie aufgenommen und darf
mit den Tibetern reiten - ein plakatives Bild für die Suche nach Wurzeln in
einer Welt, in der Chinas Regierung derzeit mit" - laßt uns
raten! - "eiserner Hand
seine Interessen durchsetzt."
Frau Messmer kennt sich ansonsten wenn schon nicht mit der deutschen Sprache,
dann doch wenigstens in den chinesischen Charts bestens aus: "Bislang wurden die Charts von
Peking bis Kanton von Gebrauchsmusik angeführt, die süß ist wie Buttercreme und
so verwechselbar daherkommt wie Schlager." Das ist der Moment
in Frau Messmers Artikel, an dem ich schwer enttäuscht bin, denn beim Verwenden
des Wortes "Schlager" kommt Messmer ganz ohne Adjektiv aus. Ist ihr
nichts mehr eingefallen? Susanne Messmer am Ende? Keineswegs, schon fabuliert die
Dame im Rosamunde Pilcher-Stil weiter: "In
dieser schalen Suppe namens Mandopop ist Sa DingDings ethnoinspirierter Blick
auf die Ränder des Reichs der Mitte Ausdruck eines überraschenden Trends: Man
leistet sich ein wenig Romantik. (…) Diese Musik fahndet nach einer
Spiritualität, die im Alltag längst verloren gegangen ist. Fündig wird sie bei
denen, die der rasenden Modernisierung Reste gelebter Traditionen
entgegenhalten."
* * *
Ihre renommierte Schallplatten-Seite hat die "Süddeutsche Zeitung"
sang- und klanglos abgeschafft, wo die Reise hingeht, zeigt ein unkritischer
Werbeartikel über das von "Apple" veranstaltete "iTunes
Live"-Festival in Berlin im sogenannten Feuilleton der Zeitung.
* * *
Musikkritik nach dem Zufallsprinzip: In der "Berliner Zeitung" schreibt
ein Frank Junghänel über Tift Merritt, sie habe "vor ein paar Tagen mit ihrer Band in Berlin
gespielt", was zum einen beweist, daß der Kritiker nicht vor
Ort war, denn sonst hätte er gesehen, daß Tift Merritt (wie angekündigt) solo
ihre Deutschland-Premiere gespielt hat, zum anderen, daß für den Kritiker das
Wörtchen "Recherche" ein echtes Fremdwort ist.
* * *
In der "FAZ" erfahren wir: "Christina
Oiticica, die Frau des Bestseller-Autors Paulo Coelho, glaubt an die Kräfte der
Religion und der Natur. Deshalb sind ihre Bilder erst fertig, wenn sie
monatelang in der feuchten Erde des Jakobsweges gelegen haben."
Könnte ihr Ehemann, der Bestsellerautor Paulo Coelho, mit seinen Manuskripten,
bevor er sie seinem Verlag zum Druck übergibt, nicht ähnlich verfahren? Sie
monatelang in der Erde des Jakobsweges einbuddeln? Die Chance bestünde, daß er
die Manuskripte nie wiederfinden würde, oder daß sie vermodert wären, wenn er
sie ausbuddelt - in beiden Fällen wäre die Welt ein Stück weiter und der
Menschheit geholfen.
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"Für mich lohnt sich
mein Engagement auf jeden Fall."
Claudia Roth im Interview der "Bunten"
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Schön, was Eva Herman, die geschaßte Nachrichtensprecherin, laut "Berliner
Kurier" "kürzlich
auf einem christlichen Festival in Ruhpolding" verkündete: "Ich habe
drei gescheiterte Ehen und ein Kind. Umgekehrt wäre es mir lieber."
Drei gescheiterte Kinder aus nur einer Ehe?