10.10.2009

Und Ansonsten 2009-10-10

Warnung
- hier beginnt der Teil des Rundbriefs voller POLEMIK und SATIRE! Hier wird das
offene Wort gepflegt. Nichts für schwache Gemüter!
Parental advisory: Explicit content!
Kulturfunktionäre haften für die Mitglieder ihrer Verbände!

* * *

Namenswitze verbieten sich bekanntlich, auch wenn sie im Fall des thüringischen
SPD-Vorsitzenden Matschie so naheliegend wie wahrscheinlich berechtigt wären.
Daß ein Politiker, der gerade mal 18% eingefahren hat, gerne Ministerpräsident
werden würde und versucht, die stärkeren Parteien durch die Manege zu treiben -
geschenkt, wenn die das mit sich machen lassen.
Matschie erinnert ein wenig an die Comicfigur "Isnogood", der nur
einen Slogan kennt: "Ich will Kalif werden anstelle des Kalifen". Und
ein Matschie ist natürlich irgendwie eine schöne Maßeinheit für den Stand der
Durchgeknalltheit der deutschen Sozialdemokratie.

* * *

Im September-Rundbrief haben wir unsere "Wahlprüfsteine zur
Bundestagswahl" vorgestellt, die wir den Kandidatinnen und Kandidaten im
Wahlkreis Berlin-Kreuzberg-Friedrichshain vorgelegt haben. Die Resonanz ist
ernüchternd und wirft ein bezeichnendes Licht darauf, warum immer mehr Menschen
politikmüde und parteiverdrossen sind - einzig die "Linke"-Kandidatin
Halina Wawzyniak hielt es für nötig, unsere Fragen detailliert zu beantworten
(siehe auf unserer Website unter "Wahlprüfsteine 2009"). Von
Hans-Christian Ströbele (Grüne) erreichte uns eine nette Mail, daß er es vor
der Wahl einfach nicht mehr schaffe, unsere Fragen ausführlich zu beantworten -
ein Gesprächstermin in unserem Büro ist allerdings für Oktober 2009 vereinbart,
wir halten Sie auf dem Laufenden.
Der selbsternannte Nachwuchsstar der SPD, Björn Böhning, der im Wahlkampf noch
mit einer Veranstaltung zur "Gema" aufwartete, hielt es nicht für
nötig, überhaupt zu antworten - auch unsere Einladung zu einem Gespräch zum
Thema "Gema" blieb unbeantwortet. Kein Wunder, daß Böhning im jungen
Wahlkreis Kreuzberg nur 16,7% der Stimmen erhielt und sogar noch weit unter dem
Zweistimmenergebnis seiner Partei blieb - eine echte Luftnummer eben, so wie
auch Frau Lengsfeld von der CDU, bei der man aber nichts anderes erwartet
hatte. Keine Reaktion auch vom FDP-Kandidaten, wo die FDP doch sonst gerne
Sonntagsreden über die Wichtigkeit des "Mittelstandes" verbreitet.
Demokratie, die sie meinen...
(den Wahlkreis eroberte übrigens wieder Ströbele mit 46,8% der Erststimmen; die
CDU erhielt 11,2%, die FDP 5,9% der Zweitstimmen und blieb damit sogar noch
hinter dem Ergebnis der Piratenpartei zurück)

* * *

"Falls Sie je irgendwo lesen, ich hätte einen Rundum-Vertrag mit einer
globalen Agentur wie Live Nation unterschrieben, dann können Sie sicher sein,
daß Satan meine Seele an sich gerissen hat - und daß ich in die Gummizelle
gehöre. Solche Verträge, bei denen ein Künstler sein Schicksal in die Hände
einer einzigen Firma legt, sind in meinen Augen Teufelswerk."
Tori Amos

* * *

Die "Süddeutsche Zeitung" kommentiert das
"Internet-Manifest", das einige prominente Blogger und Journalisten
veröffentlicht haben, säuerlich. Den Artikel des SZ-Autors kann man nicht
online lesen, sondern muß ihn für 3,21 Euro kaufen...

* * *

Manch einer mag sich an die kleine Anti-GEMA-Polemik im letzten Rundbrief
erinnern. Wie die GEMA in einem internen Mitglieder-Rundbrief, den sie der
Fachpresse zur Verfügung stellte, nun auf unsere Kritik einging, beweist schon
ein gerüttet Maß an Einfältigkeit und Selbstzufriedenheit - mal abgesehen von
der gezielten Lüge ihres "Direktors der GEMA-Direktion Außendienst",
der behauptet, "Seliger
hat noch nie eine Rechnung der GEMA erhalten", was wie gesagt
schlicht die Unwahrheit ist, besonders interessant, wo doch die GEMA unsereinem
"Halbwahrheiten" vorwirft - aber: darf bei diesem alle Verbraucher
betreffenden Thema nur mitreden, wer GEMA-Rechnungen erhält?!?
Hübsch auch die einzige Replik auf den Vorwurf, der GEMA-Verteilungsschlüssel
sei ungerecht - darauf entgegnet die GEMA in ihrer Presseerklärung: der
kritisierte Verteilungsschlüssel werde "von
den GEMA-Mitgliedern im Rahmen der Mitgliederversammlung beschlossen und ist
somit Ausdruck des Willens der GEMA-Mitglieder. Ein wichtiges Detail, das oftmals
übersehen wurde."
Klasse, nicht?
Es war keine Rede davon, wie der ungerechte Verteilungsschlüssel zustande
kommt, es war die Rede davon, daß er UNGERECHT und zum Nachteil etlicher
Künstler ist (nun ja, wahrscheinlich nicht zum Nachteil von Dieter Bohlen oder
der "Prinzen"...). Es darf also der größte Schmarrn existieren, eine
Ungerechtigkeit ist also berechtigt, weil die GEMA-Mitgliederversammlung sie
beschlossen hat?!?
Das ist das Niveau, liebe Leserinnen und Leser, auf dem da argumentiert wird.
Besonders einfältig kommt der GEMA-Jockel daher, Tobias Künzel von den
"Prinzen", der auf die GEMA-Kritik des letzten Rundbrief wortgewandt
und in vollem Besitz seines logischen Denkvermögens, das allerdings gen null
tendiert, im Newsletter der GEMA schreibt: "Auf
jeden Fall ist es sehr erstaunlich, wie sehr sich plötzlich ein Veranstalter
Sorgen um das Geld seiner Künstler macht. Wir sind seit 18 Jahren unterwegs und
haben schon sehr viele Konzertagenturen erlebt, die ausschließlich auf ihren
eigenen Gewinn orientiert waren, da ist soviel Selbstlosigkeit ja geradezu
rührend."
"Auf" ihren eigenen Gewinn "orientiert" - klar, deutsches
Sprak schweres Sprak, so wird man Textdichter bei der GEMA... Vor allem aber
hübsch diese Logik - wir "Prinzen" waren in 18 Jahren so doof, auf
etliche Konzertveranstalter reinzufallen, und weil das so ist, darf kein
Konzertveranstalter sich Sorgen um das Geld seiner Künstler machen. Oder wie?
Oder was?
Allerdings, eines ist gewiß: zum Thema "GEMA" dürfen Sie sich auf
weitere Auseinandersetzungen - nun ja: freuen, oder gefaßt machen, je
nachdem...

* * *

Daß ausgerechnet die hiesigen Medien die letzten Wochen von großer
"Langeweile" im bundesdeutschen Wahlkampf geschrieben haben, ist
schon wirklich drollig - denn "langweilig" wurde der Wahlkampf ja
nicht zuletzt, weil die Medien so langweilig sind. Und weil die Medien
hierzulande schon längst zu gleichgeschalteten Stichwortgebern der Politiker
mutiert sind. Perfekt konnte dies beim lächerlich zu einem "Duell"
hochstilisierten Fernsehauftritt von Frau Merkel und Herrn Steinmeier
beobachtet werden. Wie vier Journalisten ihre jeweilige Inkompetenz
potenzierten, sich selbst wichtig machten und entweder unfähig waren,
interessante Fragen zu stellen, oder sich selbst in Vorgesprächen mit den
Politikern und ihren Adjutanten sich selbst kastriert hatten - das war
"typisches deutsches Politfernsehen" (FAZ), langweilig und trostlos.
Aber was will man von einem Fernsehen denn auch erwarten, dessen Stellen von
den Politikern besetzt werden? Das von oben bis unten durchdeklinierte
Proporzsystem des sogenannten öffentlich-rechtlichen Fernsehens gebiert in
aller Regel einen Politjournalismus des vorauseilenden Gehorsams, der selbst
gelegten Schleimspur. Das läßt sich allein schon daran ablesen, daß sich das
bundesdeutsche Politfernsehen quer durch alle Kanäle die Sendung und das
Drumherum von den Politikern vorschreiben ließ. Warum gab es denn vor Jahren
noch die sogenannte "Elefantenrunde" mit Spitzenkandidaten aller im
Bundestag vertretenen Parteien? Die waren zum einen kurzweiliger als das, was
uns als sogenanntes "Duell" präsentiert wurde, und sie waren
realistischer - halten die Fernsehschaffenden die Zuschauer denn tatsächlich
für so beschränkt, daß sie denken, wir würden es nicht merken, wie bescheuert
es ist, wenn man uns den Vertreter einer 25%-Partei ernsthaft als
Kanzlerkandidaten andient?
Freilich - das System, das da zu betrachten ist, hat Methode, man betrachte
sich nur den Musikjournalismus. Längst ist es gang und gäbe, daß Journalisten
bei Interviews mit Popstars vorher lange Verträge unterschreiben müssen, daß
die Popstars und ihre Manager sich die Hoheit über alle veröffentlichten Bilder
garantieren lassen, daß also die Journalisten, die etwa über einen Robbie
Williams berichten wollen, ihr Selbstwertgefühl und ihren Berufsethos an der
Garderobe abzugeben haben. Warum sollte, was in der Popmusik selbstverständlich
ist, in der Politik nicht gelten? Und so entsteht in allen Bereichen eine
gähnende Langeweile, die Politjournalisten lassen sich Ablauf und Fragestellung
von Kandidaten diktieren, und keiner sagt: "Ihr habt sie doch wohl nicht
mehr alle! Wir sind das Volk! Wir sind die Journalisten, und wir stellen hier
die Fragen, und wir sagen hier, wie das abläuft!" So, wie eben kaum ein
Musikjournalist mehr sagt: "So geht das nicht! Wir veröffentlichen die
Fotos, die uns gefallen, und wenn euch das nicht paßt, dann berichten wir eben
nicht über Robbie W." oder wen auch immer.
Letztendlich hatten wir halt den Wahlkampf, den wir verdienen. Und das
Fernsehen, das wir verdienen. Und ein Volk, das zu Millionen einen Mario Barth
witzig findet und seit Jahren Knallchargen wie Johannes B. Kerner erträgt,
beklage sich bitte nicht über Langeweile im TV!

* * *

In Großbritannien laufen namhafte Künstler Sturm gegen die Planungen von
Musikindustrie und Regierung, mit grundrechtwidrigen Maßnahmen Filesharern den
Zugang zum Internet zu versperren (wie es in Frankreich geplant und hierzulande
bisher von der Musikindustrie, aber auch von einzelnen Politikern gefordert und
gewünscht wird).
"Das ist, wie wenn Du
eine Walnuß mit dem Vorschlaghammer knackst", stellt Fran
Healy (Travis) fest. Künstler wie Paul McCartney, Robbie Williams, Annie Lenox,
Nick Mason von Pink Floyd, Tom Jones oder die Rockbands Radiohead und Blur
haben sich zu einer "Featured Artists Coalition" (FAC)
zusammengeschlossen, einer Lobbygruppe für die Interessen der Künstler. Die FAC
macht Front gegen die Methoden der Musikindustrie im Kreuzzug gegen die
Internetpiraterie. Elton John, Robbie Williams, Radiohead, Tom Jones und Paul
McCartney bezeichnen in einer Stellungnahme lt. "Spiegel Online" das
Ansinnen der Medienkonzerne, Internetanbieter dazu zu zwingen,
Tauschbörsenbenutzern unter ihren Kunden den Netzzugang zu sperren, als "rückwärtsgewandt, unlogisch,
teuer und außerordentlich negativ".
Bisher haben die Plattenkonzerne behauptet, daß sie nicht nur für die eigenen
kommerziellen Interessen kämpften, sondern auch für die Interessen ihrer
Künstler (wobei lt. Untersuchungen die Zwischenhändler ca. 90% der Einnahmen
für sich behalten!). Doch nun stellen sich einige der wichtigsten und
prominentesten Künstler gegen die Politik der Musikkonzerne. Hierzulande wird
in den Branchenmedien darüber interessanterweise kaum berichtet.
Immerhin wäre die britische Aktion etwa so, wie wenn hierzulande sagen wir
Grönemeyer, Lindenberg und Silbermond öffentlich klarstellen würden: Liebe
Musikindustrie, eure Forderungen, Raubkopierern den Zugang zum Internet zu
versperren, sind erstens Blödsinn und verstoßen zweitens gegen das Grundgesetz,
laßt euch was anderes einfallen!
Klar, darauf können wir wohl noch lange warten... hierzulande unterschreiben
Popstars Petitionen ja nur, wenn es um eine Deutschpop-Quote oder um Tibet
geht...

* * *

Ökonomen zweifeln übrigens daran, daß die Internetpiraterie der Grund für den
Umsatzschwund der Musikbranche ist. Empirische Studien, die den Zusammenhang
zwischen illegalen Downloads und den Verkaufszahlen einzelner Alben
untersuchen, kommen lt. "FAZ" zu anderen Ergebnissen. "Und auch für die These, daß die
Internetpiraterie die Musikvielfalt bedrohe, weil sie Musikern und
Plattenfirmen die Geschäftsbasis entziehe, gebe es keine Belege, sagt Felix
Oberholzer-Gee von der Harvard Universität: In den USA werden heute doppelt so
viele Alben veröffentlicht wie im Jahr 2000."

* * *

Was haben Herr von und zu Guttenberg und Joseph Fischer, der ehemalige
Bundesaußenminister, gemeinsam? Ihre Liebe zu AC/DC.
Als Guttenberg einmal DJ spielte und auch AC/DC auflegte, trug er übrigens ein
von Parteifreunden gestiftetes T-Shirt mit dem Titel
"KrisenbewälTiger."
Highway to Hell eben.

* * *

Ende September, nach der Bundestagswahl, saß Klaus Wowereit lt. "FAS"
in Berlin auf einem Podium und erklärte, "es
gebe ja nun leider nicht so viel interessante neue Architektur in Berlin zu
sehen".
Gewiß doch - in jeder mittelgroßen französischen Stadt etwa kann man mehr
interessante und moderne Architektur besichtigen als Berlin. Aber könnte dies
vielleicht auch an der Baupolitik liegen, die ein Berliner Bürgermeister, der
nun auch bereits über acht Jahre lang regiert, zu verantworten hat?
Natürlich ist das Verhängnis, das über Berlin in Gestalt des Senatsbaudirektors
Stimmann gekommen ist, allüberall zu besichtigen. Aber ein Regierender
Bürgermeister Wowereit, der bei einer Presserundfahrt erstaunt feststellte, wie
häßlich das Einkaufszentrum "Alexa" doch ist, das sich in
unmittelbarer Nähe zu seinem Rathaus befindet und über dessen
Planfeststellungsverfahren und Bau der von Wowereit geführte Senat entschieden
hat, beweist eben nur eines: Hilflosigkeit. Die Angst des Bürgermeisters vorm
Gestalten. Und so was wollte SPD-Vorsitzender, Kanzlerkandidat gar werden...

* * *

Wenn es um einen öffentlichen Bau auf dem Marktplatz in Hintertupfingen ginge,
könnte man das als "Posse", als "Bubenstück" bezeichnen.
Doch was sich um den Neubau des Berliner Schlosses rankt, der Bebauung eines
der zentralen Plätze Berlins und der Republik, ist zwar ausgemacht provinziell,
aber ein handfester Skandal.
Die aktuellen Facetten: Die oberste Vergabekammer Deutschlands, die
Vergabekammer des Bundeskartellamts, erklärt den Auftrag an den
Schloß-Architekten Stella für nichtig und rügt deutlich die mangelnde
Transparenz des Verfahrens. Klar ist: die überraschende Vergabe des Auftrags
zum Schloßneubau an den italienischen Architekten Stella ging nicht mit rechten
Dingen zu. Stella hatte die Ausschreibungsbedingungen mit falschen Angaben
unterlaufen - vulgo: sich den Auftrag ergaunert. Da der Bauherr, das
Bundesbauministerium, allerdings unbedingt den historisierenden Schloßneubau
durchsetzen will, machte das von Minister Tiefensee (SPD) geführte Ministerium
mit Stella dennoch einen Vertrag und bezeichnet nun die Entscheidung des
Bundeskartellrechts als blanken Formalismus - so kann man mit demokratischen
Institutionen und deren verbindlichen Entscheidungen natürlich auch umgehen...
Noch interessanter allerdings ist, was vor kurzem in der "Zeit" stand
- so hält der Bundesbauminister bis heute an der Behauptung fest, "das Humboldt-Forum mit seinem
barocken Erscheinungsbild werde den Steuerzahler alles in allem 520 Millionen
Euro kosten und könne bereits im Jahr 2014 eröffnet werden".
Der Architekten- und Ingenieur-Verein hält diese Angaben für problematisch und
rechnet mit Ausgaben von über 700 Millionen Euro. "Manche Insider im Bundestag halten selbst eine
Bausumme von einer Milliarde nicht für ausgeschlossen. Und auch im
Bauministerium selbst kursieren längst höhere Summen",
berichtet die "Zeit". Vor allem der umstrittene Neubau der
Barockfassaden dürfte weit teurer werden, als bisher behauptet. "80 Millionen Euro betrügen die
Kosten dieser Rekonstruktion, so wiederholt es Tiefensee gebetsmühlenartig.
(...) Doch nach einer internen Kostenschätzung nach DIN 276, die der Zeit
vorliegt, betragen die Gesamtkosten der "Pos. 7 Rekonstruktion der
historischen Fassade" nicht 80, sondern 108,825 Millionen Euro. Die
üblichen Kostensteigerungen eingerechnet, wächst die Summe sogar auf fast 113
Millionen - und liegt damit rund 30 Millionen höher, als ausgewiesen. 30
Millionen, dafür baut man andernorts ein ganzes Museum." ("Die
Zeit")
Warum halten Tiefensee und das Bundesbauministerium aber so fanatisch an den 80
Millionen Euro für die Barockfassade fest? Die Antwort ist ganz einfach: Genau
80 Millionen Euro an Spenden nämlich will der Förderverein Berliner Schloß
unter der Leitung von Wilhelm von Boddien zusammenbringen. Und gegenüber der
Öffentlichkeit soll der Anschein aufrecht erhalten werden, die Barockfassade
könne vollständig aus Spenden finanziert werden.
Bisher hat der Förderverein übrigens erst 11 Millionen Euro sammeln können,
wovon der größte Teil bereits für PR, Honorare, Baupläne und Skulpturenmodelle
ausgegeben wurde, für den Fassadenbau also gar nicht mehr zur Verfügung steht.
Hier wird der Steuerzahler, hier werden die Bürgerinnen und Bürger von der
Politik auf gröbste Art und Weise verarscht. Und warum? Weil sich einige in den
Kopf gesetzt haben, daß im Zentrum Berlins ein historisches Schloß stehen muß.
Pervers.

* * *

Was die Vorstellung, von einem Herrn Westerwelle regiert zu werden, so
besonders unangenehm macht, ist ja zuvörderst die Tatsache, daß Herr
Westerwelle kein Politiker, sondern ein Politikdarsteller ist. Natürlich hat
Westerwelle die letzten Jahre Kreide gefressen, schmückt sich mit den
Bürgerrechts-Liberalen wie Frau Leutheusser-Schnarrenberger, weil er weiß, daß
man mit Politik nur für Anwälte und Steuerberater nicht über 10% kommt. Was er
aber wirklich denkt, wie dieser Politikdarsteller wirklich agiert, sieht man
immer wieder auf den entlarvenden YouTube-Filmen - wie Westerwelle etwa einen
BBC-Reporter anblafft, der es wagte, seine Frage auf englisch zu stellen, und
von Westerwelle belehrt wurde "Es ist Deutschland hier". Klar,
Westerwelle kann kein Englisch, da hat er in der Schule nicht aufgepasst. Und
man könnte sagen, so was sollte ein Hinderungsgrund sein, Außenminister zu
werden. Das ist aber das kleinere Problem. Das größere Problem ist, daß "Westerwelle gern mal
"freiheitlich", "Volk" und "Vaterland" benutzt,
wo zeitgemäßer Sprachgebrauch "Liberal", "Bevölkerung" und
"Europa" sagt" (Friedrich Küppersbusch).
Die FDJ-Funktionärin Merkel hat ihre CDU zu einer sozialdemokratischen Partei
gemacht. Westerwelle dagegen ist nur die andere Seite der reaktionären Medaille
Möllemann. Möllemann im Schafspelz. Die Wiedereinführung der Pickelhaube.

* * *

In Berlin wurden im September die "Bayerischen Musiklöwen" verliehen,
der "begehrte nationale (!) Musikpreis". Wie AC/DC-Fan Guttenberg,
weiter oben noch "Tiger", auf der Startseite des
"Musiklöwen" verrät: "Der
Löwe steht für Kraft, Stärke und Mut. (...) Die Pop- und Rockmusik hat nicht
nur eine wichtige kulturelle und gesellschaftliche Funktion. Sie ist auch
wirtschaftlich von beachtlicher Bedeutung."
Und so kommt zusammen, was zusammen gehört: Gotthilf Fischer verlieh den
Nachwuchspreis an die Bands Silbermond, Tokio Hotel und Die Fantastischen Vier,
während "Liza 23" und "Vorzeigekinder" (die Band ist wohl
eigens für die Politiker erfunden worden) aus der Hand von Guttenbergs den
AC/DC-Extra-Löwen erhielten. Laudatoren waren der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf
Henkel und Wolfgang Lippert, während "Mia" und "Monrose" an
Popkomm-Macherin Katja Gross einen Extra-Löwen für die beste
Nachwuchsveranstaltung überreichten. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim
Bundeswirtschaftsminister, Dagmar G. Wöhrl, erhielt einen Sonderpreis für ihre
Nebenrolle in der Erotik-Komödie "Die Stoßburg" und ihre Verbindung
von PinUp, PopUp und PolitikUp. Wöhrl ist übrigens laut Wikipedia
Gesellschafterin der "DACA Parkhausverwaltungs GmbH". Und aus den
Buchstaben welcher Rockband setzt sich DACA zusammen? Na? Dagegen sind die
Illuminaten doch die reinste Hobby-Verschwörer-Gruppe, nicht?
Kann übrigens sein, daß bei der Abschrift dieser Meldung ein paar Details
durcheinandergeraten sind. Aber eines steht fest: alle genannten Namen kamen
bei der Veranstaltung im Berliner "Audi Zentrum" vor. Wort!

* * *

"Voll "auf Augenhöhe"
befindet sich auch die Musikzeitschrift spex - und zwar mit dem Nudelhersteller
De Cecco, dem sie ihr Impressum als Werbefläche vermietet. spex-Chefredakteur
Max Dax weiß, was Feuilleton bedeutet: die branchenübliche Hurerei als
Husarenstück verkaufen. Das hört sich so an: "Wir wollen einen Diskurs
darüber anregen, wie wahnsinnig hart es ist, Qualität sowie innere und äußere
Unabhängigkeit im Journalismus zu garantieren." Von einem
"Diskurs" ist bevorzugt dann die Rede, wenn aus Muffensausen vor dem
wirtschaftlichen Bankrott der geistige vorauseilend schon mal vollzogen wurde.
Das Ergebnis des spex-De Cecco-Ex-und-hopp-Diskurses steht so fest wie die
Max-Dax-Definition von "innerer und äußerer Unabhängigkeit im
Journalismus":
Ein neues Kunststück kann
der Pudel.
Er besingt jetzt auch die
Nudel."
(Wiglaf Droste)

* * *

"Musikalisch haben wir
bewußt auf Experimente verzichtet", sagt dagegen Hartmut
Engler in bestem Adenauer-Style über das neue Album seiner ansonsten für
radikale und experimentierfreudige Popmusik berühmten und berüchtigten Band
"Pur".
Bitte verzichten auch Sie bewusst auf Experimente! Herr Engler, Herr
Westerwelle und manch anderer wird es Ihnen danken!