13.08.2018

Ein Fünftel der Deutschen lebt in Armut

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat am 7.8.2018 sein Jahresgutachten vorgestellt. Fazit: Ein Fünftel der Bevölkerung lebt in Armut!
Im Einzelnen: In der Bundesrepublik hat sich ein stabiler Armutssockel gebildet. 9,5 Prozent der Bevölkerung – 7,86 Millionen Menschen – waren 2017 zum Überleben auf Mindestsicherungsleistungen (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Grundsicherung im Alter) angewiesen. 2010 lag diese Zahl noch bei 7,18 Millionen. Beinahe jeder zehnte Deutsche lebt also in einer Zone absoluter Armut, die sogar in einer mehrjährigen Phase kapitalistischer Konjunktur nicht nur nicht schrumpft, sondern weiter wächst.

Die Tendenz zur Verfestigung von Armut nennt das Gutachten »dramatisch«. Und es verweist auf eine »Dunkelziffer der Armut«, an die man sich bei der nächsten Gespensterdebatte über »großflächigen Sozialmissbrauch« erinnern sollte: Der Wohlfahrtsverband geht davon aus, dass mindestens 40 und maximal 60 Prozent der Berechtigten aus »Unwissenheit, Scham oder Stolz« darauf verzichten, die ihnen nach der Gesetzeslage zustehenden Leistungen in Anspruch zu nehmen. Sollte das zutreffen, dann lebt real rund ein Fünftel der deutschen Bevölkerung in mehr oder weniger vollständiger Armut. Den Anteil der von »Armut oder sozialer Ausgrenzung« betroffenen Menschen an der Gesamtbevölkerung gibt der Wohlfahrtsverband mit 19,7 Prozent an.

Hier wurden die Menschen, die Leistungen aus der regulären Arbeitslosenversicherung beziehen und als Erwerbslose in der amtlichen Statistik auftauchen, noch nicht einmal mitgezählt. Obwohl die Zahl der Erwerbstätigen seit 2011 um 2,7 Millionen gestiegen ist, weist die amtliche Statistik noch immer 2,69 Millionen und damit nur 440.000 Erwerbslose weniger aus als vor sieben Jahren. Der Beschäftigungszuwachs, so das Gutachten, speise sich also vor allem aus dem Ausland und aus der »stillen Reserve«. Das sind arbeitsfähige Erwachsene, die dauerhaft oder vorübergehend keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, dabei aber nicht als erwerbslos registriert sind.

Wer arbeitet, ist materiell häufig nur wenig besser dran: Beinahe ein Viertel (22,6 Prozent) aller abhängig Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnsektor. Dieser Anteil, so das Gutachten, sei jüngst ein wenig zurückgegangen, habe sich aber »auf einem hohen Niveau stabilisiert«.

(zitiert lt. "Junge Welt", 8.8.2018)