12.04.2013

Und Ansonsten 04/2013

Die Sparauflagen, die Griechenland von der deutschen Regierung
aufgezwungen wurden, verlangen von Griechenland, die öffentlichen
Gesundheitsausgaben bei 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten oder noch
weiter zu senken. In Deutschland beträgt der Anteil  der Gesundheitsausgaben dagegen 9 Prozent.
Ist die Gesundheit der Griechen weniger wert? Sind die Griechen Europäer
zweiter Klasse?

Offiziell sind 30 Prozent der griechischen Bevölkerung nicht mehr
krankenversichert, vermutlich ist aber bereits jeder Zweite aus der Absicherung
herausgefallen, wie Kirsten Schubert in einem erschütternden Bericht für medico
international schreibt. Es mangelt an Arzneimitteln, selbst Verbandsmaterial
ist knapp geworden, und Medikamente bekommt man in den leergeräumten Apotheken
nur noch gegen Barzahlung. Seit die Troika durchgesetzt hat, daß alle
sozialstaatlichen Leistungen (inklusive der Krankenversicherung!) zwölf Monate
nach Verlust des Arbeitsplatzes einzustellen sind, ist die steigende Zahl
Arbeitsloser ein sicheres Indiz für die zu erwartenden gesundheitlichen
Belastungen der Bevölkerung – aktuell ist jeder vierte Grieche arbeitslos, bei
jungen Menschen unter 24 Jahren sind es mehr als die Hälfte.

Wohlgemerkt, dies alles geschieht in Ihrem Namen! Daß das von Deutschland
dominierte Europa systematisch eine solche die Menschenwürde verletzende
Ungleichheit zuläßt, ist empörend.

* * *

„Wie kommt es, daß
die Leute die Gesetze befolgen und nicht vielmehr auf sie pfeifen? Diese Frage,
nein, eher die Verblüffung über diesen weitverbreiteten Gesetzesgehorsam
verleitet zum Thesenbilden. Doch lassen wir die Soziologenmär von der Akzeptanz
als Erklärung aus dem Spiel. Auch der Hinweis auf die Vernunft der Gesetze
verfängt wohl kaum. Bleibt, wie so oft, Max Weber. Von allen
Erklärungsversuchen scheint der Webersche schon deswegen bedenkenswert, weil er
die Frage umstellt. Nicht: wieso folgen die Leute den Gesetzen, sondern: wie
stellen es die jeweils Herrschenden an, daß es sich so verhält?" (Cornelia Vismann)

* * *

Auch dieses Jahr konnte sich die HBO-Serie „Game of Thrones“ laut SPON
den ersten Platz im illegalen Download-Ranking sichern. Kaum hatte HBO die erste
Folge ausgestrahlt, wurde die Videodatei als Torrent angeboten. In der Spitze
wurde der Clip von mehr als 160.000 Nutzern gleichzeitig geteilt, sämtliche
angebotenen Versionen der Startfolge kamen laut SPON auf über eine Million
Downloads.

Die Startfolge wurde auch von 4,4 Millionen HBO-Abonnenten betrachtet.
HBO jedenfalls scheint sich am nicht ganz rechtskonformen Interesse an „Game of
Thrones“ nicht weiter zu stören. Der Autor der Buchreihe, George R.R. Martin,
hatte die Urheberrechtsverstöße bereits als „Kompliment“ für sein Werk
gewertet, und nun zog HBO-Programmdirektor Michael Lombardo nach: „Ich sollte
das vielleicht nicht sagen, aber das ist gewissermaßen ein Kompliment. Die
Nachfrage ist vorhanden. Und es (also die illegalen Downloads, BS) hat sich
sicher nicht negativ auf den DVD-Absatz ausgewirkt“, sagte Lombardo in
„Entertainment Weekly“ und machte sich hauptsächlich Sorgen über die Qualität
der Dateikopien. Illegale Downloader will der HBO-Chef jedenfalls nicht
verfolgen lassen.

* * *

Ist das, was man anbietet, gut genug, dann macht man in der Regel damit
Geschäfte im Internet, und auch die sogenannte Piraterie ist kein Problem, wie
wir sehen.

Ein etwas anderes Geschäftsmodell verfolgt der Axel-Springer-Konzern
hierzulande, auf dessen umfangreiche Lobbybemühungen das vom Bundestag
verabschiedete „Anti-Google-Gesetz“ zurückgeht.

Am 22.3. lese ich in der FAZ, wie der Vorstandsvorsitzende der Axel
Springer AG, Mathias Döpfner, vor dem Ausschuß für Kultur und Medien des
Bundestages jammert: Ein „tragfähiges
Geschäftsmodell für den Vertrieb von Zeitungsinhalten ist nicht in Sicht“,
sagte Döpfner. Und: „ohne ein
Leistungsschutzrecht, das die Produkte der Verlage vor der Inbesitznahme durch
kommerzielle Anbieter im Internet schützt, wird die freie Presse verschwinden.“

Merkwürdig nur, daß gut zwei Wochen vorher, am 7.3., in der Berliner
Zeitung zu lesen war, daß der Medienkonzern Axel Springer 2012 seinen Umsatz „vor allem durch den Ausbau digitaler Medien
gesteigert“ hat, ausgerechnet. Mathias Döpfner sagte dort, daß Springer „erstmals über eine Milliarde Euro Umsatz
mit digitalen Medien erzielt“ habe, „mehr
als mit jedem anderen Geschäftsbereich“. Der Bereich "Digitale
Medien" löste demzufolge mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden Euro (plus 22
Prozent!) erstmals die inländischen Zeitungen als umsatzstärksten
Geschäftsbereich des Axel Springer-Konzerns ab.

Ganz ohne Leistungsschutzgesetz, ganz ohne Mithilfe des Gesetzgebers.

Und wie gehen die beiden Statements nun zusammen? Tun sie nicht. Döpfner
hat einfach die Politiker im Deutschen Bundestag und die Öffentlichkeit
verarscht. Sie können Döpfner übrigens an seiner langen Pinocchio-Nase
erkennen...

* * *

Und wen besucht SPD-Steinbrück, wenn er in Berlin auf Wahlkampfreise
ist?

Klar, der selbsternannte Kämpfer für die Sozialschwachen, für die Mieter
und die Geringverdiener kumpelt mit den Großkonzernen und deren Bossen herum.
Peer Steinbrück war zu Gast bei Universal Music, dem weltgrößten Musikkonzern,
und traf sich mit dessen Chef Frank Briegmann. Dabei warf sich Steinbrück in
den Staub und sandte eine Unterwürfigkeitsadresse, indem er auf das
SPD-Wahlprogramm verwies, in dem es heißt:

„Das geistige
Eigentum ist der Rohstoff der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die
unverbrüchliche Verbindung zwischen Urheber und Werk darf nicht relativiert
werden. Der Schutz des geistigen Eigentums ist für die SPD deshalb essentiell.“