15.02.2013

Various 2013 02

Ein Philipp Rösler, laut Presseberichten angeblich Wirtschaftsminister
eines der reichsten Industriestaaten der Erde, berichtet dem „Handelsblatt“ bei
einem Redaktionsbesuch „von seinem
Mißtrauen gegenüber den neuen Kommunikationstechnologien. Er benutze E-Mail
höchst selten. Er wolle sich schließlich einen Rest von Privatheit behalten.“

So sind sie, unsere Politiker. Sie kokettieren mit ihrer Steinzeit-Verhaftung
und finden sich dabei auch noch unsagbar toll. Erinnern Sie sich an Herrn
Müntefering, der mit breitem Grinsen erzählt hat, daß er Internet nicht „mache“, „Papier und Schreibmaschine“ seien ihm wichtiger? Genau so sieht
die Netzpolitik dieses Landes auch aus. Die deutschen Politiker gerieren sich
als Kings of the Stone Age. Und sind sehr stolz drauf. Happy Aschermittwoch!

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Toll: Jetzt gibt’s auch ein „iTUnes Box Set“.

Mir noch bisserl unklar, worin die digitale Box genau besteht, wir wollen
uns aber nicht mit Kleinigkeiten aufhalten.

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Schönes Sprachbild des Grünen-Politikers Johannes Lichdi in der „taz“:

„Wie die Lemminge
beantragen die deutschen Innenminister ein Parteiverbot, obwohl die rechtlichen
Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.“

Die Lemminge sind halt seit jeher große Parteiverbotsbeantrager, das ist
ja sprichwörtlich.

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Noch eine gaga-Grüne: Die Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede weiß,
wie Deutschlands vorhandenes oder nicht vorhandenes „Gewaltproblem“ gelöst
werden kann. Sie verriet es dem Bayerischen Rundfunk: Unter dem Motto „Opern
statt Autobahnen“ soll einfach mehr Geld in Hochkultur gesteckt werden.

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Wie steht es im Grundgesetz dieser Republik? „Eine Zensur findet nicht
statt.“ (Artikel 5 GG)

Aber: mehr als die Hälfte aller YouTube-Klicks ist hierzulande gesperrt,
der Gema sei Dank: Nur 385 der 1.000 weltweit angesagtesten YouTube-Filme
können auch in Deutschland abgerufen werden, bei den anderen 615 bekommen
Nutzer in den meisten Fällen die bekannte Nachricht angezeigt: „...in Deutschland nicht verfügbar, weil es
möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der
Gema nicht eingeräumt wurden.“

Die Zensurquote bei den täglich von OpenDataCity weltweit ermittelten
Zahlen der gesperrten Videos liegt in Deutschland also bei 61,5 Prozent. Zum
Vergleich: In Afghanistan sind nur 4,4 Prozent der 1.000 populärsten Videos auf
YouTube nicht zu sehen, in den USA 0,9 Prozent, in Österreich und der Schweiz
1,1 bzw. 1,2 Prozent, im Südsudan 15,2 Prozent, und selbst der Vatikan ist mit
5,1 Prozent Zensurquote vergleichsweise liberal.

Der Gema-Vorstandsvorsitzende Harald Heker (Jahresgehalt laut „Berliner
Zeitung“: 484.000 Euro) hat jüngst im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“
gesagt: „Wir sind nicht der Goliath.“
Nein, sicher nicht. Und die Erde ist eine Scheibe. Wobei das selbst der Vatikan
nicht mehr glaubt.

(sehr schade übrigens, daß
die Gema-Website gut eine Woche vom Netz war...)

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„Jemand mußte
Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas wirklich Falsches getan
hätte, wurde er von einer Predator-Drohne getötet.“

Der Schriftsteller Teju Cole in der fünften seiner „Seven short stories
about drones“

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Eine leidige Fortsetzungsgeschichte: Das von der Regierung geplante
Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Nach dem renommierten Münchner
Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht hat jetzt auch
der Deutsche Anwaltverein (DAV), ein Zusammenschluß von 67.000
RechtsanwältInnen, die Einführung des vom Axel Springer-Verlag gepushten neuen
Leistungsschutzrechts als unsinnig bezeichnet: „Die Einführung eines
Leistungsschutzrechts für ‚Presseverleger’ ist sowohl rechtlich bedenklich als
auch nicht erforderlich, so daß von dem Gesetzesvorhaben insgesamt abgerückt
werden sollte. Die für die Einführung eines Leistungsschutzrechts angeführten
Argumente überzeugen nicht. (...) Es besteht also die Gefahr, daß das als Schutz
gedachte neue Recht in der Praxis leerläuft, gleichzeitig aber die
Leistungsfähigkeit sozial nützlicher Angebote wie z.B. Suchmaschinen nur auf
dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschränkt.“

Eine neue Ohrfeige von Juristen für die Bundesregierung und die
Presseverleger und ihre Lobbyisten. Und nun wundern Sie sich, daß Sie wie schon
von der Stellungnahme des Max-Planck-Instituts auch von der Stellungnahme des
DAV in Ihrer Qualitätszeitung kein Sterbenswörtchen gelesen haben? Tschah, so
ist das mit der Pressefreiheit, die Verleger und Journalisten Ihrer
Qualitätszeitung nehmen sich eben die Freiheit, Ihnen solche Stellungnahmen
vorzuenthalten.

Eine ähnliche Freiheit nimmt sich der Deutsche Bundestag. Zur Anhörung
im Rechtsausschuß des Bundestages zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage
war kein einziger Vertreter einer Suchmaschine eingeladen worden, obwohl das
Gesetz doch als „Lex Google“ durch die Medien geistert. Stattdessen wurde u.a.
der Axel-Springer-Lobbyist Christoph Keese geladen. Doch die Mehrheit der
Sachverständigen hat das geplante neue Leistungsschutzrecht förmlich zerrissen,
es ist glatt durchgefallen. Eine Live-Übertragung der Sitzung im Fernsehen
wurde übrigens vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU),
abgelehnt – neben Google mußte auch die interessierte Öffentlichkeit draußen
bleiben. Siegfried Kauder, eiserner Verfechter eines harten Urheberrechts und
daher Darling der deutschen Musikindustrie, nebenher (Siegfried Kauder ist
einer der neun Bundestagsabgeordneten, die gegen die Veröffentlichung ihrer
Nebeneinkünfte durch das Transparenzgesetz geklagt haben) auch Präsident der
„Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände“, fiel zuletzt durch ausgefuchste
Urheberrechtsverletzungen auf seiner Homepage auf und wurde von seinem
CDU-Kreisverband nicht mehr als Kandidat für die nächste Bundestagswahl
aufgestellt.