Und Ansonsten 2009-02-06
Das
lieben wir so sehr an der hiesigen (Pop-)Musikkritik: Immer große Fresse
voraus! Man schreibt den 10.Januar des neuen Jahres, und schon lautet die
Titelzeile "Die Platte
des Jahres kommt diesmal früh" (und ist an dem Tag btw noch
nicht einmal offiziell erschienen…). Mal jenseits dessen, daß die ewigen
Listen, die Jahresbesten, das "Album des Jahres"-Getue sowieso
unglaublich nerven, zumal wirklich große Alben erst mit den Jahren wirklich
ihre Strahlkraft unter Beweis stellen - aber ginge es nicht wenigstens im
Januar mal ein bißchen kleiner? Und nochmal jenseits der Tatsache, daß es
Musikhörern sowieso relativ wurscht ist, ob irgendein Kritiker ein Album
überhaupt zum Album des Jahres ausruft - die deutsche Sprache böte die
Möglichkeit, etwas weniger großsprecherisch zu formulieren "eines der
besten aktuellen Alben" etwa, oder unter Hinzufügung des kleinen Wörtchens
"vielleicht" die Aussage etwas weniger päpstlich-unfehlbar
rüberwachsen zu lassen. Natürlich wären die Musikkritiker dann, wenn sie
weniger Plattitüden verwendeten, verpflichtet, ihr Urteil in einem
Gesamtzusammenhang besser zu begründen, und am Vermögen dazu fehlt es leider
doch recht häufig. Nun ja.
(nicht in Abrede gestellt werden soll, daß das neue Album des "Animal
Collective" wirklich hervorragend ist)
* * *
Die "Berliner Zeitung" hat sogenannte Prominente und was dafür
gehalten wird befragt, "was
haben Sie gemacht, als die Mauer fiel"? Und wie das dann so
ist - einige wenige antworten sympathisch (Christoph Hein: "Verschlafen.")
oder interessant, etliche tun sich wichtig, nicht wenige blasen sich pathetisch
auf und faseln von den großen Wörtern, die die Medien hören wollen. Klasse aber
die Antwort von Sahra Wagenknecht: "Ich
war zu Hause in Berlin, habe gerade Kants "Kritik der reinen
Vernunft" gelesen, als ich im Radio hörte…" usw. usf.
Wow. "Ich las grad Kants Kritik der reinen Vernunft", nicht schlecht.
Und parallel, gewissermaßen nebenher, weil Kant im Vergleich zu sagen wir Hegel
oder dem zweiten Band von Marx/Engels "Kapital" doch eher als leichte
Lektüre gelten dürfte, hört die Dame noch Radio. Multitasking at her best
fürwahr, Reschpekt!
"Was haben Sie gemacht, als 1860 München in Wembley im Europacupfinale
gegen West Ham United stand?" "Ich las gerade Rilkes fünfte Duineser
Elegie, als ich im Radio hörte, wie das erste Tor fiel…"
Oder auch: "Wo waren Sie am 11.September 2001?" "Ich stand unter
der Dusche und sang gerade das Benedictus aus Beethovens Missa Solemnis…"
Da geht was!
* * *
Der Berliner "Tagesspiegel" feiert sich auf seiner Medienseite völlig
ironiefrei als die Tageszeitung mit der "höchsten
Reichweite unter den rund 2.000 registrierten Lobbyisten" der
Hauptstadt.
Journalismus, den sie meinen…
* * *
"Rock against sexism?
That's like omelettes against eggism!"
Robert Wyatt, zitiert nach dem Rundbrief von Klaus Walter, dessen "Was ist
Musik" jetzt auf byte.fm zu hören ist.
* * *
Radio, das sie meinen:
"Die von T-Mobile
betriebene Musikmarke Electronic Beats erhält eine wöchentliche Radioshow auf
dem Sender Motor FM (…) Neben den Radiosendungen nimmt T-Mobile auch die
regulären Veranstaltungen von Electronic Beats wieder auf."
(aus Musikwoche.de)
Immerhin ehrlich. Klar, wir wissen alle, daß Beiträge in Musikmagazinen,
Titelseiten, Tracks auf beiliegenden CDs oft gekauft werden, ohne daß dies
ausgesprochen würde. Warum also nicht die Marken gleich ihre eigenen Sendungen
machen lassen? Die Zukunft des Radios…
* * *
Ach ja, unsere Grünen. In der Bundestagsdebatte über das Konjunkturpaket
geißelte Grünen-MdB Fritz Kuhn das Programm zurecht als nutzloses Sammelsurium,
sprach von Schindluder und warf der Bundeskanzlerin ordnungspolitischen
Blindflug vor: "Das
nenne ich Voodoo-Ökonomie. Sie müssen sich schon ungeheuer einen hinter die
Binde gießen, damit Sie glauben, daß die Leute so blöd sind, deswegen dem
Konsum zu verfallen, weil Sie eine solche Zaubernummer vorführen."
Nur wenige Tage nach dieser Rede stimmten die Grünen dem gerade noch so scharf
kritisierten Konjunkturpaket im Bundesrat zu und ließen es dadurch Realität
werden. Wie sagte doch weiland Frau Vollmer: "Mein Ja war ein Nein"…
* * *
Ebenfalls gerne durchgeknallt: die sogenannte
"Globalisierungskritikerin" Naomi Klein, die man wohl eher als dumpfe
Antisemitin bezeichnen sollte. Im "Guardian" rief sie dazu auf,
israelische Produkte, Firmen und Institutionen weltweit zu boykottieren -
"kauft nicht bei Juden!", sounds familiar… Umgehend nahmen
Professoren an britischen Universitäten wie der unvermeidliche Slavoj Žižek den
Aufruf und forderten Israels Niederlage - "Israel
must lose!" Ekelhaft.
* * *
Frau Merkel, Politiker praktisch aller Parteien und ihre Claqueure in den
Medien bekümmert es seit Wochen, daß vermeintlich konjunkturankurbelnde
Maßnahmen der deutschen Bundesregierung am Ende eher französischen oder
japanischen Autoherstellern zugute kommen könnten, als denen in Zuffenhausen,
Ingolstadt oder Wolfsburg. Nun ergreift US-Präsident Obama Maßnahmen, mit denen
US-Subventionen möglichst nur in den USA greifen sollen, und schon wettert
Angela Merkel, ihres Zeichens Top-Protektionistin, gegen den Protektionismus
des US-Präsidenten. Die Angela Merkel übrigens, die gerade mit starken Worten ("Wer Schulden aufnimmt, muß sie
zuverlässig tilgen.") behauptet hat, daß der
Erblastentilgungsfonds getilgt worden sei, der in Wahrheit lediglich durch eine
Anschlußfinanzierung, also durch neue Kredite, getilgt wurde - aber warum
sollte man erwarten können, daß das, was jeder Hausbesitzer bei einer
Anschlußfinanzierung kennt, sich bis zur Bundesregierung durchgesprochen hat?
Angela Merkel jedenfalls hat deutlich gemacht, daß sie entweder keine Ahnung
von Finanzpolitik hat, oder bewußt die Wähler täuscht (wahrscheinlich eine
Mischung von beidem…). Ich würde sagen, in Zeiten der Krise zeigt sich a) die
Inkompetenz, die Hilflosigkeit vieler Politiker, gleich welcher Couleur, noch
stärker als sonst, aber b) zeigt sich ebenfalls verstärkt ihre ideologische
Gesinnung. Auch nicht schlecht, irgendwie.
* * *
Der neue Vorsitzende der Grünen ruft zur Wahl der SPD auf:
"Wenn man SPD wählt,
kann man nicht ausschließen, daß der Atomausstieg nicht rückgängig gemacht
wird", verrät Cem Özdemir der "Financial Times
Deutschland".
Wahrscheinlich wollte er etwas ganz anderes sagen, aber warum soll man von
einem Bundesvorsitzenden einer Partei erwarten können, daß er das sagen kann,
was er sagen will. Wir werden bis zur Bundestagswahl noch viel Spaß haben…
Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst!