08.03.2013

Und Ansonsten 03/2013

Der sogenannte „Panda-Rapper“ Cro stellt eine eigene Kollektion bei der
Modefirma H&M vor. „Wir freuen uns
wie verrückt, in Kooperation mit H&M die Divided Kollektion Design by Cro
präsentieren zu können“, wird das „unabhängige“
Chimperator-Label in der „Musikwoche“ zitiert. Die „limitierte Kollektion“ aus T-Shirts, Tanktops, Leggins und
Stoffbeuteln unter anderem mit „Writings,
die Cro selbst entworfen hat“, soll im April in rund 200 Filialen der
skandinavischen Modekette zu finden sein.

Ob Cro für sein selbst entworfenes Writing bei H&M mehr verdient als
die Textilarbeiter, die den Krempel für H&M zum Beispiel in Kambodscha oder
Bangladesch unter in aller Regel menschenfeindlichen und ausbeuterischen
Bedingungen herstellen müssen? Laut Recherche des „Zeit“-Autors Uchatius
beträgt der Lohn der Textilarbeiter, die in Fabriken in Bangladesch die
H&M-T-Shirts herstellen, EUR 1,18. Pro Tag. Inklusive aller Überstunden.

Aber irgendwer in der Welt muß halt dafür bezahlen, daß sich eine
Plattenfirma in Deutschland mit ihrem Panda-Rapper wie verrückt darüber freuen
kann, von H&M Kohle für sogenanntes Mode-Design zu erhalten.

Alles Panda, oder was?

* * *

Jetzt mal unabhängig davon, ob und wenn ja wie sehr einem das neue Album
von David Bowie gefallen mag: Eines hat der Altmeister kapiert und den
deutschen Copyright-Cops gezeigt, die nicht müde werden, das Gefasel von der
angeblichen „Kostenloskultur“ des Internet wie eine tibetanische Gebetsmühle zu
wiederholen – eine Woche, bevor sein neues Album erscheint, stellte David Bowie
das Album kostenlos online, als
Stream via iTunes. Einfach so. Und schrieb dazu: „Erzählt es weiter, Kinder!“
Ob die Musik state of the art ist, mögen andere beurteilen. Was aber die
Geschäftsmodelle in digitalen Zeiten angeht, ist David Bowie, der übrigens
keinen Manager hat, der schlafmützigen deutschen Musikindustrie um Lichtjahre
voraus.

* * *

Wir haben an dieser Stelle seit Monaten über das Leistungsschutzrecht
für Presseverlage (die „Lex Google“) informiert. Jetzt wurde das Gesetz vom
Bundestag verabschiedet – obwohl es von fast allen Rechtsexperten, vom
Deutschen Anwaltsverein und von Rechtswissenschaftlern als völlig unsinnig
abgelehnt wurde. Aber wenn der Axel Springer-Verlag, gegen dessen Blödzeitung
bekanntlich keine Wahl gewonnen werden kann, mit seinen Cheflobbyisten
jahrelang Propaganda für ein Gesetz macht, haben die Experten halt nichts zu
melden, da kuscht die Politik, da werden Gesetze verabschiedet, die „Starke stärken und Schwache schwächen“,
wie die nicht gerade linksradikaler Umtriebe verdächtige bürgerliche „Zeit“
feststellte. Wir haben es nicht anders erwartet. „Es ging in den
vergangenen Jahren lediglich darum, wie sich das Geschäftsmodell einiger weniger Unternehmen sichern
lässt, und wie sie vom Geschäftsmodell eines anderen Unternehmens profitieren
oder sich öffentlich-rechtliche Konkurrenz vom Leib halten können,"
kommentiert Kai Biermann auf „Zeit Online“.

Allerdings möchte ich kurz auf drei Dinge hinweisen:

Erstens: Im
Leistungsschutzgesetz (LSG) heißt es, „der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das
ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu
gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt
sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte." Da muß man mit
den Freischreibern fragen:
„Was heißt das für uns Freie und unsere
Texte? Konkurriert das Leistungsschutzrecht jetzt doch mit dem Urheberrecht?
Und wie wird dieses Monopol der
Verwerter gegenüber den eigentlichen Urhebern begründet?"

Zweitens, und am Rande:
Sogar der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Siegfried Kauder
(CDU), als eiserner Verfechter des Three Strikes-Modells eine Zeit lang der
Musikindustrie liebstes Kind, sprach sich eindeutig gegen das LSG aus. Wer oder
was hat den Mann „umgedreht“? Oder hat er nur gegen Ende der Legislaturperiode
als Abgeordneter, der von seiner Partei nicht mehr aufgestellt wurde, plötzlich
seine Unabhängigkeit entdeckt? Wir wundern uns.

Drittens, und vor allem,
hat Wolfgang Michal auf „Carta“ auf einen interessanten Aspekt der Abstimmung
hingewiesen: Das LSG hätte im Bundestag nämlich gar keine Mehrheit erhalten,
wenn, ja wenn sich alle Abgeordneten
der Opposition an der Abstimmung beteiligt hätten. Wegen der Enthaltungen bzw.
Neinstimmen von einigen Mitgliedern der Regierungsfraktionen (je 2 Nein und
Enthaltungen bei CDU/CSU sowie 4 Nein bei der FDP) erhielt der Regierungsentwurf
nur 293 Ja-Stimmen. 243 anwesende Bundestagsabgeordnete stimmten mit Nein.
Hätten die 52 Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken, die an der Abstimmung
nicht teilgenommen haben, wie ihre Fraktionen mit Nein gestimmt, wäre das LSG
mit 295 Nein- gegen 293 Ja-Stimmen gescheitert. Sie finden das
Abstimmungsergebnis hier:

http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp?id=214

Noch interessanter wird das Ganze, wenn Sie hier auf „Namensliste“
klicken, denn dort finden Sie die Abgeordneten, die von der Opposition nicht an
der Abstimmung über das LSG teilgenommen haben. Und das waren nicht etwa die
Hinterbänkler, sondern gewissermaßen die

Spitzenleute der Oppositionsparteien: Gefehlt und damit letztlich die
Lex Springer möglich gemacht haben von der SPD Sigmar Gabriel, Andrea Nahles,
Wolfgang Thierse oder Heidemarie Wieczorek-Zeul. Bei den Grünen fehlte das
Spitzen-Trio Jürgen Trittin, Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt. Bei den
Linken fehlten unter anderem Sahra Wagenknecht, Ulrich Maurer, Stefan Liebich
und Katja Kipping. Es fehlten sozusagen die Parteivorsitzenden, das
Führungspersonal der Opposition. „Also
jene Wahlkämpfer, die eine gute (Springer-)Presse brauchen“, kommentiert
Wolfgang Michal. Allerdings, es ist auch Taktik dabei: Denn im Frühjahr wird
das LSG irgendwo zwischen Bundesrat (wo die Bundestags-Opposition mittlerweile
eine Mehrheit hat) und Vermittlungsausschuß im Sande verlaufen. „Und so brauchten die Wahlkämpfer der drei
Oppositionsparteien nicht unnötig Flagge zu zeigen und mit Nein zu stimmen“
(Michal) und sich „unnötig“ mit der Springer-Presse und all den anderen
Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen anzulegen.

Das ist die Schmierenkomödie, die in Berlin getrieben wird, und die
manche als Politik oder als Demokratie bezeichnen.

* * *

Alexandre Kojève schreibt im September 1950 an Leo Strauss:

„Menschen handeln
in Wirklichkeit nur, um darüber reden zu können oder zu hören, daß darüber
geredet wird.“

Im Zeitalter von Facebook (das dabei ist, den Bach runterzugehen) und
Tweets kann man den ersten Halbsatz getrost streichen – heutzutage handeln Menschen in der Regel nicht
mehr. Es bleibt natürlich, daß sie über alles reden wollen und hören, daß
darüber geredet wird.

* * *

Mit dem Fahrrad auf dem Weg ins Büro, Oranienstraße, Kottbusser Damm.
„Die Straßen waren blau / So viele Bullen waren da“, um es mit Rio Reiser zu
sagen. Straßen gesperrt, ein Hubschrauber kreiste über Kreuzberg, am nächsten
Tag steht in der Zeitung: 815 Polizisten waren im Einsatz. Aber warum?

Weil die Besitzrechte eines Immobilienbesitzers staatlicherseits
durchgesetzt werden mußten.

Seit seinem sechsten Lebensjahr wohnt der jetzt 41jährige Malermeister
Ali Gülbol in dem Haus in der Lausitzer Straße, seit 1999 mit seiner Familie in
einer eigenen Wohnung im gleichen Haus. Die Wohnung war bei der Übernahme durch
Gülbol eine Bruchbude, er hat nach eigenen Angaben über 20.000 Euro und viel
Arbeit in die Renovierung investiert, weswegen der Eigentümer ihm eine
geringere Miete eingeräumt und auf Mieterhöhungen verzichtet hatte. Das änderte
sich 2006, als ein Berliner Unternehmer die Immobilie in einer
Zwangsversteigerung erwarb. Der neue Besitzer fühlte sich nicht an die alten
Vereinbarungen gebunden und erhöhte Gülbols Miete. Gülbol ging vor Gericht und
verlor nach Jahren den Rechtsstreit durch alle Instanzen. Er versäumte die
Frist für die Nachzahlung der erhöhten Miete um ein paar Wochen, und der
Unternehmer warf den Mieter aus der Wohnung und sorgte für eine Zwangsräumung,
obwohl der durch die Mieterhöhung verursachte „Mietrückstand“ längst beglichen
war.

Mag sein, daß die Zwangsräumung formaljuristisch korrekt war. Doch ob
sie „rechtens“ im eigentlichen Sinn war, darf bezweifelt werden. Der
Rechtswissenschaftler Karl-Nikolaus Peifer weist in anderem Zusammenhang darauf
hin, daß „ein Recht, das sich vom
Bewußtsein der Menschen löst, größte Probleme bekommt. Das Recht ist für die Menschen da und nicht die Menschen für das Recht.
Das mag naiv klingen, aber es hat eine sehr grundlegende Bedeutung für das, was
man Rechtsempfinden nennt, auf dessen Grundlage unsere Rechtsordnung basiert,
auf die wir als Rechtswissenschaftler achten müssen“.

Es ist ja nicht so, daß Mieter Gülbol irgendwelche
Mietzahlungen schuldig geblieben wäre. Alle Außenstände sind längst bezahlt.
Wie soll das „gesunde Rechtsempfinden“ der Bürger befriedigt werden, wenn wegen
bereits geleisteter Zahlungen aus Besitzrechten eines Immobilieninhabers, also
ohne daß noch ein Euro geschuldet wäre, 815 Polizisten die Zwangsräumung einer
Wohnung durchsetzen, in der eine Familie seit 14 Jahren lebt? Ich jedenfalls
will ausdrücklich nicht, daß dafür
meine Steuergelder ausgegeben werden! Und ich will ausdrücklich nicht, daß ein
Senat, der es seit zig Jahren versäumt, bezahlbaren Wohnraum auch für
Geringverdienende zur Verfügung zu stellen, mit maßlosen Polizeistaatsmitteln
Bürger aus ihren Wohnungen vertreibt. Und der Fall Ali Gülbol ist ja kein
Einzelfall – über 5.000 Zwangsräumungen finden allein in Berlin jedes Jahr
statt. Mieter werden vom Gesetz im Stich gelassen, während längst eine „an Profitinteressen ausgerichtete
Mieterhöhungsrallye“ („Berliner Zeitung“) stattfindet. Ein Senat, dem als
Antwort auf die berechtigten Mieterinteressen nur eine von über 800 Polizisten
durchgesetzte Zwangsräumung einfällt, ist unbrauchbar und sollte zurücktreten.

* * *

„Die Regierung
hält nicht mehr alle Fäden des Kapitalismus in der Hand, höchstens noch einen
oder zwei, und wenn sie nicht achtgibt, so ist sie morgen selbst die Marionette
und der Kapitalismus die Hand. Der Tag wird kommen, an dem Unternehmen,
ausländische Firmenchefs, Pensionsfonds und Investoren uns sagen ‚Macht!’ und
wir gehorchen.“

Bruno Le Maire, Mitglied der konservativen französischen Partei UMP und
Ex-Minister unter Sarkozy, in seinen gerade erschienenen Memoiren „Jours de
Pouvoir“ (zitiert nach dem Zentralorgan des deutschen Antikapitalismus, dem
Feuilleton der „FAZ“)

* * *

Dazu passend ein interner Bericht der deutschen Bundesregierung, der
laut „Berliner Zeitung“ intensive Verbindungen der Regierung zur Finanzindustrie
offenbart. Seit 2009 hat sich beispielsweise allein der Staatsminister im
Kanzleramt 25 Mal allein mit dem Cheflobbyisten von Goldman Sachs getroffen.
Insgesamt gab es in dreieinhalb Jahren 220 intensive Regierungskontakte mit der
Finanzindustrie – Treffen auf Kongressen oder Empfängen nicht mitgezählt.
Bankenrepublik eben.

* * *

Kann mir bitte irgendjemand erklären, was nun daran besser sein und mehr
Wettbewerb garantieren soll, wenn im aktuellen Plattenfirmen-Monopoly, bei dem
die Ereigniskarten mitunter auch von den Kartellwächtern ausgespielt werden,
der Sanctuary-Backkatalog statt zu Universal Music neuerdings zum BMG Rights
Management gehört?

Und was so toll daran ist, wenn Coop, das Labelnetzwerk, das 2007 von V2
zu Universal Music wechselte, nun von Universal Music an PIAS verkauft wird?

Und was sich für die (Musik-)Welt ändert, wenn die bisher bei der EMI
liegenden Rechte von „Now That’s What I Call Music!“ von Universal Music zu
Sony Music wechseln?

In der Summe passiert immer das gleiche im Monopolisierungsgewese der
Tonträgerindustrie: Mitbewerber werden vom Markt gekauft, der „Wettbewerb“ wird
eingeschränkt, und das monopolisierte „Modern Talking“ der weltweiten
Musikindustrie gefährdet die kulturelle Vielfalt.

* * *

Der „Deutsche Kulturrat“ hat nichts kapiert.

Der Autokonzern Daimler AG hat laut „Berliner Zeitung“ Sponsoring-Mittel
gestrichen und seine Unterstützung sowohl für die Stuttgarter Staatsgalerie als
auch für die Ludwigsburger Schloßfestspiele mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Und was tut der Deutsche Kulturrat? Er bettelt den Autokonzern, doch bitte
bitte seine Entscheidung zu „überdenken“ – und erhebt den drohenden
Zeigefinger: Die Daimler AG habe im letzten Jahr 6,5 Milliarden Euro Gewinn
gemacht, wenn er nun seine kulturelle Unterstützung einstelle, sei das „Verantwortungslosigkeit gegenüber der
Allgemeinheit“.

Mag sein. Doch das Possenspiel, das der Deutsche Kulturrat aufführt, ist
eine Art Verdummung der Allgemeinheit. Denn hier zeigt sich doch nur, wie
bescheuert es ist, wenn sich Kultur und Politik darauf verlassen, daß
Kultursponsoring in Zeiten leerer werdender öffentlicher Kassen eine
Alternative darstellen würde bei der Finanzierung von Kultur. Nein, Konzerne im
Kapitalismus tun, was Konzerne im Kapitalismus eben so tun. Sie denken an ihren
Profit, und eben nicht an die Interessen der "Allgemeinheit". Und Kultur
fördern sie nur dann und auch nur mit Almosen, wenn dies Steuervorteile
verschafft. It’s the economy, stupid! Wer eine substantielle finanzielle
Absicherung von Kultur haben möchte, der sollte die Großkonzerne stärker
besteuern und diese Einnahmen vernünftig verteilen. Kultursponsoring nach
Gutsherrenart ist jedenfalls keine Alternative.

* * *

Ähnlich ist es beim Onlinehändler Amazon. Nach dem kleinen Denkanstoß
durch einen Fernsehreport schreiben die Feuilletons der Republik nun mit
einschlägigen Besinnungsaufsätzen ihre Seiten voll.

Nur – what’s the news?

Ist ein weltweiter Konzern ein Wohlfahrtsunternehmen? Eher nicht. Ein
Konzern wie Amazon wird die bestehenden Gesetze für seine Profitzwecke so weit
ausnutzen, wie es irgend geht. Leiharbeit? Natürlich nutzt Amazon die
Möglichkeiten, die die Leiharbeit bietet. Wer das nicht möchte, sollte
Leiharbeit verbieten. Ich bin der erste, der das befürwortet.

Skandalöse Mini-Stundenlöhne? Wer das nicht will, sollte einen
flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn installieren, wie es zivilisiertere
Länder als das unsere längst kennen. Hierzulande haben SPD und Grüne den
Niedriglohnsektor erst ermöglicht und dann groß gemacht, unter großem Beifall
fast aller Medien. Und jetzt wird von Politikern der SPD und Grünen und von
ihnen nahestehenden Journalisten gejammert, daß Großkonzerne die gesetzlichen
Möglichkeiten zu ihrem Vorteil und zum Nachteil der Beschäftigten ausnutzen.
Wer hätte das gedacht! Und wenn sich Grünen-Abgeordnete jetzt im Bundestag
aufplustern und kritisieren, daß „25%
aller Beschäftigten unter prekären Bedingungen arbeiten“ (Beate
Müller-Gemmeke), oder SPD-Abgeordnete von der „Spitze eines Eisbergs“ (Klaus Barthel) im Umgang mit Leiharbeitern
sprechen, dann sollte man die roten Herren und die grünen Damen vielleicht kurz
einmal daran erinnern, daß sie selbst es waren, die mit ihrem Hartz-IV-Regime
diese Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen überhaupt erst möglich gemacht
haben, die sie nun so wortreich kritisieren. „Was für ein Ticker ist ein Politiker“ eigentlich, möchte man mit
Georg Kreisler fragen. Auf jeden Fall ein „Ver-Ticker“, nämlich jemand, der uns
ein X für ein U vertickern will...

Amazon ist nur ein Beispiel für zeitgemäße Ausbeutungsmodelle.
Kapitalisten betreiben Kapitalismus. Ausbeuter beuten aus. Profiteure machen
Profite. Wer das nicht will, sollte sich um eine andere Gesellschaft bemühen.
Oder zumindest Gesetze einfordern, die die derzeit möglichen extremen
Perversionen von Ausbeutung revidieren.

Kleine Nachbemerkung: In einem „Spiegel“-Interview mit dem
Geschäftsführer des Kölner Verlags Kiepenheuer & Witsch, Helge Malchow,
über den Streit seiner Branche mit Amazon gibt es einen interessanten Satz, der
bisher sowohl in der Amazon-„Debatte“ als auch im Geschrei um die Besitzrechte
beim Suhrkamp-Verlag nirgendwo vorkam, nämlich: Unter welchen Bedingungen
arbeiten eigentlich die Autoren? Der „Spiegel“ fragte: „Wer kommt eigentlich auf höhere Stundenlöhne: ein Leiharbeiter bei
Amazon oder ein durchschnittlich erfolgreicher Autor, der mehrere Jahre an
einem Roman schreibt?“ Die Antwort Malchows: „Lassen Sie es mich so sagen: Wenn es um den Stundenlohn ginge, würden
viele Schriftsteller sicher eine andere Arbeit ausüben.“

* * *

Oder doch mal wieder die Märchen der Brüder Grimm lesen? Da ist mitunter
mehr Antikapitalismus drin als in den Märchen unserer Politiker.

Von wegen „mein Auto, mein Haus, mein Boot“ – denken Sie an Hans im
Glück:

Gold weg, Pferd weg, Kuh weg, Schwein weg, Gans weg, Wetzstein weg,
Feldstein weg. Und doch stellt Hans im Glück abschließend fest, daß der Verlust
von Besitz ungemein befreiend ist: „'So glücklich wie ich,' rief er aus, 'gibt
es keinen Menschen unter der Sonne.' Mit leichtem Herzen und frei von aller
Last sprang er nun fort...“

* * *

Sie schrecken vor nichts zurück: Der unaufhaltbare Trend, mediokre Pop-
und Rock-Produktionen durch Hinzuziehung mediokrer Sinfonieorchester im Land
der Bildungsbürger gewissermaßen zu adeln und zu veredeln, das Marketing-Tool
also, aus einer mittelmäßigen Produktion etwas kulturell vermeintlich
Hochwertiges und der Mittelschicht besser zu Verkaufendes zu destillieren,
setzt sich ungehemmt fort: Waren es bisher eher Produktionen von Rammstein bis
Xavier Naidoo, von Selig bis Silly, von Polarkreis 18 bis Silbermond, die sich
Orchestersounds besorgten, so „riß“
das WDR-Rundfunkorchester Mitte Februar laut „Musikmarkt“ „Grenzen ein“: „WRO plays Dubstep“ hieß die Losung, unter der sich
das WRO „Titeln der Dubstep-Formation
One4ty widmete“. Es geht, wieder mal, darum, „Grenzen zwischen urbaner und klassischer Musik aufzulösen“.

Danach gibt es, nomen est omen, eine „Afterparty“ (sic), womit ziemlich genau der Ort benannt wird, in
den sich die Erfinder des Ganzen ihren Dubstep-Orchester-Abend stecken sollten.

* * *

Ach ja, die Gema. Für die Nachkommen, die in sagen wir drei oder vier
Jahrzehnten mal unsere Tage analysieren werden, dürfte diese komische
Institution ein Lehrbeispiel für eine Organisation darstellen, die mehr falsch
macht, als man falsch machen kann.

Ein paar Meldungen der letzten Wochen:

„Die Gema hindert
alte Leute am Tanzen: Nach einer Verdreifachung der Abgabenforderung muß ein
Hotel in Kaarst-Büttgen einen Seniorennachmittag stoppen.“ (Telepolis) –
Zunächst sollte die legendäre BR Space Night wegen höherer Gema-Forderungen
eingestellt werden. Mittlerweile wird die beliebte Nachtsendung des Bayerischen
Fernsehens jedoch mit Gema-freier Musik unter Creative Commons-Lizenz
weitergeführt. Das Nachsehen haben die Gema-Künstler, die künftig auf diese
BR-Tantiemen verzichten müssen. – Das Video eines aus einem Fahrzeug mit einer
Dash Cam gefilmten Meteoriteneinschlags in Rußland wurde hierzulande von der
Gema aus urheberrechtlichen Gründen gesperrt. Allerdings hat nicht etwa der
Rechteinhaber irgendwelche Ansprüche geltend gemacht. „Vielmehr wurde dem Meteoriten zum Verhängnis, daß auf dem Video das
Autoradio zu hören ist“, meldet „Telepolis“. Die Gema ist auch für das
Abkassieren hierzulande genutzter Musik zuständig, die per YouTube aus
russischen Autoradios ertönt, weswegen YouTube die „digitale Talibanisierung“ umsetzt – mit den Gema-Mächtigen konnte
YouTube bislang bekanntlich keine Einigung erzielen. – Und DJs sollen ab dem
1.April 2013 (was allerdings keinen Aprilscherz darstellt) jedes für ihre Sets
kopierte Stück einzeln bei der Gema anmelden und dafür 13 Cent abführen.
Wahrscheinlich ein Racheakt an den Clubs und DJs, die dagegen Sturm laufen, daß
die Gema die Clubs mit Abgabenerhöhungen von bis zu 2600 Prozent belegen will,
während diese zusätzlichen Einnahmen bekanntlich „zu einem sehr großen Teil gar nicht an die Elektro-Musiker, sondern an
Mainstream-Rechteinhaber ausgezahlt werden“ ("Telepolis"). –

Ach ja: Unser Künstler Chuck Prophet hat extra für seine April-Tournee
ein Promo-Video hergestellt. Sie ahnen, was jetzt kommt, nicht? Das Video, das
der Künstler selbst hergestellt hat, um u.a. seine Deutschland-Termine zu
promoten, darf hierzulande nicht gezeigt werden. Danke, Gema, für Deinen
unermüdlichen Einsatz für die Künstler und die Musikfans!

(und falls Sie clever sein sollten und Wege finden, derartige Videos
dennoch zu sehen – hier ist der Link: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=bHO97S8VM8Y ).