21.05.2018

Ungleichheit in D größer als in den USA!

"Von wegen Wohlstand für alle - das Gefälle zwischen Besserverdienern und Billigarbeitern erreicht im aktuellen Aufschwung einen Rekord. Und das Drama ist: Die Folgen werden bei uns immer weniger aufgefangen. (...)
Wie es um Deutschland steht, hat der weltweit renommierte Ungleichheitsforscher Branko Milanovic kürzlich ausgewertet. Der Index ist 2015 wieder gestiegen, dem aktuellsten Jahr der Erhebungen. Nimmt man die alleinigen (Netto-)Einkommen zum Maßstab, die am Markt und ohne Einrechnung des Zugriffs durch den Fiskus erzielt werden, liegt der Abstand zwischen Reich und Arm jetzt sogar so hoch wie noch nie in der Bundesrepublik - nachdem er ums Jahr 2010 herum für kurze Zeit geringer geworden war. Die Ungleichheit ist heute also größer als vor dem Aufschwung. Nach Milanovics Berechnung liegen Besser- und Schlechter-Verdienende in Deutschland sogar weiter auseinander als in den USA.(...)
Ein Grund dürften die Steuerreformen seit Ende der Neunzigerjahre sein, sagt Charlotte Bartels, Ungleichheitsexpertin beim DIW. Damals wurden Spitzensteuersätze gesenkt und obere Einkommen vor allem entlastet. Und danach auch die eine oder andere Sozialleistung gekürzt. Werbeslogan: Agenda 2010. Sie erinnern sich. Mit dem - damals gewollten - Ergebnis, dass es weniger Umverteilung gibt. Weil die angeblich zu teuer war - und die (vermeintlichen) Leistungsträger vom Arbeiten abhalten.
Jetzt steht Deutschland da, erlebt ein immer atemberaubenderes Auseinanderdriften der Einkommen - und wundert sich, warum so viele Leute irgendwie nicht zufrieden sind."

Thomas Fricke, SPON 18.5.2018