30.06.2017

Ehe für alle - müssen wir jetzt alle heiraten?

Ehe für alle?
Sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Und daß man darüber heutzutage, im Jahr 2017, überhaupt reden muß, zeigt nur, daß Teile der deutschen Politik mindestens 20 Jahre hinter der Realität her hinken.

Aber müssen wir jetzt alle heiraten?
Wäre die Politik auf der Höhe der Zeit, nämlich ungefähr auf der Höhe der Lebensrealität der Menschen unserer Tage, dann wäre ein anderes Thema drängend, nämlich die rechtliche und wirtschaftliche Gleichstellung nichtverheirateter Lebensgemeinschaften.
Die Zahl dieser Lebensgemeinschaften stieg in den letzten 10 Jahren um 18% (und die der Alleinerziehenden übrigens um 8%; und im Jahr 2014 gab es außerdem erstmals in der Geschichte der BRD mehr Alleinstehende als Ehepaare!), während es 2014 rund 1,6 Millionen Ehepaare weniger gab als vor zehn Jahren, was einem Rückgang von 8% entspricht.
Konkret: immer mehr Paare verzichten darauf, sich von Staat und/oder Kirche ihre Lebensgemeinschaft absegnen zu lassen. Aber bis die Gesetzgebung dies zur Kenntnis genommen und in vernünftige Gesetze umgesetzt hat, die eine Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit den vom Staat alimentierten Ehen umsetzen, dürfte es wieder 20 Jahre dauern... (alle Zahlen lt. Datenreport 2016, Kapitel 2: Familie, Lebensformen und Kinder von Destatis)

(Und wir wollen nicht übersehen, daß das politische und vor allem mediale Geschiß, das um die „Ehe für alle“ gerade aufgeführt wird, wesentlich darin begründet ist, daß mit diesem „soften“ Mittelschichtsthema von vielen wesentlichen Problemen abgelenkt wird... das altbekannte Spiel halt.)

29.06.2017

Und erneut: Zerschlagung der Volksbühne. Zukunft des Ensembletheaters. Und Klein-Pupsendorf.

Es mag für Menschen außerhalb Berlins so wirken, als ob wir nichts Anderes zu tun hätten, als über die Zerschlagung von Berlins möglicherweise bestem (Schaubühne hin, Maxim Gorki und Deutsches Theater her), auf jeden Fall aber wichtigstem Theater, also der Volksbühne, durch sozialdemokratische Provinzpolitiker zu debattieren.
Aber es geht eben beim Fall der Volksbühne um etliches mehr: Es geht um das, was Theater, was die Künste in unserer Gesellschaft bedeuten sollen (und wollen). Heiner Müller hat zu Beginn von Castorffs Volksbühnen-Intendanz geschrieben: „Theater, denen es nicht mehr gelingt, die Frage ‚Was soll das?’ zu provozieren, werden mit Recht geschlossen.“ Und in diesem Sinn würden einem viele Theater landauf landab einfallen, die mit Recht geschlossen werden könnten, aber die Volksbühne sicher zuletzt. Und ja, ich höre schon den Einwand: Aber sie wird doch gar nicht geschlossen! Dercon und sein Team machen doch weiter... Aber das ist eben falsch, Dercon macht nicht weiter. Die Volksbühne „wurde aus politischen Gründen zerschlagen, aber letztlich auch aus sozialen Gründen, weil wir es nicht akzeptiert haben, daß es arme und reiche Leute gibt“ (Frank Castorff). Und zerschlagen wurde mit der Volksbühne, und das ist doppelt bitter, ja ein Theater, das „seit seinem Entstehen aus dem Arbeitergroschen ein politisches Theater, ein Arbeitertheater, ein Entwurf gegen das bürgerliche Theater“ war (Jürgen Kuttner). „Seit 127 Jahren – mit Ausnahme der Nazizeit – war die Volksbühne ein Theater mit Ensemble und Repertoire, das heißt, sie hatte ein klares inhaltliches und strukturelles Programm, feste Verträge mit Schauspielern, Technikern und so weiter. Die Volksbühne hat sich mit den Positionen der Gegenwart kompetent auseinandergesetzt. Ein Programm, das ein gewisses Pflichtbewusstsein hatte, zudem immer erkundend und revolutionär war und wo auch Mischformen ausprobiert werden konnten. Aber eben ohne die Form des Theaters aufzulösen.“ (Kuttner)

Das, was Dercon, Piekenbrock und Konsorten da jetzt spielen werden, ist ein falsches Spiel, mit drei Millionen Sonderbudget haben sie ein erbärmliches postmodernes Potpourri aus Performance, Popmusik, Youtube-Filmchen und dem Ankauf von Fremdproduktionen zusammengestellt, das an Belanglosigkeit und Pupsigkeit kaum zu unterbieten sein dürfte und selbst im Stadttheater von Kleinpupsendorf durchfallen würde.
Aber das ist genau das, worum es geht: Um die Zukunft des Sprechtheaters hierzulande (Dercon dazu, 2016: „Sprechen kann ich selber.“ Theater spielen allem Anschein nach auch...). Soll es weiterhin ein Ensemble- und Repertoire-Theater in Berlin und in dieser Republik geben? Ein Theater, das mit all seinen Mitteln (und ja, dazu gehören auch Filme, dazu gehört auch Musik usw., das muß man an der Volksbühne, wo Brecht vor zig Jahrzehnten als erster überhaupt am Theater Filme eingesetzt hat, wirklich niemanden erklären) die Konflikte öffentlich austrägt, die in der Gesellschaft vorhanden sind. „Ich glaube, es ist wichtig, wieder zu wissen, daß es einen Unterschied zwischen arm und reich gibt, und daß Arme und Reiche nicht die gleichen Interessen haben“, stellt Frank Castorff in einem großen und sehr lesenswerten „Tip“-Interview mit Peter Laudenbach fest. Kaum vorstellbar, daß Dercon dieses Thema überhaupt registriert hat...
Und signifikant, daß dank Dercon ausgerechnet der „Tagesspiegel“, von Berliner*innen gerne „Tagesspitzel“ genannt und von Jürgen Kuttner als „Spandauer Volksblatt“ bezeichnet, neuer „Medienpartner“ der Volksbühne wird. Also die einzige Berliner Tageszeitung, die massiv hinter der Berufung Dercons an die Volksbühne steht und jedes denkbare publizistische Geleitgeschütz zu Dercons Übernahme der Volksbühne aufgefahren hat...

(Ergänzung, 20.9.2017:
Die Volksbühne betont jetzt, daß der "Tagesspiegel" nicht "Medienpartner" der Volksbühne sei (im Gegensatz zu "Monopol", "taz", "Zitty" oder "RBB").
Bei der Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2017 hat Herr Dercon allerdings noch höchstselbst verkündet: "Wir haben auch Medienpartner gewonnen wie den „Tagesspiegel“, RBB, „Zitty“, „Exberliner“, „Siegessäule“, und wie gesagt, wir haben Ko- produzenten wie ARTE.")

Aber gut, vielleicht sollten wir einfach optimistisch bleiben. „Mal sehen, ob Dercon mit seinen eingekauften Gastspielen länger als zwei Spielzeiten durchhält und wie lange es sich Kultursenator Lederer leisten kann, tatenlos zuzusehen, wie unter Dercon für sehr viel Geld sehr wenig Theater produziert werden wird.“ (Peter Laudenbach) Geben wir dem neuen König Oberpups von Pupsendorf ein Jahr, vielleicht auch zwei. Dann wird sich das erledigt haben. Und dann beginnt eine dringend nötige inhaltlich Diskussion, welches Theater diese Stadt benötigt. Und welche Konflikte dort auf die Bühne kommen, und wie.

29.06.2017

Berliner Party-Polizei

Wer schützt eigentlich die G20-Teilnehmer, vor allem aber die vielen Demonstrant*innen in Hamburg und Berlin vor der aus dem Ruder laufenden Berliner Party-Polizei? Heute und in Zukunft?

23.06.2017

Afghanistan - Terror und Gewalt für die einen, sicheres Herkunftsland für die anderen

Das Auswärtige Amt warnt deutsche Reisende seit langem vor Terror und Gewalt in Afghanistan, nicht erst, seit die Zahl der Attentate in dem Land drastisch steigt. Aktuell warnt die UN vor einer „noch viel schlimmeren und fragileren Periode“ am Hindukusch, wo bekanntlich unsere Freiheit verteidigt wird, und konstatiert 6.252 sogenannte „Sicherheitsvorfälle“, die man allein für den Zeitraum zwischen 1.3. und 31.5.2017 registriert hat. Krieg und Terror plagen Afghanistan, die Sicherheitslage ist schlechter denn je.

Afghanistan ein sicheres Herkunftsland? Für CDU, CSU und SPD schon. Denn die deutsche Bundesregierung plant, kommende Woche wieder Geflüchtete aus Deutschland ins Kriegsgebiet abzuschieben, in ein Land also, vor dessen Gefahren sie die deutschen Bürger*innen massiv warnen läßt. Offensichtlich unterscheiden CDU, CSU und SPD in Menschen mit deutschem Paß und solchen ohne denselben. Für die einen ists Krieg, Terror und Gewalt, den anderen verkaufen sie’s dagegen als sicher.

23.06.2017

Local Trash Music in China und hierzulande

In Yunnan im Südwesten Chinas gibt es in vielen Städten eine Art „Local Trash Music“:
Wenn die Müllwagen durch die Straßen fahren, erklingt eine Melodie, um die Leute daran zu erinnern, ihren Müll aus den Häusern zu tragen und in die Müllwagen zu werfen, die täglich durch die Straßen fahren.
Diese Melodien sind in einigen Städten eingängig und simpel und europäisch, aber in Shuhe bei der alten Königsstadt Lijiang habe ich diese hübsche Bollywood-artige „Local Trash Music“ erleben dürfen:

 

Das Altpapier wird übrigens von privaten Sammler*innen entsorgt, die meistens mit waghalsigen Lasten durch die Städte fahren:

 

Hierzulande kommt keine Musik aus den Müllautos. Stattdessen können wir unsere „Local Trash Music“ im Radio hören, bevorzugt im Dudelfunk mit seinem Formatradio, auf Endlosschleife...

23.06.2017

Arte, WDR und der Antisemitismus: Versagen, Warntafeln und Dauer-Propaganda-Sendungen

Mitunter erlebt unsereiner beim Studium der Medien ja durchaus gewaltige Überraschungen. Angeblich sollen laut einer Studie des „Spiegel“ „Ausländer bei der Wohnungssuche schlechtere Chancen haben als Bewerber mit deutschen Namen“ – echt jetzt? Wer hätte das gedacht. Oder: bei der Bundeswehr soll es Soldaten mit rechtsradikalen Ansichten geben. Ach. Die deutschen Medien decken es auf. Schonungslos. Investigativ.

Nur beim Antisemitismus tun sie sich schwer. Da haben Arte und WDR einen Dokumentarfilm zum Thema Antisemitismus in Auftrag gegeben und ihn dann, da er nicht „ausgewogen“ sei, nicht senden wollen. In dem Film sieht man, wie der Palästinenserpräsident vor dem EU-Parlament redet und behauptet, die Israelis würden das Wasser der Palästinenser vergiften, und der Giftcocktail würde schließlich im Mittelmeer landen (Abbas sagt wörtlich: „Darüber hinaus möchte ich noch sagen, daß vor nur einer Woche einige Rabbiner in Israel ihre Regierung aufgefordert haben, unser Wasser zu vergiften, um Palästinenser zu töten. Ist das nicht eine klare Anstiftung zum Massenmord am palästinensischen Volk?“; das ist natürlich eine infame Lüge, und Abbas mußte sich später von seiner Aussage distanzieren) – eine aus dem Mittelalter stammende antisemitische Lüge, doch keiner der Parlamentarier widerspricht, ganz im Gegenteil, sie applaudieren der Rede, und Martin Schulz, also der jetzige SPD-Bundesvorsitzende, tut es ganz besonders begeistert und bezeichnet Abbas’ Rede als „inspirierend“.
Ja, das ist einseitig, aber es geht ja schließlich auch um Antisemitismus und den „Haß auf Juden in Europa“ – „wir konzentrieren uns ausschließlich auf politische Projekte, die laut NGO Monitor vielfach israelfeindliche Kampagnen betreiben. Wir haben uns auf die Skandale konzentriert“, sagt Filmemacher Joachim Schroeder im „FAZ“-Interview, denn: „Wenn über Flugzeugunglücke berichtet wird, dann verlangt auch niemand, daß man gleichzeitig die vielen geglückten Landungen erwähnt.“ Arte und WDR allerdings haben da ganz eigene Vorstellungen, und als der Film, der eigentlich von Arte und WDR weggeschlossen werden sollte, von der „Bild“-Zeitung veröffentlicht wurde und somit nun mal in der Welt war, und nachdem überall in Europa Arte unter Druck geriet (die NZZ titelte: „Der Kultursender Arte hat versagt“, weil er die „publikationswürdige TV-Dokumentation über Antisemitismus“ nicht ausgestrahlt hat, obwohl die Dokumentation „den einschlägigen publizistischen Normen“ genüge und „von einer gedanklichen Tiefe und sorgfältiger Durchdringung eines so explosiven wie virulenten Themas“ zeuge), beschloß der WDR, den Film doch noch auszustrahlen – allerdings nur mit lauter Warntafeln, sobald er angeblich einseitig berichten würde.

Das ist nun wirklich ganz besonders erbärmlich: Hat man beim WDR oder Arte jemals erlebt, daß Warntafeln eingeblendet würden, wenn wieder einmal einseitige Propaganda zum Beispiel über China oder über Griechenland über den Sender ging, um nur mal zwei Beispiele zu nennen und nicht einmal „Ukraine“ oder „Syrien“ mit allen einschlägigen öffentlich-rechtlichen Fauxpas zu erwähnen? Wenn der WDR eine mißratene und durchaus im Unterton antisemitische Geert-Wilders-Doku ausstrahlt, werden natürlich keine Warntafeln eingeblendet. Ganz offensichtlich mißt der WDR mit zweierlei Maß, und das ist dann schon wieder einigermaßen signifikant. Der Historiker Michael Wolffsohn hielt dem WDR zurecht vor: „Wenn Sie die von Ihnen propagierten Standards immer anwenden würden, dann hätten Sie nur Testbilder.“ Oder, könnte man hinzufügen, das Staatsfernsehen müßte bei all seinen Sendungen einblenden: Dauer-Propaganda-Sendung...
„Die Medien sind Teil des gesellschaftlichen und des staatlichen Herrschaftsapparats. Die Moral, die sie für sich reklamieren, ist, wie’s beliebt: Fake News oder Lüge.“ (Hermann L. Gremliza)

23.06.2017

Oskar Maria Graf: Antisemitismus und deutsches Tüchtigkeitsprotzertum

„Was mich aber bei meinen Deutschlandbesuchen gerade in der ‚wirtschaftswunderlichen’ Bundesrepublik am meisten anwiderte, war, ganz abgesehen von einem bereits latent gewordenen Antisemitismus, das wiedererwachte, engstirnig provinzielle deutsche Tüchtigkeitsprotzertum.“
(Oskar Maria Graf)

23.06.2017

Neue Helden: Macron. En Marche. Demokratie?

Die europäischen Medien haben einen neuen Liebling: Macron!
Seine Partei, En Marche, erreichte im ersten Wahlgang der Parlamentswahl (in dem tatsächlich alle Parteien antreten durften) gerade einmal 32,3 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei einer Wahlbeteiligung von 48,7 Prozent bedeutet das: Nur etwa 16 Prozent der Franzosen haben Macrons Partei En Marche gewählt.
Doch im Parlament erhielt En Marche letztlich 308 von 577 Sitzen, also über 53 Prozent.
Na, das nennen wir dann Demokratie, oder?

23.06.2017

Nein, bitte nicht schon wieder Dercon...

Nein, nicht schon wieder „Dercon“ und die „Volksbühne“ – wiewohl die Abwicklung eines erfolgreichen Theaters durch sozialdemokratische Provinzpolitiker (nämlich Müller und Renner) unverändert schmerzt und empört und noch lange nicht vergessen ist und niemals vergeben werden wird.

Was aber fast schon wieder lustig ist: Das, was Dercon von der alten Volksbühne übernimmt, ist ihr mit Abstand schwächster Teil, nämlich das Musikprogramm und der völlig überforderte und inkompetente Musik-„Kurator“. Der hat gleich fürs erste Programm unter Dercon etwas ganz Besonderes angekündigt, nämlich ein Gastspiel der tollen Kate Tempest, die ihr Programm „Let Them Eat Chaos“ in der Volksbühne aufführen wird. Dumm nur, daß es ein müder Aufguß werden wird: Kate Tempest hat das Programm längst schon in Berlin auf die Bühne gestellt, nur ohne Orchester und Chor. Aber so etwas bekommt Dercon halt nicht mit, denn „das Berlin der Nacht“ kennt der neue Volksbühnen-Chef nicht, wie er freimütig bekennt, „weil er vor elf Uhr abends schlafen geht“ („Berliner Zeitung“). Hoffen wir, daß wir uns auf diese Aussage verlassen können, denn so bleibt unsereinem eine spätabendliche oder nächtliche Begegnung mit Dercon erspart.
Aber die Wiederholungen sind natürlich signifikant für Dercons „Programm“. Da wimmelt es nur so von „Weiterführungen bereits etablierter Serien“, von „Adaptionen von bereits bestehenden Inszenierungskonzepten“ (Nachtkritik) und von Koproduktionen etwa mit den Münchner Kammerspielen (deren Intendant Lilienthal Dercon bei Renner bekanntlich massiv protegiert haben soll). Von den großmäulig angekündigten 18 „Premieren“ entpuppen sich 16 als Gastspiele, die andernorts produziert wurden, dort teils jahrelang liefen und nun teuer eingekauft werden. Gerade einmal zwei Eigenproduktionen sind für die Spielzeit 2017/2018 geplant.

„Es veröden die Parlamente zeitgleich mit den Theatern.“ (Walter Benjamin) So ist das wohl.

23.06.2017

Chris Dercon fühlt sich unfrei und ihm kann geholfen werden

„Ich habe mich noch nie so unfrei gefühlt wie in Berlin“, verriet Chris Dercon der „Zeit“.
Dem Mann kann geholfen werden. Wollen wir zusammenlegen und ihm ein One-Way-Ticket nach London spendieren? Und seinen Musik-Mohr darf er gerne gleich mitnehmen.

23.06.2017

Harry Belafonte fordert zivilen Ungehorsam gegenüber Trump

Der große Harry Belafonte, 90 Jahre alt, hat dieser Tage den amerikanischen Präsidenten scharf attackiert und dazu aufgerufen, die USA durch zivilen Ungehorsam für Donald Trump „unregierbar“ zu machen. „Ich helfe den Leuten, die Dinge anders zu sehen“, sagte Belafonte früher. Von Künstlern dieses Kalibers und mit dieser Haltung bräuchten wir mehr.

23.06.2017

Hartwig Masuch über unabhängige Musiker*innen

„Ganz wenige Künstler erzeugen so viel Reibung, dass es warm wird und alle in der Nähe sein wollen. Unabhängigkeit ist das Erfolgsrezept. Unabhängigkeit hat langfristig den Wert der Musikindustrie geschaffen. Schauen Sie sich Hits an, die als Me-too-Songs, als Kopien entstanden sind und die heute keinen Wert mehr haben, weil sie zu leichtgewichtig waren. Und dann schauen Sie sich U2 an, The Clash, die Rolling Stones, Sade. Das sind nur einige wenige Beispiele. Musik, die sich nicht direkt ableiten lässt, schafft Wert und loyale Hörer.“
Hartwig Masuch, Chef des weltweit viertgrößten Musikverlags BMG, im Interview mit der „Welt“

23.06.2017

Audiolith zeigt Haltung - Respekt!

Das Indie-Label Audiolith setzte laut „taz“ letztes Jahr ein Zeichen und hat seinen gesamten Labelkatalog von 1.600 Songs als MP3-Download für 25 Euro „flat“ ins Netz gestellt. Die Einnahmen in Höhe von 20.000 Euro haben die Audiolith-Leute an Cadus gespendet, ein mobiles Krankenhaus für Syrien und den Nordirak.
Respekt!

23.06.2017

Free Music Production im Haus der Kunst

Eine beeindruckende Ausstellung ist noch bis zum 20.8. im Münchner Haus der Kunst zu sehen: „Free Music Production“, über das legendäre FMP-Label, „das von 1968 bis 2010 als Plattform für die Produktion, Präsentation und Dokumentation von Musik Unvergleichliches geleistet hat“, wie es im Heft zur Ausstellung heißt (ein Katalog ist in Vorbereitung).
Man sieht tolle Fotos, man hört großartige „freie“ Musik, man sieht die wunderbaren Schallplatten-Cover, man staunt über die Auseinandersetzung mit Produktionsbedingungen, über frühen Feminismus, über „Free Jazz und Kinder“, und man staunt über das, was einmal gewagt (und gewonnen, und natürlich immer wieder auch verloren) wurde.
1966 wurde in Berlin die „New Artists Guild“ gegründet, eine Art Vorläuferin der FMP, und man legt sich die Aufgabe auf, „mitten im Kapitalismus auf dem Felde des Kapitalismus gegen den Kapitalismus anzuspielen, anzutreten“.
Und man sieht diesen Konzertausschnitt von 1973, Eislers Einheitsfrontlied in einer Version von Peter Brötzmann und dem Trio Infernal:

 

...und am Schluß dann die Einblendung: „Sie sahen und hörten im NDR-Jazzworkshop...“
So war das einmal beim Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. Heutzutage würden sie den Ton abdrehen und Warntafeln ausstrahlen...

23.06.2017

Sportreporter schreiben Geschichte II

Ich hatte ja unlängst an dieser Stelle bereits darum gebeten, ob die Damen und vor allem die Herren (vor allem: Sport-)Journalisten nicht bitte damit aufhören könnten, jeden Köttel, der auf dem medialen Feldweg herumliegt, damit zu titulieren, daß dieser Köttel gerade „Geschichte geschrieben“ habe.
Diese Bitte wird hiermit eindringlich erneuert. Es geht einfach nicht an, daß wie in der FAS vom 4.6.2017 behauptet wird, „Real Madrid Geschichte schreibt“, bloß weil der Fußballverein gerade mal „als erstes Team den Titel in der Königsklasse verteidigt“ hat.
Und es ist absurd, wenn wie auf SPON vom 3.6.2017 mitgeteilt wird, daß „Timo Boll bei der Einzel-WM im Einzel Geschichte geschrieben“ habe, weil er „als erster Deutscher zum vierten Mal in Folge im Viertelfinale steht“. Awcmon, Leute!
Geschichte ist die Entwicklung der Menschheit, oder, wie es bei Wikipdeia heißt: Unter Geschichte versteht man im Allgemeinen diejenigen Aspekte der Vergangenheit, derer Menschen gedenken und die sie deuten, um sich über den Charakter zeitlichen Wandels und dessen Auswirkungen auf die eigene Gegenwart und Zukunft zu orientieren.“ Davon kann beim mehrmaligen WM-Viertelfinaleinzug des Timo Boll ebenso wenig die Rede sein wie beim zweimaligen Champions-League-Titel von Real Madrid. Denkt euch bitte neue Worthülsen aus, liebe Sportreporter!

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