Liao Yiwu
Was den chinesischen Autor Liao Yiwu angeht, halte
ich es wie Christian Y. Schmidt – man „möchte
keinen Mann kritisieren, der allein wegen eines Gedichts vier Jahre in einem
chinesischen Gefängnis eingesperrt war“, so Schmidt in der „taz“.
Also nehmen wir den Quark, den Liao Yiwu bei
seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels
gesagt hat, ebenso stillschweigend hin und in Kauf wie das esoterisch anmutende
Lied, das er den Dalai Lama-Fans bei eben dieser Gelegenheit zum und in den Küchentopf
sang.
Nehmen wir hin, daß Liao Yiwu den Großkopferten
aller Lager, die da in der Frankfurter Paulskirche Beifall klatschten, Zeugs
erzählt hat wie, daß es in China ein „Wertesystem
des Drecks“ gebe, „das den Profit
über alles stellt“ – also, in China, wohlgemerkt. Nun ja.
Was allerdings nicht unkommentiert bleiben darf,
ist die Reaktion des Publikums wie des hiesigen Feuilletons auf Liao Yiwus mehrfach
und auch auf deutsch wiederholte Forderung, „dieses
Imperium, dieses Großreich muß auseinanderbrechen“ – entlang seiner
ethnischen Grenzen, am besten aber noch einmal in viel kleinere Einheiten, in
denen „die Leute alt werden und sterben,
ohne sich je besucht zu haben“. Christian Y. Schmidt schreibt dazu: „Dieser Satz ist nichts weiter als ein
Plädoyer für die Rückkehr zur Stammesgesellschaft, in der Fremde nur als Gast
geduldet werden. Er dürfte auch bei den Taliban großen Anklang finden.
Jedenfalls herrscht überall auf der Welt, wo versucht wird, diese „Utopie“
(Liao Yiwu) zu realisieren, Mord- und Totschlag“.
Daß das Publikum in Frankfurt „diesem reaktionären Gerede“ (Schmidt) geschlossen stehende
Ovationen zollte, daß am Tag danach die Feuilletons in einem Land, das bekanntlich
eine „strategische Partnerschaft“ mit China unterhält, diese „zurück in die
Steinzeit“-Rede geschlossen bejubelten – das ist entsetzlich. Es ist allerdings,
zugegeben, keine allzu große Überraschung.