01.03.2011

Und Ansonsten 2011-03-01

Und
warum klingt Popmusik heutzutage so beschissen? Und warum zerstören iPods und
Smartphones die Qualität von Musik? Und warum ist
Lo-Fi a thing of the past?
„Have you noticed? Pop music sounds shit these days. I’m not talking about
deficiences of playing, singing or writing (although doubtless these all play
their part). No, I’m referring strictly to sound quality. Compressed,
ProTooled, Auto-Tuned, and God knows what else, modern pop is engineered to cut
through on iPods, smartphones, computer speakers: it reaches the consumer’s ear
pre-shittified, essentially. Meanwhile, down in the underground, it’s the
opposite: everybody wants records to sound expensive. That makes perfect sense:
if the mainstream sounds cheap’n’nasty and chartpop hurts your ears, ideas like
lo-fi and Noise become meaningless.“
Simon
Reynolds in „Wire“ in einer Rezension des neuen Toro Y Moi-Albums

* * *

Im letzten Rundbrief erklärte Jens Balzer, wie tief Popmusik sinken kann.
In der „taz“ berichtet Christian Y. Schmidt, wie tief es auch geht: Da trällert
ein gewisser Neil Tennnat („Pet Shop Boys“) an einem Januar-Abend in Peking im
Neubau des Central Academy of Fine Arts Museums seine Lieder, veranstaltet von
Prada China „zur Feier der Tatsache, daß sich im vergangenen Jahr der Verkauf
von Prada-Produkten in China um sensationelle 51 Prozent gesteigert hatte. So
war ich einer unter zweitausend Reichen und Nichtganzsoschönen, die sich auf
Pradas Kosten ein Glas G.-H.-Mumm-Champagner nach dem anderen einverleibten.
(...) Ich fragte mich nur ein wenig bange: Wen oder was kauft China als
Nächstes? Den Papst? Stephen Hawking? Nabokovs Gebeine?“
„Ain’t singing for Pepsi, ain’t singing for Coke“, das war einmal. „Singing for
Prada in Beijing“ ist die Devise unserer Tage. Und im Vergleich dazu wirken Udo
Lindenberg und Silly, die für den Bundespräsidenten ein Ständchen singen, dann
wieder unglaublich popelig.

* * *

Wir freuen uns immer, wenn die zahlreichen Künstlerangebote, die uns so erreichen,
von Bands, Managern und Plattenfirmen klug ausgewählt und zielgerichtet
vorgenommen werden. Diese Agentur tut sich ja seit Jahren, ach was, seit
Jahrzehnten besonders auf dem Feld der volkstümlichen Musik hervor, insofern
war dieses Angebot bestens plaziert:
„Ich habe die Südtiroler Mander im Management... ein junges Duo mit reichlich
Bühnenerfahrung!“
Sie haben sogar „jetzt ihre erste CD am Markt!“ „Am Markt“ also... und wer eine
Bude am, oder wie Kafka geschrieben hat, „auf dem Markt“ hat, der muß brüllen,
klar. Beste Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit also. Zumal „das Duo
bereits als Vorgruppe beim Kastelruther Spatzenfest spielte!!!“ Warum wir
dennoch von einer Zusammenarbeit Abstand nahmen und „die weiteren Details über
die Gage“ nicht mehr besprechen wollten, wird der Vorgruppe des Spatzenfestes
wohl ein Rätsel bleiben...

* * *

„FAZ und SZ wollen nicht zitiert werden“, schreibt „Spiegel Online“ am
16.2.2011. Die „Süddeutsche Zeitung“, die also zusammen mit der „FAZ“ gerade
den Rechtsweg einschlägt, um nicht mehr zitiert zu werden (ich finde, man tut
dem Ex-Doktor, „der über Wasser gehen kann“, vielleicht etwas unrecht, wenn man
ihn des Plagiats beschuldigt – er als der oberste Dienstherr aller Soldaten und
damit in Person Vertreter unbedingten Gehorsams hat wahrscheinlich nur in einer
Anwandlung vorauseilenden Gehorsams den „FAZ“-Aufsatz und all die anderen
geklauten Texte in seiner Doktorarbeit nicht als Zitat kenntlich gemacht...),
ich bitte, neu ansetzen zu dürfen: Die „Süddeutsche Zeitung“ also liefert uns
frei Haus ein gewaltiges Beispiel von gewaltigem Qualitätsjournalismus, in dem
sie einem unserer auf Tour befindlichen Künstler einen Fragebogen sendet mit
der Bitte um Beantwortung, aber pronto, sozusagen, denn der Herr Qualitätsjournalist
im Namen der SZ hat wenig Zeit:
„I’m writer for Süddeutsche Zeitung, the biggest German newspaper“, stellt sich
der Schreiberling etwas anmaßend und nicht ganz faktensicher vor. „I need the answers at. 3 p.m. (in 2 ½ hours). Do you think, xxx could answer
the questions until 3 o’clock?“
Die
Fragen sind sauber recherchiert und bilden ein verwegenes Beispiel der Klugheit
und Fragekunst der „größten deutschen Zeitung“:
„Where do you come from and what are you usually doing here? What are you looking for (in Munich)? What have you brought us? Which
person in Munich would you like to meet? Where do you rest your head? Which
cliché about Munich do you like best? What comes into your mind when you think
of Munich? How could Munich make you stay? How do you want to be remembered in
Munich?“
Qualitätsjournalismus,
den sie meinen...

* * *

Eigentlich hätte es die CD „The Secret Sisters“ in die Playlist dieses
Rundbriefes geschafft. Aber dann las ich auf der CD den bescheuerten Aufdruck:
„FBI Anti-Piracy Warning: Unauthorized copying is punishable under federal
law“, und ich hab das Teil auf den Müll geworfen.
Als Aushängeschild und Titelheld für die nächste Plakat- und Anzeigenkampagne
des Bundesverbandes der Deutschen Musikindustrie zum Thema „Raubkopierer sind
Verbrecher“ konnte, wie aus gewöhnlich sehr gut unterrichteten Kreisen zu
erfahren war, übrigens Freiherr zu Guttenberg gewonnen werden, der mit einer
ähnlichen Kampagne für die Aktion „Hart aber gerecht“ bereits Erfahrungen
gesammelt hat:

* * *

Und ein Mario Barth hat die Markenrechte an dem Uralt-Spruch „Nichts reimt sich
auf Uschi“ beansprucht. Richtig mit Marken- und Patentrecht und allem drum und
dran. Allerdings hat Barth, dem sein ganzes Leben noch nichts selbst
eingefallen sein dürfte, den Spruch natürlich nur geklaut... bzw., wie man
heutzutage sagt: in seine Doktorarbeit hineinkopiert. Vor 20 Jahren bereits
verwendete das „Frühstyxradio“ von Radio FFN den Spruch als Tour-Motto, und
Radio FFN hat jetzt beim Patentamt einen Löschungsantrag gestellt. „Niemand
soll sich an einem Spruch bereichern, der auf nahezu jedem Schulklo steht“,
heißt es beim Radiosender (die Schulklos scheinen auch nicht mehr zu sein, was
sie nie waren...).
Mario Barth spricht in einer ersten Stellungnahme von einer „abstrusen
Vorstellung“, daß er den Spruch geklaut haben könnte...

* * *

„Nothing is original.“ (Jim Jarmusch)

* * *

Laut „taz“ kam die Band Konono No. 1 im Februar 2011 „erstmalig nach
Deutschland“, was „man als kleines Wunder werten darf“.
Ich weiß nicht, ob die taz unter die Wundergläubigen geraten ist, oder nur wie
so oft schlecht recherchiert hat, oder ob die Fehlinformation dem
Tourneeveranstalter zu verdanken ist, aber, in aller Bescheidenheit: Konzerte
mit Konono No. 1 hat diese Agentur schon vor einigen Jahren hierzulande
veranstaltet, u.a. auf dem „Traumzeit“-Festival in Duisburg; ein WDR-Mitschnitt
ist der Beweis.

* * *

Ein neues kleines Kapitel „Dinge, die die Welt nicht braucht“: Der VUT, der
sogenannte „Verband unabhängiger Musikunternehmen“, hat „media control“ mit der
Erhebung einer eigenen Hitliste beauftragt, der sogenannten „Top 20
Independent“. Ein Blick auf die ersten deutschen „Independent-Charts“ macht
klar, was das für ein nutzloser Schmarrn ist: Auf Platz 1 befindet sich Adele,
die auch die offiziellen Charts angeführt hat – so what? Auf Platz 2 steht
Xavier Naidoo – ähem. Auf Platz 3 finden wir „Schandmaul“, auf Platz 5 „Prinz
Pi“, auf weiteren Plätzen David Garrett, Der W, Loreena McKennitt, Massiv
(„Blut gegen Blut 2“) oder ein „Stratovarius“.
Wer weiter oben gefragt hat, wie tief Popmusik sinken kann – der VUT weiß immer
noch eine Antwort, wie man das Niveau deutscher Musikindustrie auf „Unter Null“
verlegen kann.
Allein schon der Begriff „Independent“ ist ja längst vollkommener Blödsinn.
Independent from what? Längst gehören auch sogenannte unabhängige Firmen
transnationalen Konzernen an oder nutzen die Vertriebsnetze der multinationalen
Musikkonzerne – warum auch nicht? Und wenn VUT-Vorstand und Rechtsanwalt Benn
als Kriterium angibt, daß ein Indie-Unternehmen „inhabergeführt und nicht durch
ein Fremdunternehmen beherrscht“ sein soll – nun, das gilt im Zweifelsfall auch
für eine Nazi-Plattenfirma und scheint als Kriterium für „Independent“ doch
sehr mager, zumal sogar ein Branchen-beherrschender Großkonzern wie die DEAG
der VUT als „Indie“ durchgeht. Was also bedeutet heute noch „Indie“? Abgesehen
von einigen ehrenwerten Vertretern der Branche wie Stefan Vogelmann/Broken
Silence („Independent heute: Haltung. Ich verstehe unter Indie: sich für
Kulturgut einsetzen“...)  oder Thorsten Seif/Buback („Independent ist zu
einem schier endlos interpretierbaren Claim verkommen. Jungsbands, die
professionell ihre Befindlichkeiten besingen, sind genauso Indie wie Punks,
Rockabillys, Major-Plattenfirmen-Abteilungen, Kaiser Chiefs und und und.
Independent-Kultur, wie ich sie verstehe, läßt sich nicht in Charts und
Verkaufszahlen abbilden. Wir bieten abwegigsten und sperrigsten Musikarten, die
im besten Fall noch an einem Diskurs teilnehmen, eine Plattform.“), die
„Independent“ noch kulturell oder sogar politisch verorten, halte ich es mit
dem großen David Thomas/Pere Ubu, der in einer Titelstory mit „Wire“ mal sagte:
„The only difference between independent and major labels is that major
companies have a lot of money. I don’t buy any of that indie spirit camaraderie
and blah de blah de blah, and I don’t wanna be on a label that doesn’t wanna
sell records. I don’t wanna be your buddy. I want you to try to sell this damn
thing.“
Warum und wie eine Hitliste von Adele (die dies nicht braucht) über Xavier
Naidoo, Schandmaul, Prinz Pi, dem dumpfen Schmusegeiger David Garrett, „Der W“
bis hin zu „Massiv“ (die wir nicht brauchen) laut VUT „der Vielfalt nützt“ und
„der Kultur hilft“, ist ein Rätsel, das wohl niemand aufklären kann.
„Indiependent-Charts?“ Laßt es bleiben!

* * *

Im vorderen Teil der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 13.2.2011
posiert Maria Furtwängler auf zwei Seiten als Modell der FAZ-Anzeigenkampagne
„dahinter steckt ein kluger Kopf“. Weiter hinten in der gleichen FAS ist eine
zweiseitige Personality-Story über Maria Furtwängler zu finden.

* * *

Im vom Feuilleton heftig diskutierten und meist gefeierten Buch „Der kommende
Aufstand“ hat auch das von Facebook mühsam stabilisierte kleinbürgerliche Ich
seinen komischen Auftritt – ein „Ich“, das sich stets „produzieren“ muß, um
seine Leere zu verbergen.
Lesen Sie ruhig „Der kommende Aufstand“, es lohnt sich. Und wenn Sie das Gefühl
haben, Ihr Ich sollte sich mal wieder reproduzieren: werden Sie einfach unser
Freund bei diesem komischen Facebook-Dingens!

* * *

„Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung
wieder so viele wie Verstecke. Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg, was wir Weg
nennen, ist Zögern.“
(Franz Kafka)

* * *

Das „Universal Presse Webteam“ hat etwas Erstaunliches, ja, „eine Sensation“ zu
vermelden: Lady Gaga veröffentlicht eine neue Single! Was für eine
Überraschung! Eine Popmusikerin schreibt Songs und veröffentlicht diese sogar,
einfach so! Wow. „Die Sensation ist jetzt perfekt“, in der Tat. Wir sind
beeindruckt.

* * *

In der „Berliner Zeitung“ stand anläßlich einer Detailanalyse des Hamburger
Wahlergebnisses ein hübscher kleiner Satz: „Auch auffällig: Kandidaten mit
Doktortiteln schnitten besser ab als nichtpromovierte Politiker. Wahlforscher
erklären das damit, daß kein Wähler all die vielen Kandidaten kennt – und sich
dann an sachfremden Dingen wie Doktortiteln orientiert.“
Ähem. Wo doch gerade aufgeklärt wurde, daß jeder dahergelaufene Hochstapler
hierzulande einen Doktortitel abschreiben kann – ob das die Wähler nicht
mitbekommen haben sollten?
Oder, um noch ein paar Hirnwindungen weiterzugehen: Der Baron lebt vom
„Schulterschluß mit dem Volk, das liebend gerne von einem wie ihm geführt werden
will“ (FAZ), von einem Adeligen, der quasi von Haus aus in einem Schloß auf dem
Berg wohnt und daher qua Geburt den besseren Überblick hat. Wie der Herr Baron
es dann geschickt vermag, sich als der Großkopfertsten einer an die Seite der
kleinen Leute zu stellen, gleichzeitig „gegen die da oben“ (deren einer er ja
ist), „gegen die arroganten Medien“, ja, „gegen den Zinnober, der da in Berlin
läuft“, als Identifikationshansel anzubieten und zu stilisieren, das ist schon
ein Meisterstück von Demagogie. Das natürlich nur Hand in Hand mit dem
Springer-Konzern gelingen kann – die Blödzeitung etwa titelte „Scheiß auf den
Doktor“ (am Rande sei gekalauert: würden wir ja gerne, liebe Blödzeitung,
würden wir ja gerne!) und macht sich neben der „Bunten“ seit Wochen für den
Betrüger stark. Das von Herrn zu Guttenberg geführte Verteidigungsministerium
zeigt sich übrigens dankbar und startet in „Bild“, „Bild am Sonntag“ und auf
„bild.de“ (und nur in diesen Springer-Publikationen!) eine teure
Anzeigenkampagne. Ein Sprecher des Medienkonzerns Axel Springer erklärte dazu,
Anzeigenabteilung und Redaktion arbeiteten bei dem Konzern „streng getrennt“.
Eh klar.

* * *

Seit langem geht unsereinem die Anzeigenkampagne für die Blödzeitung gewaltig
auf den Keks – vor allem aber wundert man sich, daß jeder, aber auch wirklich
jeder meint, dort mittun zu müssen mit mehr oder minder originellen Beiträgen.
Neben Leuten, die es nötig haben und von jeher jeden Scheiß mitmachen, also
etwa Mario Barth oder Sarah Connor, sah man bei dieser Kampagne von Marius
Müller-Westernhagen über Udo Lindenberg, Oskar Lafontaine, Veronica Ferres,
Thomas Gottschalk, Philipp Lahm und Alice Schwarzer bis hin zu Richard von
Weizsäcker etliche Personen Werbung für die Blödzeitung machen, von denen man
zwar vielleicht einiges, das dann aber vielleicht doch nicht erwartet hätte.
Es hat ewig gedauert, jetzt aber tat Judith Holofernes, Sängerin und
Songwriterin von „Wir sind Helden“, das einzig Richtige und Sinnvolle, was man
tun kann, wenn man von der Werbeagentur der Blödzeitung gebeten wird, bei der
Werbekampagne für „Bild“ mitzutun: Sie sagte nicht nur ab, sondern sie
veröffentlichte auch sowohl die Anfrage als auch ihre Absage und fand deutliche
Worte, die man sich so schon längst von anderen gewünscht hätte:
„Ich glaube, es hackt. Die laufende Plakat-Aktion der Bild-Zeitung mit
sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere von
sogenannten Prominenten ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit
untergekommen ist. (...) Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der
Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die
sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig
viele Leute, das wär schon schick... (...) Die BILD-Zeitung ist kein
augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut und kein harmloses „Guilty
Pleasure“ für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein
Lifestyle-Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild-Zeitung das, als was ihr sie
verkaufen wollt: Haßgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines
eigentlich viel schlaueren Deutschlands. Die Bildzeitung ist ein gefährliches
politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den
Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt,
sondern macht. Mit einer Agenda.“
Dank und Respekt an Judith Holofernes!
(und natürlich spricht es nicht für eine bestimmte Szene von mediengeilen
Musikern, Politikern und Prominenten, daß man ein eigentlich völlig
selbstverständliches Verhalten überhaupt erwähnen muß...)

* * *

Ein ganz besonderes Stück Dialektik fordert die Welt uns allen angesichts der
jüngsten Entwicklungen in Libyen ab. Ich meine nicht einmal, daß
merkwürdigerweise Kanzlerin Merkel, die Al-Qaida und Außenminister
wiehießerdochgleichwieder gleichzeitig den Rücktritt Muammar al-Gaddafis
fordern. Frau Merkel und Herr Westerwelle vertreten übrigens die Regierung, die
bis vor wenigen Tagen Militärhilfe an Gaddafis Libyen leistete, und die Gaddafi
noch im Dezember 2010 50 Millionen Euro Militärhilfe garantierte, damit Gaddafi
dafür sorgte, daß afrikanische Flüchtlinge nicht nach Europa gelangten...
Aber wenn Politiker Sanktionen gegen Libyen fordern – wie ist das dann genau
gemeint? Bedeutet es, daß wir plötzlich nicht mehr unsere Waffen nach Libyen
liefern sollen? (und wohin dann?) Es waren vor allem Silvio Berlusconi, Tony
Blair und Gerhard Schröder, die sich vor ein paar Jahren um ein neues, enges
Verhältnis zu Gaddafi bemüht haben. Milliardenverträge für Shell, BP, Siemens
und etliche andere Unternehmen waren die Folge. Die Autobahnen in Gaddafis
Reich wurden von Bilfinger + Berger gebaut. Gerhard Schröder beglückwünschte
Gaddafi bei einem Treffen anläßlich der Eröffnung einer Ölbohrstelle der
BASF-Tochter Wintershall: „Die Richtung stimmt!“
Und als erster bundesdeutscher Wirtschaftsminister war unser aller Baron zu
Guttenberg 2009 in Libyen. Während zu Guttenberg auch in Tripolis seine Frau
dabei hatte, „die im Sozialministerium Gespräche über Frauenfragen führt“ (FAZ)
(hab ich etwas verpaßt? Ist Frau zu Guttenberg irgendwie in eine politische
Funktion hierzulande gewählt worden, die sie berechtigen würde, im Ausland
Ministeriumsgespräche zu führen?!?), gab er der BamS-Reporterin Anna von Bayern
ein Interview und antwortete auf die Frage „ist es eigentlich okay, mit dem
Diktator Geschäfte zu machen“, ziemlich anti-sanktionistisch: „Ja. Gaddafi
bleibt eine schillernde Figur, aber er übernimmt zunehmend Verantwortung (...)
Manche sehen in ihm mittlerweile einen Partner bei der Bekämpfung des
internationalen Terrorismus (...) Unser Ziel ist es, daß deutsche Unternehmen
einen Teil der 20 Milliarden Euro bekommen, die Libyen in den nächsten Jahren
allein in Bildungs- und Infrastrukturprojekte investieren will.“
Aber wahrscheinlich ist das alles wieder ein Plagiat, bei Guttenberg weiß man
ja nie genau...

* * *

Der beste Kommentar zu Deutschlands „Teflon-Minister“ („Economist“), dem „so
schön kann doch kein Mann sein“ („Bunte“) allerdings stammt, finde ich, von
seinem fränkischen Widergänger (oder andersrum?) Lothar Matthäus:
„Ein Mann muß im Leben Entscheidungen treffen. Ob die dann richtig sind, stellt
sich oft erst hinterher heraus. Wenn man in Deutschland keine Probleme hat,
macht man sich welche. Und wer was Gutes für Deutschland tut, kriegt als Dank
meistens was aufs Maul.“
Danke, Loddar, für die präzise und tiefschürfende Analyse!
„Ein Mann muß im Leben Entscheidungen treffen“...