Und Ansonsten 2009-03-07
Aus der Einladung einer Berliner Galerie:
"THE END OF THE WORLD IS COMING FEBRUARY 12TH!
(…)
Vernissage: 12.2.09, 19.00-24.00
Supported by ABSOLUT VODKA"
So sind unsere Zeiten - selbst das Weltende kommt heutzutage nicht mehr ohne
Sponsor aus.
* * *
Wie gut, daß es hierzulande eine freie Presse und eine Pressevielfalt gibt (und
besonders gepriesen sei die Königin von allem, der unabhängige
Musikjournalismus).
Am 12.2.d.J. erscheint das "Zeit-Magazin". Darin der Artikel "Es
war einmal in Amerika", sechs Seiten über die Ausstellung des
amerikanischen Fotografen William Eggleston, des "Großmeisters der
Farbfotografie", im Münchner Haus der Kunst. Am 16.2.d.J. wird den
Abonnenten die neueste Ausgabe von "Spex" zugestellt. Darin der
Artikel "Mit dem Chevrolet durch Memphis", acht Seiten über die
"Kleinbild-Farborgien" des amerikanischen Fotografen William
Eggleston und seine Ausstellung im Münchner Haus der Kunst. Aufgemacht sind
beide Artikel mit haargenau dem gleichen, über zwei Seiten gezogenen Foto
zweier junger Frauen auf einem Sofa, von 1975 (das würde zu weit führen an
dieser Stelle, aber ich kann auch genau erklären, warum die Herren in beiden
Magazinen just dieses Foto ausgewählt haben!).
Im "Zeit-Magazin" folgt auf den Eggleston-Artikel der Artikel
"Ich habe einen Traum" von und über Kim Gordon. In der
"Spex" folgt auf den Eggleston-Artikel ein Interview mit Kim Gordon…
Dafür unterscheidet sich "Spex" gewaltig vom bürgerlichen Feuilleton,
was große Artikel über Morrisey oder das jüngste Buch von Thomas Bernhard
angeht - beides wurde sonst bisher nur von kleineren Provinzzeitungen wie der
"FAZ", der "SZ", der "Berliner Zeitung", der
"Zeit" und wie sie alle heißen in großen Artikeln behandelt… Das
macht recht eigentlich die Einmaligkeit des "Magazins für Popkultur"
aus.
(Nachtrag: Das Pet Shop Boys-Interview, in Spex am 16.2., brachte das
"Zeit Magazin" dann am 26.2.)
* * *
Ach ja, die Messmerin.
In der "taz" schreibt sie über das neue Buch von Thomas Meinecke:
Seinen Roman "Jungfrau" könne man "von
vorn nach hinten durchlesen oder auch von hinten nach vorn oder, wenn man sich
eher für dies interessiert als für das, auch nur in Auszügen und später dann
noch einmal in anderen Auszügen". Wenn taz-Autorinnen das
Lesen von Büchern entdecken…
Nur, was soll man mit Messmer-Artikeln anfangen? Die machen, ob man sie nun von
vorn nach hinten oder von hinten nach vorn oder in Auszügen oder in anderen
Auszügen liest, praktisch nie irgendeinen Sinn.
* * *
Was bei den Berichten über den Umzug des Suhrkamp-Verlages von Frankfurt nach Berlin
auffällig fehlt, ist zweierlei: Erstens kaum ein Wort davon, daß ein derartiger
Umzug dem Unternehmen ja hauptsächlich zur Reduzierung des Personals dient.
Bekanntlich haben sich rund 80% der Mitarbeiter gegen einen Umzug
ausgesprochen, nicht wenige werden den Verlag wohl verlassen, ihre Stellen
werden kaum alle wieder besetzt werden; insofern dient der Umzug von Suhrkamp
also nicht etwa der Arbeitsplatzschaffung, sondern der Arbeitsplatzvernichtung.
Und zweitens, was ich noch nie verstanden habe - worin besteht denn der Sinn,
wenn sich Städte untereinander in den Wettbewerb um Firmen begeben? In Berlin
schlägt sich Wowereit stolz auf die Brust, den Verlag in die Hauptstadt geholt
zu haben - er fehlt aber in Frankfurt. Die (weniger) Arbeitsplätze, die in
Berlin hinzukommen, fehlen in Frankfurt. Die finanziellen Zusagen, die mit
Steuergeldern gemacht wurden, um den Verlag nach Berlin zu locken, verursachen
Kosten in Frankfurt - an all dem kann der Steuerzahler kein Interesse haben.
Alles nur Theater, gewiß, aber eher Schmierenkomödie als gehobenes Drama.
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Mit Deutschlands Reichen ist auch nüscht mehr los. Der eine bringt sich um, die
andere heult auf den Titelseiten der Zeitungen und koaliert anderntags mit den
Gewerkschaften, und ein anderer ist beleidigt: Steuerhinterzieher Klaus
Zumwinkel kehrt Deutschland den Rücken und wird künftig auf seiner Burg am
Gardasee leben.
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Tschah, liebe Leute, wahrlich, ich sage euch: All die Facebooks, Myspaces und
Googles werden euch letztendlich nicht weiterhelfen, und irgendwann werdet ihr
feststellen, daß man Facebook- oder MySpace-"Friends" nicht in die
Arme schließen kann.
Wes Geistes diese Konzerne sind, hat zuletzt Facebook bewiesen, als es sich von
seinen Nutzern weltweite, immerwährende Rechte einräumen lassen wollte, jeden
vom Nutzer generierten Inhalt "nutzen,
kopieren, veröffentlichen, streamen, speichern, aufbewahren, öffentlich
aufführen oder zeigen, ausstrahlen, scannen, umformatieren" zu
dürfen. Nach einer Protestwelle hat Facebook dies erstmal zurückgestellt, aber
aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben…
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Schon toll, wie sich all die, die uns die Weltwirtschaftskrise eingebrockt
haben, und all die Experten, die jahrelang der "freien Wirtschaft"
das Wort geredet haben, wie all die Politikerinnen und Politiker, die die
Gesetze wirtschaftsgerecht gestaltet haben, von Angela "Hedgefonds"
Merkel bis zu Peer "die Krise ist auf die USA beschränkt" Steinbrück
und all die Wirtschaftsjournalisten, die über die Jahre das Publikum bei Laune
gehalten haben mit ihrem eitlen Geschwätz und das jetzt wieder tun - schon toll
also, wie all die Versager weiterhin fest im Sattel sitzen, keiner seinen Hut
nimmt, und alle schon wieder die schlauesten Ratschläge bereithalten.
Eigentlich weiß doch niemand, was genau die Bedrohung ist und erst recht nicht,
welche Dimension und welches Ausmaß sie hat - und dennoch wirft die Regierung
denen, die uns den Schlamassel eingebracht haben, Zigmilliarden in den Rachen.
Keiner hört auf die schlauen Leute von Stefan Frank bis Joseph Stiglitz, die
die Krise vor Jahren vorhergesagt haben, nein, die Presse ist weiterhin voll
von sogenannten Wirtschaftsweisen, von Wirtschaftsinstituten, die weiterhin das
hohe Lied des "weiter so, nur bisserl anders" singen. Erbärmlich das
alles.
"Die Banken und
Spekulanten wissen, was sie wollen. Die Bundesregierung modifiziert ihr
neoliberales Denken nur wenig und zielt auf geringfügige, aber teure
Reparaturen, bedient ihre Klientel und verbeugt sich vor der Lobby."
(Friedrich Krotz)
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"Gehts gut, so ist der
Kapitalist ein tüchtiger Kerl. Auch zeigt dies, daß die Wirtschaft nicht auf
private Initiative verzichten kann. Gehts aber schief, so ist das ein
elementares Ereignis, für das natürlich nicht der Nutznießer der guten Zeiten,
sondern die Allgemeinheit zu haften hat. Denn du kannst den Kapitalisten
werfen, wie du willst: er fällt immer auf dein Geld."
(Kurt Tucholsky)
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Und, finally: Der Erfinder der Fahrstuhlmusik ist pleite! Die Firma
"Muzak" hat ausgedudelt. Vor 75 Jahren brachten die Amerikaner mit
ihrer neuen "Fahrstuhlmusik" Atmosphäre in Supermärkte und Hotels.
Nun ist es vorbei mit "Muzak", die Firma mußte Insolvenz anmelden.
Also, liebe Musikkonzerne, laßt euch das eine Warnung sein - nicht so viel Müll
veröffentlichen, nicht jeden Scheiß auf Platte pressen - denn wer zu belanglose
Musik veröffentlicht, geht über kurz oder lang pleite! Wort!