08.12.2012

Stefan Herwigs Informationsportal

Stefan Herwig ist ein umtriebiger Typ. Er betreibt
ein Label, und ihm gehört eine Agentur, die „Kreativwirtschaftsunternehmen und
-verbände“ hinsichtlich der Auswirkung von Digitalisierung berät. Er ist ein
großer Fan des Urheberrechts und beschimpft gerne Politiker wie den „Piraten“
Bruno Kramm auch mal, daß der „auf dem
besten Wege“ sei, „zum Joseph
Goebbels der Netzkultur zu werden“. Ansonsten beauftragt Herwig auch mal
Abmahnanwälte, um angebliche Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen.

Nun hat Herwig ein neues Projekt gestartet, er hat
ein „musikwirtschaftliches
Informationsportal“ initiiert, dessen Ziel es sein soll, „ein authentisches Bild einer
arbeitsteiligen Musikwirtschaft zu zeigen, die in der Öffentlichkeit gerne
verzerrt dargestellt wird“. Ein fünfköpfiger Beirat soll die „redaktionelle Unabhängigkeit“
überwachen. Man kann sich vorstellen, wie das alles aussieht. Aber wer
finanziert das Ganze? Da hat Herwig einen Coup gelandet, denn Sie werdens nicht
glauben: Das Geld für seine Propaganda bekommt der Copyright-Fan-Club von der
staatlichen „Initiative Musik“. Copyright-Propaganda auf Staatskosten, ganz wie
in der DDR.

26.11.2012

Streamingdienste und Qualitätsjournalismus

Qualitätsjournalismus in der „Süddeutschen
Zeitung“:

„Um heute
auf Platz sieben der meistverkauften Alben (in den USA, BS) zu kommen, benötigt
man heute 39 000 verkaufte Tonträger“, schreibt ein Bernd Graff in der
bairischen Renommierzeitung mit doppeltem „heute“, aber leider auch doppelt
falsch. Es stimmt zwar, daß in der Woche, in der die Band „Grizzly Bear“, an
der Graff seinen vor Unsinnigkeiten nur so strotzenden Artikel über
„Musiker-Einkünfte im Internet-Zeitalter“ aufhängt, die von ihnen verkauften 39
000 Tonträger für Platz 7 der US-Charts ausreichten. Es gab aber auch Wochen,
in der man mit dieser Zahl auf Platz 1 oder 2 gelandet wäre. Während es auch
Wochen gibt, in der man mit dieser Zahl auf Platz 10 oder noch tiefer landet.

Doch es kommt noch schlimmer. Graff behauptet in
einem Absatz zu Streaming-Diensten, deren Modell der Journalist sowieso nicht
kapiert hat, daß „Adele ihre letzten
Alben nicht bei Spotify platziert haben wollte“. Was einfach eine unwahre
Behauptung ist und sich durch kurzes Einwählen auf Spotify hätte klären lassen,
wo sich die Adele-Alben sofort finden. Aber dann wäre die Behauptung, die den
Kern seines mißlungenen und inkompetenten Artikels darstellt, in sich
zusammengefallen, nämlich, daß Künstler angeblich bei Spotify kein Geld
verdienen. Der Gründer und Chef von Adeles Plattenfirma, Martin Mills, eines
der Urgesteine der unabhängigen Plattenindustrie, erklärt das genaue Gegenteil,
wir hatten es an dieser Stelle schon einmal zitiert: „Einige
unserer Künstler – gerade die, die wir im Katalog führen – stellen bei der
Honorarabrechnung fest, daß sie bei einigen Tracks via Streaming mehr verdienen
als durch andere Quellen. Für Beggars zahlt sich das um ein vielfaches mehr aus
als Radio-Airplay. Deshalb sind wir große Streaming-Unterstützer.“

Aber wenn man eine kompetente Geschichte zu diesem
durchaus wichtigen, aber eben auch recht komplexen Thema hätte schreiben
wollen, dann hätte der Herr Journalist, der seinen Behauptungsjournalismus für
die bairische Qualitätszeitung betreibt, natürlich etwas tun müssen, was ihm
ein Fremdwort ist, nämlich: recherchieren. Sowas können sie, so was wollen sie
heutzutage in aller Regel nicht mehr. Gedruckt wird in München scheinbar alles,
und mit erfundenen Stories hat das Magazin der Qualitätszeitung ja seine ganz
eigenen Erfahrungen (wobei Tom Kummer wenigstens schreiben konnte...).

(und damit wir uns nicht mißverstehen: ich bin kein
Fan von Streaming-Diensten, eher im Gegenteil, aber darum geht es hier auch gar nicht)

24.11.2012

Grüne und Xavier Naidoo

Im letzten Rundbrief haben wir über die Ergüsse von
Xavas, dem Gemeinschaftsprojekt von Xavier Naidoo und Kool Savas, berichtet
(Textprobe: „Wo sind unsere starken
Männer, wo sind unsere Führer, wo sind sie jetzt?“).

Und jetzt raten Sie mal, welche deutsche Partei
auf ihren Regionalversammlungen zum Abschluß (also da, wo bei der Hanns-Seidel-Stiftung
die Bayernhymne gesungen werden würde) Musik von Xavier Naidoo spielen läßt.
Na?

Genau, es sind unsere Grünen. „Sag mal, hast du das gesehn? Das hat die Welt noch nicht gesehn“
von Xavier Naidoo lief laut „Spiegel“ zum Abschluß der Bochumer Regionalversammlung,
bei der sich die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl vorgestellt haben,
von Trittin bis Roth. „Wo sind unsere Führer“ also, quasi, auf alternativ
gestrickt.

24.11.2012

HAnns-Seidel-Stiftung und Preis für Liedermacher

Die Hanns-Seidel-Stiftung, die „parteinahe“
Stiftung der CSU, schreibt einen „Förderpreis für junge Liedermacher 2013“ aus
unter dem Titel „Visionen für Europa – Lieder die Brücken bauen“
(Zeichensetzung ist bei den Konservativen a thing of the past). Und, hurra: „Die Preisträger werden im Rahmen der
kulturellen Veranstaltung „Songs an einem Sommerabend“ in drei öffentlichen
Auftritten in Kloster Banz präsentiert.“

Die Veranstaltung „Songs an einem Sommerabend“ ist
übrigens ein Konzert des Bayerischen Rundfunks, auch Künstler dieser Agentur
haben dort schon gespielt, neben Konstantin Wecker, Hannes Wader oder Reinhard
Mey. Bis ich irgendwann im Abspann der Fernsehsendung mal diesen
kleingedruckten Hinweis auf die „Hanns-Seidel-Stiftung“ sah – so ist das eben
in Bayern: Die CSU-nahe Parteistiftung finanziert dem Staatsfernsehen eine
Liedermachersendung. Schon klar, daß dort keine allzu progressiven Aussagen
gemacht werden...

Im „Spiegel“ (46/2012) wurde dieser Tage
aufgedeckt, daß die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung „vom Vermögen zweier Nazis der ersten Stunde profitiert“ und „bis heute verleiht sie einen Preis nach den
Vorgaben“ der beiden Nazis – mit deren Geld wird seit 1984 der „Tag der
Volksmusik“ mit Preisverleihung im Wildbad Kreuth ausgerichtet. Im erweiterten
Vorstand der Hanns-Seidel-Stiftung sitzen u.a. Bayerns Ministerpräsident
Seehofer und CSU-Ehrenvorsitzender Stoiber. Stiftungschef ist Hans Zehetmair,
früher bayerischer Kultusminister und stellvertretender Ministerpräsident.

24.11.2012

Heidi Klum und ihr Teleprompter

Heidi Klum, die Moderatorin der MTV Awards, im
Interview mit der „Berliner Zeitung“:

„Wenn ich
mein Script bekommen habe (denn sie kann natürlich nicht wirklich
moderieren, so wie die Kastelruther Spatzen nicht selber Musik machen können –
zumindest keine, die man öffentlich präsentieren kann... Fernsehen ist Fake...
und was Frau Klum macht, ist Texte auswendig lernen und aufsagen, die andere
für sie geschrieben haben... BS), lerne
ich es auswendig, ich bin ja keine professionelle Moderatorin. Deswegen bin ich
beim Moderieren besonders nervös, schwitze viel und lecke vor Nervosität
dauernd meine Lippen ab (...) Aber je besser ich meine Texte im Teleprompter
von A nach B lese, desto besser geht’s.“

Und welche Situation wäre Ihr größter Alptraum?

„Wenn der
Teleprompter nicht funktionieren würde und ich mir spontan selbst eine
Moderation ausdenken müßte.“

Nun, das wäre wohl auch für die Zuschauer der
größte denkbare Alptraum...

24.11.2012

Apple beutet Mitarbeiter aus

„Hinter den
Hochglanzfassaden deutscher Apple Stores beklagen Mitarbeiter magere Gehälter,
Dauerüberwachung und eine Diktatur der guten Laune“, berichtet der
„Spiegel“.

Mal ehrlich – ist das jetzt für irgend jemanden
eine Überraschung? Der Apple-Konzern ist einer der profitabelsten der Welt. Und
das hat eben seinen Preis. Apple beutet die Arbeiter in China aus und die
Angestellten in Deutschland und wahrscheinlich auch im Rest der Welt. Und Apple
nutzt jede Möglichkeit zur Steuertrickserei und zahlt nur 1,9 Prozent Steuern.
Und das alles ist systemisch. (Und dieser Text wurde auf einem Apple Laptop
geschrieben, klar, ich weiß...)

24.11.2012

FAZ-Reiseteil und JAmes Bond

Und dann ist der ganze Reise-Teil der „FAZ“ vom
1.November voll mit James Bond-Stories, passend zur Veröffentlichung des neuen
Bond-Films am selben Tag – da soll noch einer sagen, die Kulturindustrie wisse
nicht, wie man Hand in Hand mit der natürlich wahnsinnig unabhängigen Presse
Werbung bei den Konsumenten macht, die Tiefenwirkung entfaltet und nicht sofort
wie Konsumberatung daherkommt. Auf der Titelseite „Die Venus des Agenten“, über
James Bond auf Jamaika. Und dann ist das ganze Reiseblatt der FAZ voll von
James Bond-Artikeln, James Bond in Bregenz, James Bond in der Schweiz, in
Istanbul, Venedig und Tokio („Die Feinheiten fernöstlicher Liebeskunst“, echter
Qualitätsjournalismus eben).

Und was finden wir auf der letzten Seite des
„FAZ“-Reiseblatts? Eine ganzseitige Anzeige von Omega für eine ihrer Uhren, mit
dem James Bond-Darsteller als Werbeträger. Und so hat sich der ganze Aufwand
wieder einmal für alle gelohnt. Zeitung als Palimpsest für die Produkte der
Markenartikler, läuft alles wie geschmiert.

24.11.2012

USA - Obama-Wahl & Land der Freien

Schlagzeile im „Handelsblatt“ vom 2.11.2012:
„Anleger fürchten Obamas Wiederwahl.“

Schlagzeile auf „SPON“ am gleichen Tag: „Warum
Anleger auf Obama hoffen.“

Wirtschaftsexperten unter sich. Der Schimpanse,
der einen Dartpfeil auf Prognosen wirft, erzielt bekanntlich bessere
Ergebnisse. Er kann halt nur leider keine Medien vollschreiben...

Und mittlerweile haben „die USA“ gewählt, wie man
gemeinhin so leichtsinnig sagt. Doch: haben sie wirklich? Mal abgesehen von der
Frage, ob es eine Wahl im eigentlichen Sinne gab – aber aufgrund
verschiedenster Varianten, mit denen die Herrschenden die Stimmabgabe in den
USA erschweren (man spreche mal mit US-Künstlern und lasse sich die Details
erzählen, von Wahlmaschinen, die bei leicht fehlerhafter Benutzung automatisch
die Kandidaten der Republikaner ausspucken, bis zur Eintragung in
Wählerverzeichnisse, die die potentiellen Wähler selbst veranlassen müssen),
hat Präsident Obama etwa ein Viertel der potentiellen Wählerstimmen erhalten.
Was im Umkehrschluß natürlich heißt, daß ihn drei Viertel der amerikanischen
Wähler nicht gewählt hat...
Musterland der Demokratie eben.

Doch was dem „Land der Freien“ recht ist, ist uns
billig: die „mächtigste Frau der Welt“, die ehemalige FDJ-Funktionärin Angela
Merkel, erhielt bei der letzten Bundestagswahl 2009 nur knapp 24 Prozent der
Stimmen aller Wahlberechtigten...

24.11.2012

Überwachungsstaat BRD - Funkzellenabfrage

Überwachungsstaat BRD 2012, neue Folge:

Die Berliner Polizei hat zwischen 2009 und Juli
2012 mehr als 6,6 Millionen Datensätze von Mobilfunkbetreibern erhalten – die
Berliner Polizei griff schon zu Zeiten der rot-roten Stadtregierung trotz
scharfer Kritik immer wieder gerne zur umstrittenen Funkzellenabfrage und setzt
dies unter dem rot-schwarzen Senat munter fort. Hinzu kommt noch die Rekordzahl
von 1,5 Millionen legal belauschten Telefongesprächen allein im Jahr 2011
allein in Berlin!

Bei der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage
wird ausgewertet, welches Mobiltelefon zu welchem Zeitpunkt in einem bestimmten
Gebiet war – unser aller Daten werden also abgefragt, sobald wir zufällig in
einem von der Polizei überwachten Gebiet rumlaufen – allein die Anwesenheit in
einem Berliner Kiez zur falschen Zeit macht alle BürgerInnen verdächtig. Wir
tragen eine „Ortungswanze in der Tasche“ (Constanze Kurz)

Von den 6,6 Millionen Datensätzen gab es übrigens
nur in 116 Fällen brauchbare Hinweise – bei der flächendeckenden
Polizeiüberwachung muß es also um etwas anderes gehen... „Die Funktionäre der
staatlichen Ermittler treten immer entschiedener als Lobbyisten solcher
strategischen technischen Überwachungsmaßnahmen auf.“ (Constanze Kurz in der
„FAZ“)

02.11.2012

Chris Dercon & Ai Weiwei

In
der „Süddeutschen Zeitung“ lesen wir, wie Chris Dercon, einer der
einflußreichsten Kunst-Funktionäre der Welt und aktuell Direktor der Londoner
„Tate Gallery“, die Kunst der ganzen Welt einkauft: „London hat großes Potential - schon wegen der enormen Präsenz von
Reichen. Dazu gehören Altreiche, aber noch öfter Neureiche, die aus
Lateinamerika oder dem Mittleren Osten stammen und sich gerne in unseren
Ankaufskommissionen engagieren. Wir treffen uns jährlich in New York und Miami
und schlagen vor, welche Arbeiten wir ankaufen sollten. Derzeit arbeiten wir daran,
das gesamte 'Musee d'art contemporain de l"Afrique' von Meschac Gaba
anzukaufen.“ Ekelhafter Neo-Kolonialismus.

Chris
Dercon ist Fan und Unterstützer von Ai Weiwei und hat ihm in seiner früheren
Funktion als Chef des Münchner Hauses der Kunst (oder sollte man in dem Fall
nicht auf den historischen Titel zurückgreifen und „Haus der deutschen Kunst“
sagen?) 2009 eine Sonderausstellung „So sorry“ ausgerichtet und, nachdem er im
Juni 2010 zum neuen Direktor der Londoner Tate Gallery bestimmt wurde, von Oktober
2010 bis Mai 2011 in seinem Londoner Museum Ai Weiweis Schau mit 100 Millionen
Sonnenblumenkernen, die Ai Weiwei in China aus Porzellan hatte herstellen
lassen; finanziert wurden die Kerne vom Unilever-Konzern – 100 Kilo der
Sonnenblumenkerne Ai Weiweis tauchten später bei Sotheby’s London auf und
wurden für sage und schreibe 560.000 US Dollar versteigert...

Der
Deutschen Lieblings-Dissident – oder „Ai Reirei, der Dissident aus der Tube“,
wie Wiglaf Droste ihn nach seinem jüngsten YouTube-Video (in Deutschland
zensiert) nannte – wird übrigens 2013 den deutschen Pavillon bei der Biennale
in Venedig bespielen. Dieses YouTube-Video, das sehr schön zeigt, wie
unser Lieblings-Dissident seinem Förderer Chris Dercon zu zünftiger Blasmusik
den Kopf massiert, ist bei YouTube derzeit noch unzensiert zu sehen – Gorny
& GEMA, übernehmen Sie! Todsicher liegen auf der Blasmusik, die da im
Münchner Hofbräuhaus gespielt wird, wertvolle Rechte der deutschen
Musikindustrie!

01.11.2012

Überwachungsstaat

Die Bundesregierung, die nicht einmal die
wichtigsten Dinge des digitalen Alltags endlich verbraucherfreundlich
gesetzgeberisch regelt, macht sich im Gegensatz daran, dieses Land in einen
Polizei- und Spitzelstaat umzuwandeln: Soeben hat die Bundesregierung einen
Gesetzentwurf verabschiedet, der einen fundamentalen Eingriff ins
Fernmelderecht und einen weiteren Schritt in Richtung Überwachungsstaat
darstellt.

Wie „heise online“ berichtet, sollen
Internetprovider zukünftig auch dynamische IP-Adressen zuordnen und dazu verpflichtet
werden, diese auf schlichte Nachfrage von Behörden – also ohne Richtervorbehalt
oder zumindest staatsanwaltliche Anordnung, wie es das Fernmeldegesetz bisher
vorschreibt – auszuhändigen.

Stefan Krempl schreibt dazu bei „heise online“: „Im heise online vorliegenden Entwurf wird
betont, daß die Auskunftspflicht auch für Daten wie PIN-Codes und Passwörter
gilt, mit denen der Zugriff auf Endgeräte oder damit verknüpfte
Speichereinrichtungen geschützt wird. Dies könnte sich etwa auf Mailboxen oder
in der Cloud vorgehaltene Informationen beziehen.“ Im Klartext: Behörden
können zukünftig auf alle durch Paßwörter gesicherte Informationen
zurückgreifen, sei es auf private Mailboxen oder Email-Konten, sei es auf
sämtliche z.B. in der Cloud gespeicherten Informationen.

Weiter Stefan Krempl: „Telecom-Anbieter müssen die erwünschten Daten "unverzüglich und
vollständig übermitteln". Über derlei Maßnahmen haben sie gegenüber ihren
Kunden sowie Dritten Stillschweigen zu wahren. Provider, die über 100.000
Kunden haben, müssen für die Abwicklung der Anfragen zudem "eine
gesicherte elektronische Schnittstelle" bereithalten. Dabei sei dafür
Sorge zu tragen, daß jedes Auskunftsverlangen durch eine verantwortliche
Fachkraft formal geprüft werde.“ Im Klartext: Wir werden zum gläsernen
Bürger. Und wir sollen nichts davon mitbekommen, wenn die Behörden uns
jederzeit durchleuchten.

Weiter Krempl bei „heise online“: „Zudem soll in die Strafprozeßordnung ein
Paragraph 100 j neu eingefügt werden. Demnach wäre Auskunft zu erteilen,
soweit dies für die Erforschung eines Sachverhalts oder die Ermittlung des
Aufenthaltsorts eines Beschuldigten erforderlich ist. Darüber hinaus sollen die
einschlägigen Gesetze für das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, den
Zollfahndungsdienst, den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den
Militärischen Abschirmdienst angepaßt werden, da Mitarbeiter all dieser
Behörden als Auskunftsberechtigte vorgesehen sind.“ Im Klartext: Die
Aushöhlung des Fernmeldegesetzes und die Aushöhlung der Grundrechte der Bürger
soll umfassend und jederzeit geschehen. Alle Bundesbehörden und Geheimdienste
sollen jederzeit alle BürgerInnen umfassend überwachen dürfen, ohne daß wir das
merken bzw. überhaupt noch, wie nach der jetzigen Gesetzeslage, darüber
wenigstens nachträglich informiert werden.

„In
Providerkreisen wird der Vorstoß dagegen als problematisch eingestuft.
Angesichts der Tatsache, daß ein Eingriff in das Fernmeldegeheimnis erfolge,
seien nur unzureichende grundrechtssichernde Regelungen enthalten, warnen
Branchenvertreter. So sei einerseits die Zahl der abfragenden Stellen nicht
überschaubar, anderseits gebe es keine Beschränkung auf bestimmte Delikte. So
könne nach Landesrecht eine Vielzahl weiterer Behörden Auskünfte verlangen, um
bei Ordnungswidrigkeiten oder zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche
Sicherheit tätig zu werden. Sonst übliche Schutzvorkehrungen wie ein
Richtervorbehalt oder zumindest eine staatsanwaltliche Anordnung seien nicht
vorgesehen.“ (Stefan Krempl)

Im Klartext: Der Stasi-Überwachungsstaat der DDR
war ein Kindergeburtstag gegen das, was die Bundesregierung hierzulande plant.

Das „Gute“ daran ist: Wir wissen jetzt immerhin,
was die Regierung wirklich vorhat, und was diese Bundesregierung tatsächlich
von den im Grundgesetz festgehaltenen Grundrechten hält. Und wo Unrecht Recht
wird, ist Widerstand bekanntlich Pflicht!

01.11.2012

Und Ansonsten 11/2012

Daß es nur ein Mythos ist, daß sich Radio-DJs und
Radio-Macher nach Hören und nach Qualität für die Musik entscheiden würden, die
sie im Radio spielen, ist eine Weisheit der Marke Binsen (und die bekannten
Ausnahmen bestätigen diese Regel).

Ein besonders perfides Druckmittel, mit dem die
Tonträgerindustrie darüber mitentscheidet, was gespielt wird und was nicht,
stellte die wichtigste französische Fernsehzeitschrift „Telerama“ Mitte Oktober
in einem gut recherchierten Artikel vor (hierzulande via „Perlentaucher“): Man
nennt es „Co-Ausnutzung“. Ein Radiosender beschließt, über seine Playlist und
mittels deutlich rabattierter Werbung eine Band oder einen Sänger zu
unterstützen. Im Gegenzug erhält der Radiosender Prozente aus den Einnahmen vom
CD-Verkauf, häufig mit einem garantierten Minimum. Heißt: je öfter der Sender
den Titel spielt, desto mehr Tonträger werden verkauft, und desto größer die
Chancen des Senders, damit Geld zu machen über die garantierte
Verkaufsbeteiligung.

Wer französisch versteht, kann die Recherche von
Valerie Lehoux aus „Telerama“ mit dem schönen Titel „La musique à la radio,
bonjour business?“ hier nachlesen:

http://www.telerama.fr/radio/la-musique-a-la-radio-bonjour-business,8793...

Ob jemand garantieren kann, daß solche Praktiken
hierzulande nicht vorkommen? Ob all unsere Radiomacher ihre Playlisten redlich
und unbestochen zusammenstellen?

* * *

Das italienische Pendant zur deutschen GEMA, die
sogenannte SCF, hat sich dieser Tage ein Mussolini-Gesetz zunutze gemacht, um
bei den Konzertveranstaltern zusätzlich abkassieren zu können. Unser
italienischer Partner hat uns informiert, daß sich die SCF neuerdings auf das
italienische Gesetz Nr. 633, verabschiedet am 22.April 1941, beruft, um von
Veranstaltern und Künstlern, die vor und nach ihrem Konzert noch Musik vom Band
abspielen, zusätzlich zur ohnedies anfallenden Verwertungsgebühr nochmal
abzukassieren. Bislang war dieses Mussolini-Gesetz stillschweigend unter den
Tisch gefallen.

Die SCF sendet nun Spitzel aus, die überprüfen, ob
bei den Konzerten vorher und nachher Verwertungsrechts-relevante Musik
abgespielt wird, und kassieren dann doppelt bei den Konzertveranstaltern ab.

Calexico haben angesichts ihrer beiden
Italien-Konzerte im November verfügt, daß dann eben vor und nach ihren
Konzerten Stille sein soll.

Schon interessant, wie es die
Verwertungsgesellschaften immer mit den Faschisten haben, nicht? Die italienische
SCF bezieht sich auf ein Mussolini-Gesetz, während die deutsche GEMA
bekanntlich die Nachfolgeorganisation der 1933 von Goebbels zu einer
Monopolorganisation zwangszusammengeführten STAGMA ist - „die
in den Jahren 1933/34 verfügte monopolistische
Ausschließlichkeit der Wahrnehmung der Musikverwertungsrechte ist erhalten
geblieben“, betonte der dieses Jahr verstorbene Komponist und Musikwissenschaftler
Hans G Helms.

* * *

Und drollig ist sie auch, unsre GEMA, sie macht
immer wieder Spaß – wenn es nicht gleichzeitig zum Heulen wäre. Jetzt ließ die
Gema in einer Infratest-„Studie“ beweisen, was sowieso jeder wußte – nämlich „den hohen Stellenwert, den Musik
hierzulande genießt“. 90 Prozent der Deutschen halten es der
Infratest-Umfrage zufolge für „wichtig,
daß Musikschaffende angemessen für ihre schöpferische Leistung bezahlt werden“,
faßt die GEMA zusammen – was für eine Überraschung! Die Umfrage unter sage und
schreibe 1004 Personen brachte außerdem angeblich an den Tag, daß im
Durchschnitt 30 Prozent der Eintrittsgelder für die Musikurheber angesetzt
werden sollen.

Nur – wenn man sich die Umfrage genauer ansieht,
kann davon keine Rede sein. Die Gema wäre nicht ein bekloppter Gangsterladen
oder, wie Marek Lieberberg gesagt hat, „ein Ministerium der Angst“ mit einem „allmächtigen Vorstand, der Kadavergehorsam verlangt“, eine
Institution, die mit „ihrer Politik in
der Kreativwirtschaft Angst und Schrecken verbreitet“, wenn sie nicht die
von ihr in Auftrag gegebene Umfrage so manipuliert hätte, daß auch ja
herauskommt, was herauskommen soll.

Wobei,
die GEMA kann nicht mal die Ergebnisse der eigenen Umfrage korrekt
zusammenfassen – wie Stefan Niggemeier in seinem Blog nachweist, haben sich die
genannten 90 Prozent der Deutschen nicht etwa für eine „angemessene“ Vergütung
der „Musikschaffenden“ ausgesprochen, sondern sie haben bloß gesagt, daß sie es
angemessen finden, daß Komponisten und Texter eine Vergütung bekommen. Was ja
schon etwas anderes ist, solange die deutsche Sprache und Logik noch Sinn machen.

Wenn
die GEMA behauptet, daß die Befragten „30,1 Prozent des Eintrittsgeldes“ für
eine angemessene Vergütung halten würden, ist das schlicht gelogen, denn in
Wahrheit bezieht sich die Zahl nicht auf die Gesamtheit der Befragten, sondern
nur auf die 90 Prozent, die in der Frage vorher angegeben hatten, daß sie eine
Vergütung grundsätzlich für angemessen halten – die fehlenden gut 9 Prozent
läßt die GEMA in ihrer Interpretation der Umfrage einfach unter den Tisch
fallen. Wenn man sich die Umfrage dann genauer ansieht, merkt man, daß die GEMA
mit einer Vielzahl von Taschenspielertricks die Ergebnisse der von ihr in
Auftrag gegebenen Umfrage irgendwie hinbiegt. Laut GEMA gibt es „eine Art Konsens unter den Deutschen, daß
gut 30 Prozent des Eintrittsgeldes bei einer Musikveranstaltung an die Urheber
gehen soll“ (Niggemeier), während die Wahrheit ist, daß erstens immerhin 56
Prozent der Befragten, also eine deutliche Mehrheit, genau das Gegenteil,
nämlich Anteile von weniger als 30
Prozent als angemessen genannt haben, und gerade einmal 29 Prozent der
Befragten für eine Beteiligung von mehr als 30 Prozent plädierten.

Vor
allem aber: die Fragestellung von Infratest ist natürlich hochmanipulativ. Wenn
man 1004 Bundesbürger fragt, ob sie es angemessen finden, daß Bäcker für ihre
Brötchen bezahlt werden, dürften mindestens 90 Prozent mit „ja“ antworten,
gewiß. Wenn man aber detailliert nachfragt, welche Anteile des Preises eines
Brötchens an den Staat (via Mehrwertsteuer), an den Bäcker, an den
Bäckereifachangestellten, an den Mehlfabrikanten usw. gehen soll, wird man eine
andere, eine differenziertere Antwort erhalten. Ich wage die Behauptung, daß
ein Großteil der Befragten nicht wußte, daß es nicht darum geht, daß die Musiker einen Anteil von den
Eintrittsgeldern erhalten, sondern die Urheber,
was ja nicht immer und automatisch identisch ist. Und um welche Veranstaltungen
soll es gehen? Um Konzerte? Diskos? Kindergartenumzüge (bei denen die Gema ja
bekanntlich auch zur Kasse bittet)?

Wenn
sich Infratest im Auftrag der GEMA die Mühe gemacht hätte, detailliert
nachzufragen, etwa: „Sind Sie bereit, höhere Eintrittsgelder zu bezahlen, damit
die von der GEMA vertretenen Urheber künftig statt ca. 1,8 Prozent zwischen
5,76 und 7,2 Prozent der Eintrittseinnahmen erhalten?“, dann wäre ich zum Einen
gespannt auf die Antwort der Befragten gewesen, und zum Anderen hätte man mit
den Antworten vielleicht wirklich etwas anfangen können.

Birgit
Walter schrieb in der „Berliner Zeitung“:

„Für die nächste Umfrage schlagen wir vor,
den Katalog um folgende Fragen zu ergänzen:

1. Halten Sie die Abgabensteigerungen des
Monopolisten Gema bis zu 1500 Prozent für angemessen?
2. Finden Sie es gerecht, daß 65 Prozent der Gema-Einnahmen an fünf Prozent der
Urheber fließen und daß allein die Spitzenverdiener über die Verteilung
entscheiden?
3. Ist es angemessen, daß Gema-Vorstände mit ihrer öffentlich nicht
wahrnehmbaren Verantwortung bis zu 484.000 Euro bekommen? (Zum Vergleich: Die
Bundeskanzlerin verdient 260.000 Euro.)“

* * *

Liebe Plattenfirmen, liebe Künstler!

Habt doch ein bißchen Mitleid mit denjenigen
Käufern eurer CDs, die eine Brille tragen und nicht mehr so gut sehen. Muß es
denn wirklich sein, daß ihr eure Booklet-Texte und die sonstigen Angaben auf
euren CDs dunkel auf dunkel drucken laßt? Daß ihr bevorzugt Schriftgrößen
verwendet, die zu entziffern ohne Lupe unmöglich ist?

Zeigt euch barmherzig! Druckt eure Booklets in
anständiger Größe und in Farben, die man leicht lesen kann. Oder, falls ihr
wirklich kein Interesse daran haben solltet, daß irgendjemand eure Booklets
lesen kann – laßt sie weg, und macht dafür die CDs billiger!Dankeschön.

* * *

Wer der „Initiative Musik“ vorwerfen möchte, nur
Staatspop zu initiieren, muß sich eines Besseren belehren lassen. Zu den
staatlich geförderten Bands gehören nicht nur Gruppen mit  so hübschen Namen wie „Beißpony“, sondern
auch Fritz Kalkbrenner. „Mit Fritz
Kalkbrenner haben wir einen Künstler, der zwar den ersten Schritt schon
geschafft hat, sich aber nun weiter etablieren möchte“, sagt
Aufsichtsratsmitglied Norbert Niclauss laut „Musikwoche“.

Und um sich weiter etablieren zu können, benötigt
der Charts-Künstler also Staatskohle. Die ihm bereitwillig gewährt wird.Staats-Techno.

* * *

„In the US, we have the best
politicians money can buy.“        Tony Crow (Lambchop-Pianist, bei einem Auftritt
während der aktuellen Europatournee)

26.10.2012

Leonard Cohen, Suzanne, rights stolen

Im Oktober konnte man auf 3sat eine Dokumentation über
die Europatournee von Leonard Cohen im Jahr 1972 sehen. Und mal jenseits
dessen, daß man wieder einmal feststellte, was für wunderbare Songs dieser Mann
geschrieben hat, und abgesehen von den eindeutigen Avancen berühmter junger
Damen, und abgesehen von einem unglaublichen Einblick in das Chaos einer
Europatournee im Jahr 1972 blieb eine Szene besonders im Gedächtnis haften: Wie
Leonard Cohen im Intro zu „Suzanne“, einem seiner größten Hits, erzählt, daß
ihm die Rechte an diesem Song gestohlen wurden.

„The rights on
it were stolen from me. (...) I’m happy for that „friend“ who put that piece of
paper in front of me and said: „Sign this!“ So I said: „But what is this?“ He
said: „Oh, just a standard writer’s contract.“ So I signed it, and it was
gone...“

26.10.2012

Liao Yiwu

Was den chinesischen Autor Liao Yiwu angeht, halte
ich es wie Christian Y. Schmidt – man „möchte
keinen Mann kritisieren, der allein wegen eines Gedichts vier Jahre in einem
chinesischen Gefängnis eingesperrt war“, so Schmidt in der „taz“.

Also nehmen wir den Quark, den Liao Yiwu bei
seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels
gesagt hat, ebenso stillschweigend hin und in Kauf wie das esoterisch anmutende
Lied, das er den Dalai Lama-Fans bei eben dieser Gelegenheit zum und in den Küchentopf
sang.

Nehmen wir hin, daß Liao Yiwu den Großkopferten
aller Lager, die da in der Frankfurter Paulskirche Beifall klatschten, Zeugs
erzählt hat wie, daß es in China ein „Wertesystem
des Drecks“ gebe, „das den Profit
über alles stellt“ – also, in China, wohlgemerkt. Nun ja.

Was allerdings nicht unkommentiert bleiben darf,
ist die Reaktion des Publikums wie des hiesigen Feuilletons auf Liao Yiwus mehrfach
und auch auf deutsch wiederholte Forderung, „dieses
Imperium, dieses Großreich muß auseinanderbrechen“ – entlang seiner
ethnischen Grenzen, am besten aber noch einmal in viel kleinere Einheiten, in
denen „die Leute alt werden und sterben,
ohne sich je besucht zu haben“. Christian Y. Schmidt schreibt dazu: „Dieser Satz ist nichts weiter als ein
Plädoyer für die Rückkehr zur Stammesgesellschaft, in der Fremde nur als Gast
geduldet werden. Er dürfte auch bei den Taliban großen Anklang finden.
Jedenfalls herrscht überall auf der Welt, wo versucht wird, diese „Utopie“
(Liao Yiwu) zu realisieren, Mord- und Totschlag“.

Daß das Publikum in Frankfurt „diesem reaktionären Gerede“ (Schmidt) geschlossen stehende
Ovationen zollte, daß am Tag danach die Feuilletons in einem Land, das bekanntlich
eine „strategische Partnerschaft“ mit China unterhält, diese „zurück in die
Steinzeit“-Rede geschlossen bejubelten – das ist entsetzlich. Es ist allerdings,
zugegeben, keine allzu große Überraschung.

26.10.2012

Au Weiwei

Und was macht der Deutschen Lieblings-Chinese, der
„regierungskritische Künstler“ Ai Weiwei? Er tanzt. Im rosa T-Shirt. Und zwar
den südkoreanischen „Gangnam Style“. Wie man bei YouTube nachschauen kann.

Wie wir der „Berliner Zeitung“ entnehmen dürfen,
teilt Ai Weiwei mit, sein Clip sei mittlerweile „von der Zensur gesperrt“ worden. Das Videoportal YouTube sei „innerhalb Chinas komplett gesperrt“.
Wie in Deutschland also, quasi, wo die Gema alle nennenswerten Musikvideos sperren
läßt, oder, um im Sprech vom „heiligen Ai“ („Frankfurter Rundschau“) und der deutschen
Medien zu bleiben: zensiert.

Au weiwei.

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