30.12.2012

Jahresbestenlisten und Erscheinungstermine

Wir schreiben den 29.Dezember 2012. Das Jahr neigt sich dem Ende zu, wie
man so schön sagt. Die Rauhnächte, zwischen den Jahren. Es wäre eigentlich ein
guter Zeitpunkt für das Staatsfernsehen, Jahresrückblicke zu senden – doch die
hat man schon seit Mitte November ausgestrahlt, ganz so, als ob das Jahr neuerdings
schon einen Monat früher enden würde, oder als ob die letzten drei, vier oder
sechs Wochen im Jahr sowieso nichts Nennenswertes mehr passieren würde und das
Staatsfernsehen das im Voraus wußte.

Es wäre vielleicht auch ein guter Zeitpunkt für die einschlägigen
Leserbefragungen nach den Lieblingsalben, den Lieblingssongs, Lieblingsfilmen
oder Lieblingsbüchern von 2012 – doch diese Befragungen haben die einschlägigen
Publikumszeitschriften natürlich längst schon im Oktober und November
absolviert und Mitte Dezember veröffentlicht, zeitgleich mit den Jahrescharts
der KritikerInnen. Nun gut, Letztere erhalten die CDs ja auch immer schon
Monate vorher, weswegen man zum Beispiel allüberall lauter große Geschichten
über das neue Album von Tocotronic lesen darf, obwohl das erst am 18.Januar
2013 erscheinen wird. Und ich dachte immer, 99% des Musikjournalismus sei als
von der Tonträgerindustrie inszenierte Konsumberatung gedacht – was aber, wenn
der Konsument sich ergibt, das jeweilige Album kaufen möchte, dann aber
feststellen muß, daß selbiges erst in einem Monat erscheinen wird? Das scheint
mir nicht klug genug überlegt, um ehrlich zu sein. Andrerseits liest ja auch
praktisch keiner mehr die Musikzeitschriften, also ist es vielleicht sowieso
egal.

Die Monatsmagazine erscheinen ja generell schon lange nicht mehr in dem
Monat, der vorne auf der Titelseite aufgedruckt ist. Chip Januar? Kommt Ende
November oder so. Musikexpress 1/2013? Wurde am 13.Dezember 2012 ausgeliefert.
Die britischen Musikmagazine wie Mojo oder Uncut erscheinen circa zwei Monate
vorher, allmählich muß man loslaufen, um das Februar-Heft 2013 noch zu
ergattern. Was das alles soll? Ich weiß es nicht, ich habe es noch nie
verstanden. Aber ich würde den Tageszeitungen, die doch so vehement unter Leserschwund
leiden, dringend empfehlen, das Geschäftsmodell der Zeitschriften und des
Staatsfernsehens nachzuahmen. Die Tageszeitung von heute? Nichts könnte
langweiliger sein! Veröffentlichen Sie doch bitte alle Ausgaben mindestens
fünf, besser zehn Tage im Voraus! Die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom
31.12.2012 sollte rechtzeitig vor Weihnachten ausgeliefert worden sein! Die
Ausgabe der FAZ vom 5.1.2013 erwarte ich am Montag, dem 31.12.2012, in meinem
Briefkasten! Und Mitte Januar wird es höchste Zeit für die Osterausgaben. Die
taz kann dann ja erscheinen, wann sie will. Vielleicht ist so der deutsche
Qualitätsjournalismus noch zu retten...

Und ansonsten warte ich natürlich schon ganz zappelig auf die ersten
Jahresbestenlisten 2013, die spätestens in den März-Ausgaben einschlägiger
Magazine erscheinen dürften.