29.06.2012

Walther Rathenau

Zum 90. Todestag von Walther Rathenau, des jüdischen
Industriellen (AEG), Schriftstellers und Außenministers, der von
Rechtsradikalen ermordet wurde, braut sich allerlei Gedenken zusammen: zu einer
Gedenkveranstaltung auf dem Waldfriedhof Oberschönweide werden
Bundesaußenminister Westerwelle (FDP) und Berlins Kulturstaatssekretär Schmitz
(SPD) erwartet. Ein sogenannter „Industriesalon Schöneweide“ beginnt in
Kooperation mit dem Heimatverein Köpenick eine Veranstaltungsreihe „zum Wirken
der Familie Rathenau, die Schöneweide entscheidend geprägt hat“. Eine Website
namens „Neue Solidarität“, die mit der rechtsradikalen Politsekte der
Zepp-LaRouches verbandelt ist, schreibt „in Gedenken an Walther Rathenau:
Führungsstärke in Krisenzeiten“ von „britisch-imperialer Politik“, der sich
einzig Rathenau entgegengesetzt habe. Während in und um Bad Kösen
(Sachsen-Anhalt) Neonazis der Mörder Rathenaus gedenken – all dies erfährt man
auf der ersten Seite der Google-Ergebnisse zu „Rathenau Gedenken“.

Vielleicht könnte man Walther Rathenau am besten ehren, wenn
man sich mit einigen seiner Gedanken beschäftigen würde, die er etwa in „Von
kommenden Dingen“ geschrieben hat und die relativ nah an dem sind, für das die
neue Linken-Vorsitzende zuletzt von den bundesdeutschen Medien gescholten wird:

„Oberhalb einer
mäßigen Vermögenseinheit gehört jeder Nachlaß dem Staat“, fordert Rathenau,
der im Erbrecht die Wurzel der ungleichen Vermögens- und Machtverteilung sah
und das Erbrecht daher abschaffen wollte. Wenn eine Familie mehr als 3000 Mark
im Jahr verbrauche, solle dem Staat auf jede weitere Mark des weiteren Konsums
eine weitere Mark zustehen, forderte Rathenau ebenso wie strikt abschreckende
Steuern auf Luxuswaren und „übermäßigen
Verbrauchsgenuß“.

Ob Westerwelle oder Schmitz bei ihren Reden diese Gedanken
Walther Rathenaus aufgenommen haben, weiß ich nicht.